Seine Bücher brechen das Klischee vom heiteren Landleben, beschreiben das Chaos in der Idylle und bringen die Leser dank des zeitkritischen Untertons zum Nachdenken: Alois Brandstetter, der heute seinen 85. Geburtstag feiert, ist für seine ironisch-kritischen Heimatgeschichten bekannt. Kürzlich erschien das Buch „Nachspielzeit“, das er gestern im Linzer Stifterhaus präsentierte.
„Nachspielzeit“
Darin erzählt er — angestoßen vom Anblick eines Pickup-Jeeps namens „Rubicon“ — „über die Autos und die Reisen seines Lebens, über Unfälle und Zwischenfälle, über Wege, Ziele und über den Charme des ziellosen Mäanderns durch die Welt der Dinge und der Wörter“, wie es im Klappentext heißt. Dabei wechseln sprachkritische Anmerkungen mit Anekdoten und Erinnerungen mit literarischen Anspielungen. Eine Rückschau auf sein bewegtes Leben hatte er vor einigen Jahren bereits 2018 in „Lebensreise“ gegeben.
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So unterschiedlich die Kernhandlungen der Geschichten des 2007 emeritierten Professors für deutsche Philologie an der Uni Klagenfurt auch sind — stets teilt der am 5. Dezember 1938 in Pichl bei Wels geborene Brandstetter seinen breiten Erfahrungsschatz auf unaufdringliche, unterhaltsame Weise mit den Lesern. Nicht selten räsonieren seine Romanhelden oder Erzähler satirisch über Gott und die Welt, immer wieder schleichen sich etymologische Worterklärungen ein, in denen der Professor durchscheint. In dem 2015 erschienenen „Aluigis Abbild“ erzählte er etwa die „unglaubliche Geschichte eines sehr keuschen Heiligen, seines Porträts und der beiden Maler Rubens und Van Dyck“.
Durch das von ihm gezeichnete, zwar keinesfalls eindimensionale, aber heimatverbunden angehauchte Österreichbild erwarb sich Brandstetter den Ruf eines konservativen Autors. Vehement trat er etwa auch der Rechtschreibreform entgegen.
Brandstetters literarischer Erstling „Überwindung der Blitzangst“ erschien 1971. Im Mittelpunkt seiner ironisch-kritischen Heimatgeschichten stehen meist Käuze und Naive, von Frömmelei und Volkstümelei Geängstigte, aus deren Blickwinkel erzählt wird. Im Roman „Kummer ade!“ geht der Ich-Erzähler etwa dem wahren Kriminalfall des Diebstahls eines Kummerkastens aus einer Kirche nach und verfällt dabei in weitschweifende Überlegungen über Kirche, Staat, Verbrechen und Literatur. Letztere sind auch im „Ein-Brief-Roman“ „Cant lässt grüßen“ (2009) stark vertreten: So schlüpfte Brandstetter in die Rolle von Immanuel Kants Assistenten, um einer jungen Frau, die sich einst tatsächlich brieflich an den Philosophen gewandt hatte, zu antworten. Nicht zuletzt Goethe und Schiller bekommen ihr Fett weg.
Der Schrift widmete er sich in „Ein Vandale ist kein Hunne“ (2007), in dem der Ich-Erzähler dem Graffiti-Tag „KORKS“ auf den Grund geht und auch rasch auf andere Phänomene wie das GTI-Treffen in Maria Wörth oder das Umbenennen von nationalsozialistisch belasteten Straßennamen zu sprechen kommt. Als Fortsetzung von „Zu Lasten der Briefträger“ (1974) besuchte er 2011 in „Zur Entlastung der Briefträger“ noch einmal die altbekannte Stammtischrunde.
Auf „Lebenszeichen“ folgte 2020 schließlich seine „Lebensreise“, die als siebentes Kind eines Müllers und Bauern begann. Dabei verband er eine „Wallfahrt“ nach Castiglione mit „Erinnerungen an frühere Italien- und Romfahrten (eine als Gymnasiast mit dem Fahrrad), mit Anmerkungen auch zu meiner literarischen (und religiös-kirchlichen) Sozialisation“ und bat, „mir einige Freiheiten herausnehmen zu dürfen, auch Seitenwege zu nehmen“.
Für seine Bücher erhielt der Autor zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Kulturpreis des Landes OÖ für Literatur 1980 und den Heinrich Gleißner Preis 1994. Zuletzt wurde er mit dem Adalbert-Stifter-Preis und dem Großen Kulturpreis des Landes OÖ 2005 und dem Großen Goldenen Ehrenzeichen des Landes Kärnten 2009 gewürdigt.