Der gebürtige Traunkirchner Fritz Karl (56) ist als Schauspieler bekannt für seine Vielseitigkeit. Für den Kinofilm „Führer und Verführer“, der am Donnerstag in die Kinos kommt, ist er nun in die Rolle von Adolf Hitler geschlüpft und verleiht diesem ungewohnt menschliche Facetten. Im Interview erklärt er, warum es wichtig ist, auch diese Seite des Bösen zu zeigen, und wie er seine Kinder vor Fake News und Propaganda zu schützen versucht.
War es für Sie sofort klar, dass Sie Hitler spielen wollen?
FRITZ KARL: Das Wichtigste ist natürlich, dass man weiß, in welchem Umfeld man das spielt, was dieser Film erzählen soll, welche Leute da mitmachen, dass man sich sicher fühlt bei dem, was man da vorhat. Und dass man nicht einen Film dreht und dann ist der fertig und man kommt drauf, Moment einmal, das hat überhaupt nichts mit meiner politischen Meinung, mit meinem moralischen Kodex, mit meiner Haltung zu tun und das wollte ich nicht. Und das ist, glaube ich, das Schwierige, wenn man einen Film macht über diese Zeit und wenn man einen Film macht über solche Verbrecher, dafür braucht man ein Netz von Vertrauten.
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Interessiert hat mich die Rolle sehr. In der Vergangenheit wurde Hitler immer als brüllender Dämon mit rollendem R oder als Karikatur dargestellt. Das ist etwas, das wir aus den Propagandafilmen der Wochenschau kennen oder aus den Filmen von Leni Riefenstahl. Das hat aber nichts mit der Realität zu tun.
Wir wissen von Zeitzeugen und deren Berichten und vor allem durch die Tonaufnahme, die in Finnland entstand, dass Hitler eher ruhig gesprochen hat. Uns sind nur die Reden im Kopf und da meist die letzten Minuten.
Sie zeigen Hitler als eher unauffälligen Mann und menschlich. Warum ist es wichtig, auch diese Seite zu sehen?
Dieses banale Böse, der Mann, der Torten isst, der mit ruhiger Stimme spricht, dadurch wird es ja viel fürchterlicher, wenn man plötzlich in diesen Kreis hineinschaut, die sitzen am Tisch, essen Sahnetorte und reden über Krieg. Nur so erkennt man auch klar, was Propaganda dann bewirkt.
Sind Ihnen Filme, die sich mit dem Thema Nationalsozialismus auseinandersetzen, ein besonderes Anliegen?
„Ein Dorf wehrt sich“ ist eine ganz andere Geschichte und kommt von einer ganz anderen Seite. Das ist ein Teil unserer Geschichte und ein großer Einschnitt. Und da ist es natürlich interessant, wenn man die Möglichkeit hat als Schauspieler, darüber zu erzählen.
In „Führer und Verführer“ geht es um Propaganda, wie Propaganda funktioniert und wie sie gemacht wird. Und das ist natürlich nicht nur in der Vergangenheit verhaftet. Wir sehen heute eine Dokumentation über die Nazizeit im Fernsehen, aber was wir da sehen, sind ja nicht dokumentarische Bilder, das ist zusammengeschnittenes Propagandamaterial. Das ist den meisten gar nicht bewusst, wie lange dieser Arm des nationalsozialistischen Propagandamaterials reicht. Und das Smartphone ist für jeden Propagandisten und für jeden, der eine Meinung beeinflussen will, ein Festschmaus.
Was ist für Sie die zentrale Botschaft des Films?
Es gibt viele Sachen, die hier zu sehen sind. Wir sehen zum Beispiel diese Rede vor den Generälen, wo Hitler dann ganz klar sagt: Uns geht das Geld aus, jetzt müssen wir wen überfallen, einen Raubzug machen, so quasi. Man kann Autobahnen bauen, aber wenn man sie nicht bezahlen kann, dann muss man halt ein Land überfallen. Wenn die Ewiggestrigen immer noch sagen, der hat ja Autobahnen gebaut, dann muss man dem entgegenhalten, was die Autobahnen gekostet haben.
Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?
Ich habe schon vorher relativ viele Biografien gelesen. Zeitzeugenberichte, das Interview mit Traudl Junge zum Beispiel. Mich interessiert einfach diese Zeit und wie es dazu kommen konnte, wie diese Machtsysteme funktionieren. Das sollte man als Österreicher.
Und ich kannte auch diesen Mitschnitt aus Finnland, mit dem der Film beginnt, wo Hitler zu hören ist, wie er wirklich geredet hat. Das ist ein ganz wichtiger Schlüssel zu dieser Figur, so wie wir sie im Film zeigen. Die Sprache, die er hat.
