Nöstlingers geniale verdrehte Welt am Landestheater

„Konrad oder das Kind aus der Konservenbüchse" feierte am Samstag in den Kammerspielen Premiere

Am Schluss wird es ganz schön turbulent, alle geraten zur Rettung von Konrad außer Rand und Band.
Am Schluss wird es ganz schön turbulent, alle geraten zur Rettung von Konrad außer Rand und Band. © Philipp Brunnader

Es ist ein geldgieriger Bösewicht in Nadelstreif und mit fetter Zigarre, der in seiner Fabrik das perfekte brave Einheitskind erzeugt und es an Eltern verkauft, die stromlinienförmige Zöglinge haben wollen. Erinnert irgendwie an Diktaturen.

Bei Berti Bertolotti jedenfalls ist die Fabrik mit ihrer Lieferung an der falschen Adresse: Die hat mit Konformismus so gar nichts am Hut. „Konrad oder das Kind aus der Konservenbüchse“ nach dem Roman der großen Christine Nöstlinger, die mit der satirischen Geschichte 1970 ihrer Zeit weit voraus und zugleich zeitlos war, feierte am Samstag als Plädoyer für Individualismus und Gemeinschaft in den Linzer Kammerspielen ausverkauft Premiere. Regisseurin Fanny Brunners Inszenierung ist lustig, lehrreich und zum Schluss sogar gruselig und spannend. Die Adressaten ab acht Jahren zeigten sich begeistert.

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Wenn Kinder Eltern erziehen

Künstlerin Berti Bertolotti lebt gut gelaunt in den Tag hinein und bestellt obendrein gern viel. Eines Tages schiebt die Zustellerin ein riesiges Paket in ihre Wohnung. Heraus steigt der siebenjährige Konrad, frisch aus der Fabrikserzeugung und in der Endfertigungsabteilung darauf gedrillt, alles richtig zu machen. Während Berti der blinde Gehorsam „ihres“ Kindes gegen den Strich geht, ist ihr Freund, der steife, konservative Apotheker Egon begeistert: Er sieht wohl in Konrad die Miniversion seiner selbst und reißt begeistert die Vaterschaft an sich. Nachbarskind Kitty „verliebt“ sich in den Neuzugang und nimmt ihn unter ihre Fittiche.

Nicht nur der Rollentausch zwischen Eltern und Kind, mit dem Nöstlinger Disziplinierungswahn ad absurdum führt, begeistert das Publikum. Es sind auch die vielen köstlichen Einfälle, die die Theaterfassung des Kinderbuchklassikers liebens- und sehenswert machen. Und: wildes Fluchen, Popowackeln und Furzen kommen ja immer gut an.

Tolles Ensemble

Aus dem tollen Ensemble sticht Gemma Vanuzzi als wilde Kitty heraus, die ihrer Figur kindliche Leichtigkeit und Unbeschwertheit zu geben vermag. Friedrich Eidenberger ist als Egon gelungen farblos und in der Vaterrolle köstlich überengagiert, Kathrin Grumeth als Berti unbeirrbar unkonventionell. „Das soll ein Kind sein?“ bricht es aus meinem kleinen Sitznachbar ungläubig heraus, als der muskelbepackte Alex Köfner als Konrad aus dem Paket steigt. Den Streber nimmt man ihm aber dann ab. Mit fantasiereichen Wortschöpfungen und absurden Nebenfiguren – Studenten der Bruckneruni spielen ihr komödiantisches Talent aus — sorgt die Regie, mit netten Liedern und hippem Sound Alex Konrad für freche Unterhaltung.

Die Drehbühne führt an verschiedene Schauplätze (Daniel Angermayr). Das Wohnzimmer von Berti haben Schüler der HBLA für künstlerische Gestaltung Linz mit ihren Kunstwerken so bunt, wie das Leben selbst sein soll, gelungen bestückt.

Als der sich allmählich wandelnde Konrad von der Fabrik deshalb als fehlerhaft registriert wird, muss sich seine neue Familie etwas einfallen lassen, um ihn zu behalten. Da werden dann noch einmal alle Register gezogen: mit Sequenzen in der Art von Comicstrips und SciFi-Elementen wird es zwar dann noch spannend, etwas weniger Klamauk hätte es aber auch getan.

Der Applaus jedenfalls wollte nach 80 Minuten kaum enden. Und erzogen werden hier die Eltern, nämlich dazu, mehr Toleranz und Humor walten zu lassen.

Von Melanie Wagenhofer

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