Linz, Februar 1934: Als Österreicher aufeinander schossen

Bürgerkrieg in Österreich: Heute vor 90 Jahren, am 12. Februar 1934, nahm eines der dunkelsten Kapitel der österreichischen Zeitgeschichte in Linz seinen Lauf. Mit den Februarkämpfen begann ein letztes Aufbäumen der Sozialdemokraten und ihrer Parteimiliz, dem Schutzbund, gegen die seit März 1933 autoritär regierenden Christlichsozialen und die Heimwehren unter Engelbert Dollfuß. Die ersten Schüsse fielen in Linz, als die Heimwehr als Hilfspolizei mit Unterstützung des Bundesheeres im Parteiheim der Sozialdemokraten, dem „Hotel Schiff“, nach illegalen Waffen suchen wollte. Die Schutzbündler widersetzten sich.

Schulfreunde standen sich im Bürgerkrieg gegenüber

Am Morgen des 12. Februar war der junge Bundesheersoldat Josef Schlöderer mit seiner Einheit auf die Linzer Landstraße entsandt worden. Dort sollten sie das Hotel Schiff besetzen, in dem sich 40 Sozialdemokraten verschanzt hatten.

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„Ich bin hinein und habe mich gleich auf den Boden geworfen, weil Handgranaten geflogen sind. Die sind Gott sei Dank nicht losgegangen. Dann fiel von unserer Seite ein Schuss vom Dach der Ursulinenkirche und dann war alles vorbei!“ zitierte Franz Rohrhofer, ehemaliger VOLKSBLATT-Chefredakteur, später in einem Bericht aus Schlöderers Erinnerungen.

Und weiter: „Wie die Schutzbündler mit erhoben Händen herausgeführt wurden und wir mit aufgepflanzten Gewehren dastanden, habe ich gesehen, dass ein Schulfreund unter den Schutzbündlern war. Das hat mich sehr getroffen. Das war für mich bitter.“

Diese Episode mache die Dramatik der Ereignisse deutlich, schreibt Rohrhofer weiter: „Schulfreunde standen sich plötzlich in einem Bürgerkrieg gegenüber, Österreicher schossen auf Österreicher. In einer bewaffneten Auseinandersetzung, die so nicht gewollt und geplant war.“

Unruhen, die man verhindern hätte können

Tatsächlich hatte der oö. Schutzbundführer Richard Bernaschek auf eigene Faust und gegen den Willen der Parteiführung in Wien gehandelt, als er mit Kameraden beschloss, bei einer Waffensuche im Hotel Schiff Widerstand zu leisten und dies auch den Wienern in einem Brief kundtat.

Noch am Vorabend des 12. Februar warnte ihn die Parteileitung via Telegramm verschlüsselt: „Das Befinden des Onkels und der Tante wird sich erst morgen entscheiden, die Ärzte raten abzuwarten, vorläufig noch nichts unternehmen“.

Die Exekutive wurde zur Nachschau ins Hotel Schiff geschickt. Und selbst zu dieser Zeit hätte sich ein Bürgerkrieg noch verhindern lassen können. Richard Bernaschek rief kurz entschlossen beim christlichsozialen oö. Landeshauptmann Josef Schlegel an, dem die Sozialdemokraten noch vertrauten.

Doch Schlegel konnte nichts mehr tun, war er doch auf Anweisung des Dollfuß-Regimes nicht mehr für Sicherheitsagenden zuständig. Und als er noch einen letzten Versuch unternahm, die Besetzung zu vermeiden, waren im Hotel Schiff bereits Schüsse gefallen und Bernaschek und andere verhaftet.

Die Kämpfe breiten sich aus: 350 Tote an vier Tagen

Die Kämpfe griffen auf Wien, die Steiermark und Tirol über und dauerten einige Tage lang. In Linz fanden in der Folge Schießereien u.a. im Parkbad an der Unteren Donaulände, am Freinberg und am heutigen Bulgariplatz statt. Auch in Steyr und im Hausrucker Kohlerevier Holzleithen gab es Unruhen.

Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) war zu diesem Zeitpunkt aber bereits stark geschwächt, der Schutzbund militärisch unterlegen, die Niederlage gegen Bundesheer, Polizei und Heimwehr nur noch eine Frage der Zeit. „Sie werden im Blut waten“, verkündete Sicherheitsminister und Heimwehr-Mann Emil Fey. Er sollte recht behalten.

Der Bürgerkrieg forderte rund 350 Tote und mehr als 1.000 Verletzte, darunter 76 Todesopfer in Oberösterreich. In nur vier Tagen hatten Polizei und Bundesheer den Aufstand niedergeschlagen. Neun Beteiligte wurden zum Tode verurteilt, die Partei verboten und alle Sozialdemokraten aus öffentlichen Ämtern entfernt. Anstelle von sozialdemokratischen Bürgermeistern zogen Regierungskommissäre in die Rathäuser ein.

Engelbert Dollfuß, der weiterhin mit äußerst harter Hand gegen die Sozialdemokraten vorging, aber hatte den falschen Gegner ausgeschaltet, wurde der Kanzler doch fünf Monate später von Nationalsozialisten ermordet. Das Verhältnis der großen politischen Lager zueinander sollte indes über Jahrzehnte hinweg belastet bleiben.