„Führer und Verführer“: Ein Film, der die Mechanismen der (Nazi-)Propaganda entlarvt

Fritz Karl und Robert Stadlober überzeugen als Hitler und Goebbels

Goebbel (Robert Stadlober, li.) und Hitler (Fritz Karl) beim Sichten von Propagandamaterial © 2024 Zeitsprung, SWR, Wild Bunch

Es ist eine Mischung aus Kammerspiel, Zeitzeugen-Kommentaren und historischem Filmmaterial, die Regisseur Joachim A. Lang zum gut zweistündigen Historiendrama „Führer und Verführer“ zusammensetzt. Unschwer sind aus dem Titel das Thema Nationalsozialismus und auch die zentralen Figuren herauszulesen: Mit Hitler und Goebbels rückt der Film die Perspektive der Täter in den Vordergrund, die Hauptrollen sind mit den österreichischen Schauspielern Fritz Karl (zum Interview) und Robert Stadlober großartig besetzt. Eine Lehrstunde in Sachen Propaganda, die auch für uns heute als Warnung dienen kann. Am Donnerstag kommt der Film in die heimischen Kinos.

„Hetzen und drohen!“

„Hetzen und drohen!“, ruft Goebbels (Robert Stadlober) immer wieder für das ganze Land aus, um die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass das, was Hitler (Fritz Karl) tut, das einzig Wahre und Richtige ist. Stadlober spielt ihn grandios – als krampfhaft wagnerianisches Hochdeutsch sprechenden und seine körperliche Beeinträchtigung überspielenden Mann, der davon überzeugt ist, allen alles einreden zu können. Ein eitles Propaganda-Genie. Die wichtigste Quelle für den Regisseur, der viel Recherche betrieben hat und so faktengetreu wie möglich sein wollte, waren dann auch Goebbels‘ Tagebücher. Zwischen den Spielfilmszenen flicht Lang historische Aufnahmen ein, die Propagandaauftritte und Gräuel des Krieges zeigen, weiters berührende Interviewszenen mit Holocaust-Überlebenden.

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Im Maschinenraum der Nazis

Es wird klar, dass Goebbels ein von seinem Führer fasziniertes Vollzugsorgan war, das die Propagandamaschinerie gnaden- und skrupellos bediente und sich auch selbst damit ein Denkmal setzen wollte. Keine Tat war zu schlimm, keine Lüge zu groß, um Hitlers Ziele zu verfolgen, die Strategie je nach Situation „angepasst“: zu Beginn des Krieges, beim Angriff auf Russland, am Ende, als die Lage für die Deutschen aussichtslos geworden war. Blickte der oscargekrönte Film „Zone of Interest“ vergangenes Jahr über den Zaun ins Privatleben von Lagerkommandant Rudolf Höß, so dringt „Führer und Verführer“ in den Maschinenraum des Nationalsozialismus.

Die Szenen zeigen kammerspielartig und chronologisch vor allem die Treffen Hitlers und seiner Führungsriege in geschlossenen Räumen, wie sie Strategien und ihr Vorgehen festlegen. Vieles davon geht auf, etwa bei Goebbels, der vor Ideen nur so sprüht, so der Propaganda-Spielfilm „Jud Süß“. Und wie er Auftritte Hitlers, aber auch eigene bis ins kleinste Detail inszeniert und die Presse instrumentalisiert.

Daneben zeigt man auch die private Seite des Propagandaministers, das nach außen (zu Propagandazwecken) dargestellte Vorzeigefamilienleben mit Frau Magda und sechs Kindern,  Goebbels als Freund der Kunst und Schürzenjäger, der sich wie andere Bonzen Sachen herausnimmt, die Hitler nicht gefallen und die er auch nicht duldet.

Die Menschen hinter der Propaganda

Fritz Karl legt Hitler auch in seiner Sprache sehr reduziert an, ohne die sonst häufig üblichen Verzerrungen und Schnoddrigkeiten, verleiht ihm seine eigene Note und lässt ihn erschreckend menschlich erscheinen. Ein zu Beginn des Films zu hörendes, heimlich aufgenommenes Gespräch von Hitler bestätigt die Authentizität – und belegt die Inszenierung jedes öffentlichen Auftretens. Franziska Weisz ist als dem Führer restlos ergebene und ihn grenzenlos verehrende Magda Goebbels überzeugend.

Der Film eignet sich als – wenn auch etwas zu lange – Geschichtsstunde für Schüler und als warnendes Beispiel für uns alle, wie leicht man – gerade auch in Zeiten von Populismus, Fake News und Desinformation – manipuliert werden kann. Es waren Menschen, die diese Taten vollbracht haben, und es liegt an Menschen, sie zu verhindern. „Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen“, wie es im Abspann in einem Zitat des Holocaust-Überlebende Primo Levi heißt.

Von Melanie Wagenhofer