Liliane Lijn im mumok: „Pionierin der kinetischen Kunst“

Liliane Lijn in ihrer Ausstellung © APA/Georg Petermichl/mumok/Bildrecht/Georg Petermichl/mumok

Das Wiener Museum Moderner Kunst (mumok) setzt ganz auf Wieder- und Neuentdeckungen. Ein Monat nach der Eröffnung der hoch gelobten Ausstellung zum Pionier der modernen Skulptur, Medardo Rosso, wird nun mit der in London lebenden US-Amerikanerin Liliane Lijn „eine Pionierin der kinetischen Kunst“ gefeiert, wie sie Direktorin Karola Kraus am Donnerstag bei der Presseführung nannte. „Arise Alive“ heißt die Schau, und quicklebendig präsentierte sich die 84-jährige Künstlerin.

Dass mit beiden Positionen auch für sie persönliches Neuland beschritten werde, gab Kraus offenherzig zu: „Ich habe, als Kuratorin Manuela Ammer mit ihrem diesbezüglichen Vorschlag auf mich zukam, Liliane Lijn genauso wenig gekannt wie Medardo Rosso, als mich Kuratorin Heike Eipeldauer auf ihn angesprochen hatte.“ Nun ist sie stolz auf beide Ausstellungen – und auch darauf, „dass mir ein Wunsch erfüllt wurde“: Das kinetische Objekt „Shimmering“, das heuer extra für das Haus der Kunst in München entstand, wo die Ausstellung von April bis September gezeigt wurde, „schwebt nun in lichter Höhe über dem weißen Kubus von Heimo Zobernig“ und dient im Luftraum der Eingangshalle gleichzeitig als Auftakt und Abschluss der sich über zwei Geschoße ziehenden Präsentation: „Silbern schimmernder Stoff wirbelt wie ein Sufi-Derwisch herum“, beschrieb Ammer das Objekt treffend.

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Die in Grundzügen chronologisch aufgebaute Schau, die anschließend an die Tate St Ives in Cornwall geht und von einer über 300-seitigen Publikation begleitet wird, ist laut mumok die bisher umfassendste institutionelle Einzelpräsentation der 1939 in New York geborenen und nach einigen Jahren in Paris und Athen seit 1966 in London lebenden Künstlerin. Sie gibt einen Überblick über sechs Jahrzehnte vielseitigsten künstlerischen Schaffens, das Skulpturen und Installationen, Collagen und Malereien, Videos und Performances umfasst. „Es ist ein kategoriensprengendes Werk“, das viele Brückenschläge ermögliche, sagte Kuratorin Ammer. „Das Werk ist im besten Sinne des Wortes undiszipliniert.“

Unmittelbar erschließt sich beim Rundgang Lijns „Interesse an Bewegung, an der Auflösung von Formen“, ihre „Offenheit für neueste Technologien und Materialien“ (Ammer), die Lust am Experiment und die Unlust, sich auf Bewährtes und konventionell Kategorisierbares zu verlassen. Der Ausstellungstitel „Arise Alive“ bezieht sich etwa auf eine ihrer „Poem Machines“, mit denen sie in den 1960ern „Sprache in Schwingung versetzte“ und Elektromotoren dafür einsetzte, ständig neue Kombinationen herzustellen. „Aus einzelnen Buchstaben entstehen Wörter und daraus entsteht Bedeutung“, erläuterte die Künstlerin, die am 22. Dezember ihren 85. Geburtstag feiert, ihre Grundidee – die dadaistische und anarchistische Komponenten durchaus miteinbezieht. Die von ihr in Bewegung gesetzten Maschinen sind walzen- oder kegelförmig. Immer wieder in den Parcours eingefügte Wände mit Zeichnungen und Gemälden dokumentieren, dass sie dennoch klassischen Kunstformen nie abschwor.

Der Einsatz von Federn, Prismen und Alltagsgegenständen in Objekten, die mitunter in Bewegung geraten, erinnert an die im September gestorbene prominente Künstlerin Rebecca Horn, in zwei als Dunkelkammern angelegten Extra-Kabinetten („Conjunction of Opposites“ und „Electric Bride“) wird man mit „performenden Skulpturen“ konfrontiert, bei denen auch Sound und Licht eingesetzt wird. Dem Licht als eines der zentralen Gestaltungsmittel neben der Bewegung ist eine extra Ausstellungsebene gewidmet, in der vor allem Liliane Lijns Arbeiten der 1960er- und 70er-Jahre mit Plexiglas und optischen Prismen gewürdigt werden. Prägnant fasste die Künstlerin ihre diesbezüglichen Arbeiten zusammen: „Licht spricht!“

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Ausstellung „Liliane Lijn. Arise Alive“ im mumok, Museumsquartier, 15. November 2024 bis 4. Mai 2025, Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen: 10-18 Uhr. Publikation, erschienen im Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König, 316 Seiten, 38 Euro, mumok.at