„Die Reise“ als Gleichnis für extreme Lebensbilder

Landestheater Linz: Berührende Uraufführung des Opern-Auftragswerks „Il Viaggio“

Ragt aus der jungen Sängerriege heraus: Saskia Maas. © Petra Moser

Zwei Erzählungen des Nobelpreisträgers Luigi Pirandello motivierten den deutschen Komponisten Alois Bröder, daraus im Auftrag des Linzer Landestheaters die Opern-Einakter „Das Licht vom anderen Haus“ und „Die Reise“ unter dem Gesamt-Titel „Il Viaggio“ mit eigenem Text und seiner Musik zu formen. Das komplexe Ergebnis erlebte am Samstag in der Blackbox des Musiktheaters seine gefeierte Uraufführung.

Kompakte und zügige Inszenierung

Die kompakte und zügige Inszenierung Gregor Horres` zeichnet, unterstützt vom ideenreichen Bühnenbild Mariangelos Mazzeos, intensive Lebensbilder, die sich zwischen Extremen bewegen: In beiden Mini-Opern geht es um den Ausbruch von Frauen aus sogenannten „gutbürgerlichen“ Verhältnissen, die von einem variablen, das Bühnenzentrum beherrschenden „Gefängnisturm“ symbolisiert bzw. eingegrenzt werden; im ersten Fall sind sie von patriarchalischer Unterdrückung und Gewalt gekennzeichnet, im zweiten von schier unerträglichem Mangel und Druck des Alltagstrotts, hinter dem unentdeckt Krankheit wächst. Doch der mehr oder weniger spontane Ausbruch bleibt nicht ohne Folgen: Die Sehnsucht nach den verlassenen Kindern kehrt das vermeintliche Glück wieder um …

Lesen Sie auch

Souveränes Bruckner Orchester

Dies alles wird in einem Wechselspiel zwischen surrealen und veristischen Situationen erzählt, wobei Bröders bisweilen expressive Musik die sensibel schattierten Emotionen fantasievoll und oft in tonalem Stil verdeutlicht. Das Bruckner Orchester bewältigt die Herausforderungen der Partitur souverän, hinter der Bühne schwungvoll geleitet von Jinie Ka.

Die den „inneren“Status zu Beginn beider Einakter erklärenden Erzählungen werden in italienischer Sprache gesungen, alles Weitere deutsch; die „bestätigende“ Rolle des Herrenchors im ersten Teil und die „reflektierende“ Rolle des Damenchors im zweiten beherrscht das Italienische. Beide Aufgaben wurden jeweils von den Herren und Damen des Extrachors – allerdings im Hintergrund – empathisch gelöst (Einstudierung: David Barnard).

Saskia Maas überstrahlt den Abend

Alle Vokal-Soli sind den Mitgliedern des Oö. Opernstudios am Musiktheater anvertraut. Im „Licht“ glänzen Genesis Beatriz Lopez Da Silva als Margherita Masci und Christoph Gerardus als Tullio Buti durch intensive Rollen-Identifikation. In der „Reise“ überstrahlt freilich Saskia Maas mit ihrer berührenden, differenzierten Darstellung der Anna Braggi den ganzen Abend. Martin Enger Holm gibt glaubhaft ihren Partner Cesare Braggi, und Felix Lodel tritt solide als Arzt auf; ebenso wie Sophie Bareis und Lily Belle Czartorski in weiteren Rollen. Gesamteindruck: Das schwierige und vielgestaltige Thema wird eindrucksvoll ins Bewusstsein „gesungen“.

Von Paul Stepanek