Museum zeigt mit „Winter in Wien“ Kulturgeschichte der Kälte

Schnee in Wien machte um 1935 der Bim zu schaffen © APA/John Gardener/Wien Museum

Wintersportort Wien: Bis zu 10.000 Begeisterte besuchten in den 1930er-Jahren Skisprungwettbewerbe in der Bundeshauptstadt. Lifte brachten Skifahrer auf die Norweger- oder auf die Hohe-Wand-Wiese. Der Wiener Winter präsentierte sich früher eben deutlich weißer und kälter. Ihm widmet das Wien Museum ab Donnerstag eine vielseitige Ausstellung, die neben nostalgischen wie kritischen Rückblicken auch vom klimawandelbedingten Verschwinden einer Jahreszeit erzählt.

Die Fakten verdeutlichen die Situation: Vom Beginn systematischer Messungen 1873 bis 1990 gab es nur ein Jahr in dem die höchste im Jänner gemessene Temperatur über 15 Grad lag; von 1991 bis 2024 waren es zehn. Die Ausstellung soll Besucherinnen und Besucher „von der Nostalgie immer wieder in die Realität holen“, sagte Kuratorin Lisa Noggler-Gürtler bei einem Medientermin am Mittwoch. Die Ambition sei, „eine neue Kulturgeschichte der Kälte vorzuschlagen“, ergänzte Direktor Matti Bunzl. Und schließlich gilt es aufzuzeigen, „was zu tun ist“, betonte Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ): So fehlt es am Ende nicht an Informationen, wie man der Erderwärmung entgegenwirken kann.

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Die Schau beleuchtet in vier Kapiteln den „Winter in Wien“ (so auch der Titel der Ausstellung) über die Jahrhunderte. Sie erzählt von Freud und Leid, saisonalen Attraktionen und gravierenden Unterschieden zwischen Arm und Reich im Er- und Überleben der Kälte. Der Abschnitt „Kalte Stadt“ thematisiert u.a. Strategien gegen die Kälte – von Wärmestuben bis zur Fernwärme – sowie Obdachlosigkeit und berichtet von gefrorenem Wasser als einstiges bedrohliches Hindernis für Versorgung und Mobilität. „Dunkle Jahreszeit“ widmet sich der heller werdenden Stadt und den Lichtinszenierungen, blickt dabei kritisch auf die Lichtverschmutzung.

In und um die Stadt traf sich einst die Bevölkerung zu einer Vielzahl an winterlichen Lustbarkeiten wie Skifahren und -springen, Eislaufen oder Rodeln. Davon erzählt der Teil „Eisiges Vergnügen“. Ein Rückblick auf Bälle und Veranstaltungen wie die „Wiener Eisrevue“ darf hier nicht fehlen. Nostalgie wecken nicht zuletzt die Bilder vom verschneiten Wien: Der Abschnitt „Weiße Pracht“ berichtet aber nicht nur von Lust, sondern auch Last von Schnee.

Die 600 Exponate reichen von Werken Kunstschaffender, die den „Winter in Wien“ vielfältig in ihren Arbeiten festgehalten haben, über Werbesujets, historische Ansichtskarten, Plakate und Fotografien bis zu Zeitungsberichten. Begleitet von Geräuschen wie Schneeschaufel schmunzelt man über rodelnde Kinder auf den Straßen 1935, über Schlittenfahrten auf den Hohen Markt 1774 oder einen Schaukasten mit verschiedenen Exemplaren eines besonderen röhrenförmigen Kleidungsstücks: „Der Muff ist zurück“, schrieb 1936 die „Sport im Bild“.

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Staunen lässt sich heute darüber, wie heftige Schneeverwehungen die Stadt lahmlegten, Schneearbeiter dringend gesucht wurden und ab 1907 die Straßenbahnen mit seitlich montierten Schneepflügen Schienentrassen wie Straßen freilegten. Man erfährt einiges über die besonders im 19. Jahrhundert drückende soziale Not in Wien, von Kälte um ein Vielfaches verstärkt. Die Information, dass 85 Prozent der Haushalte in Wien um 1850 ungeheizt waren, lässt frösteln. Apropos: Unter den Objekten befindet sich eine Holzverkleidung, die vor eine Bassena geschoben wurde, um ein Frieren des Wassers zu vermeiden.

Für Kinder wird das Thema leicht verständlich, ja spielerisch, und auf vielfältige Weise (etwa Geruchs-, Seh- und Hörstationen) aufbereitet. „Schneegarantie in Wien – nur in der Schneekugel“, heißt es an einer Stelle. Und so darf man sich in einem Schneekugel-Diorama für ein Foto ablichten lassen. Verlässt man das Museum, wissen auch Ortsfremde was eine „Pumpanölla“ und eine „Pudelhaub’n“ ist.

„Winter in Wien – vom Verschwinden einer Jahreszeit“ im Wien Museum, 14.11.24-16.3.25, DI, MI, FR 9-18 Uhr, DO 9-21 Uhr, SA und SO 10-18 Uhr, wienmuseum.at