Es war halt jeden Tag eine Verwandlung, ich bin aufgestanden in der Früh, habe mir den Kopfhörer aufgesetzt und mir dieses Finnland-Gespräch angehört, dass er da führt mit diesem General Mannerheim. Dann bin ich in die Maske, da wurden mir die Augen eingesetzt, die Haare frisiert, ich wurde geschminkt. Dann bekommt man den Bart und die Uniform oder den Anzug und dann merkt man plötzlich, wie sich alle Leute um einen herum anders verhalten. Das war schon gespenstisch.
Wie war die Zusammenarbeit mit Robert Stadlober, der in die Rolle von Goebbels schlüpft, und kannten Sie sich vorher schon?
Natürlich kannten wir uns schon vorher. Mit dem Robert war das eine große, respektvolle Zusammenarbeit. Wir schätzen uns sehr und das Tolle ist, wir haben uns gegenseitig unterstützt und können uns Dinge sagen, ohne dass der andere beleidigt ist, weil wir beide eine Geschichte erzählen wollen. Wir haben das in 24 Tagen gedreht, das ist nicht viel Zeit, da muss man sich gegenseitig unterstützen, gegenseitig aufpassen aufeinander, sich jeder vom anderen etwas sagen lassen, ohne dass es irgendeine verletzte Eitelkeit gibt oder jemand beleidigt ist. Das war von Anfang an klar, das wird ein Husarenritt. Der Robert ist für mich auch ein Garant gewesen dafür, dass wir mit dem Film auf der richtigen Seite sind moralisch. So einen Film kann man ja nur mit Verbündeten machen.
Ist es nicht auch ein wenig gewagt, die Perspektive der Täter einzunehmen?
Es gibt ja verschiedene Ebenen in diesem Film, es kommen Zeitzeugen zu Wort, es gibt Archivaufnahmen und die Spielszenen. Dass man Applaus von der falschen Seite bekommt, habe ich persönlich nie gehabt. Ich weiß, es gibt diese Angst, aber dazu finde ich die Aussage des Films zu klar.
Was kann der Film, was die vielen anderen nicht schon gezeigt oder vermittelt haben?
Welche Filme gibt es über diese Zeit? Es gibt entweder Filme, in denen Hitler als Karikatur oder als Dämon dargestellt wird. Und dann gibt es Holocaust-Filme, da kommt Hitler meistens nicht vor.
In unserem Film werden diese Themen auch wirklich vereint und wir sehen in die Machtzentrale des Bösen hinein. Wir sehen, wie da drin agiert wird, wie lächerlich, wie in einem Kindergarten, wenn Hitler seine Mannen aufmarschieren lasst und er dann sagt, wer am nächsten von ihm sitzen darf. Das ist ja auch interessant.
Dieser Film erzählt viele neue Facetten und lässt auch viel erkennen, das bis in die heutige Zeit reicht, vor allem, wie Propaganda gemacht wird.
Wie schützen Sie Ihre Kinder vor Fake News und Desinformation?
Das Smartphone ist natürlich die Hölle, aber ich kann das meinen Kindern natürlich nicht verbieten. Ich sag‘ immer: Ok, wo hast du diese Information her. Gibt es dazu noch eine andere Meinung, lies doch was oder schau dir doch Nachrichten oder eine Doku an. Wir haben heute die Möglichkeit, uns wirklich breit aufzustellen und uns viele, viele Meinungen anzuhören. Das müssen wir machen und dann unsere eigene Meinung bilden, lernen, zwischen den Zeilen zu lesen, zuzuhören – nicht nur der einen, sondern auch der anderen Seite.
Ich kann heute ins Netz gehen und mir dort Verschwörungstheoretiker anhören, ich kann trotzdem auch verschiedene Zeitungen lesen. Es gibt viel, das wir machen können und das ist die Herausforderung unserer Zeit. Aber es ist natürlich auch ein Fluch: Noch nie gab es so viele Möglichkeiten, nicht nur zur Meinungsbildung, sondern auch dazu, was wir machen und wie wir etwas machen. Wenn wir etwas entscheiden wollen, haben wir plötzlich 20 Möglichkeiten. Das erzeugt natürlich Stress.
Salzkammergut 2024. Ihr Heimatort Traunkirchen ist Schauplatz einiger Aktivitäten, hatten Sie schon Gelegenheit, sich etwas anzusehen?
Ich war ja ein Teil davon, wir haben „Briefe aus der Region“ gelesen und das werde ich noch einmal machen am 9. Oktober in Gmunden. Es werden weiter Briefe gesammelt, das ist ein ganz, ganz tolles Projekt.
Und was sind Ihre nächsten Pläne?
Ich drehe jetzt dann „Maiberger“. Und ich werde mit der Frau Uhlig, das ist meine Frau, weiter das Programm „Beziehungsstatus“ spielen.
Interview: Melanie Wagenhofer