Pussy Riot-Mitglied stellt in Linz aus: Aktionismus, der an die Grenzen geht

„Rage“: Erste museale Einzelausstellung von Nadya Tolokonnikova im Linzer OK

Nadya Tolokonnikova in der nachgebauten Isolationszelle im Linzer OK © OK/Manuel Carreon Lopez

Ihr Kampf gegen Putins Regime ist schon eine sehr lange und für sie zum Teil sehr harte Geschichte und das, obwohl sie gerade einmal 34 Jahre alt ist, ihr Mut und der ihrer Mitstreiterinnen fast unmenschlich groß und beeindruckend.

Im Linzer OK ist nun die erste museale Einzelausstellung von Pussy Riot-Gründerin und -Mitglied Nadya Tolokonnikova (34) zu sehen, unter dem Titel „Rage“ (zu Deutsch: Wut) verbinden sich anarchistisch, radikal und beklemmend Auflehnung, Kritik und berührende biografische Aspekte. Der Blick auf einen Kampf gegen ein autoritäres Regime und für Rechte von Frauen, den die Künstlerin unermüdlich weiterführt.

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Ihren (immer wieder wechselnden) Wohnort verrate sie nicht, ihr Mann checke stets die Umgebung ab, bevor sie wohin kommt, macht Landes-Kultur-Chef Alfred Weidinger die Lebenssituation der Künstlerin klar, die für die von Julia Staudach und Michaela Seiser kuratierte Ausstellung, die bis 24. Oktober läuft, nach Linz gekommen ist. Die Arbeit der Künstlerin bezeichnet Weidinger als „Aktionismus, der bis an die Grenze des Lebens geht“.

Tolokonnikova ist ständig in Gefahr, nach Russland, wo ihre schwerkranke Mutter lebt, kann sie nicht. Sie würde sofort verhaftet werden. Geboren wurde die Künstlerin in Sibirien, in Moskau studierte sie Philosophie und trat schon als Studentin Woina, einer regimekritischen Gruppe von Aktionisten bei, 2011 gründete sie das regimekritische, feministische Performance-Kollektiv und Band Pussy Riot mit, das durch spontane Aktionen auf öffentlichen Plätzen bekannt wurde.

Wut-Kapelle mit Ikonen und Nawalny-Zitaten

Den ersten Ausstellungsraum im Erdgeschoß des Linzer OK hat sie zur Rage Chapel (Wut-Kapelle) gemacht, die an orthodoxe Kirchen erinnert. Immer wieder finden sich in den Werken Bezüge zur kirchenkritischen Aktion „Punk Prayer“, die die Pussy Riots einst weltberühmt gemacht hat:  In der Linzer Chapel hängen „Ikonen“, Porträts anonymer Pussy Riot-Mitglieder, deren Köpfe Heiligenscheine aus Sprüchen zieren, Zitate von Alexey Nawalny oder Liedtexte von Pussy Riot. Tolokonnikova wandelt kirchliche Kalligrafie ab zu Symbolen des Widerstands.

Auf der großen Leinwand im nächsten Raum läuft die Aktion „Putin´s Ashes“, bei der Pussy Riots-Mitglieder, die typischen roten Hauben auf dem Kopf, ein Porträt Putins in der Wüste verbrennen, unterlegt mit einem Sound aus meditativ anmutenden Frauengesängen. Die Asche, die davon übrigblieb, wird wie Reliquien in Phiolen in Schaukästen präsentiert. Die Phiolen auf Porträts, für die sie Fotos von Mitstreiterinnen mit Gravuren in Birkenholz bearbeitet hat, beinhalten jenes Gift, mit dem Nawalny vergiftet worden sein soll.

„Häfn-Feile“ als Damokles-Schwert

Dem im Februar in einer russischen Strafkolonie verstorbenen Regimekritiker widmet sie auch im ersten Stock eine Arbeit: Steigt man die Treppen  hinauf, sticht einem sofort eine riesige, von der Decke hängende Klinge ins Auge. Die Künstlerin nennt es „Damokles-Schwert“, es ist einer Stichwaffe nachempfunden, wie sie Häftlinge zum Selbstschutz aus dem, was sie gerade finden, basteln. Tolokonnikova verarbeitet vielfach Erinnerungen, reale Ereignisse und das sei es auch, was ihre Kunst so berührend mache, so Kuratorin Seiser. Einige der Arbeiten sind für Linz entstanden.

Im ersten Stock wurde auch nach einem Foto jene Gefängniszelle nachgebaut, in der sie 21 Monate lang eingesperrt war. Gegenüber laufen auf 10 Bildschirmen Aktionen, für die sie und andere Pussy Riot-Mitglieder verurteilt wurden. In der spartanischen Zelle Briefe, die sie während ihrer Haft geschrieben oder die sie erhalten hat, Fotos ihrer damals vierjährigen Tochter. An der dritten Wand die Serie „Knife Play“, wieder „Häfn-feilen“, diesmal in klein und in plüschige schwarze und weiße Rahmen gestellt. Die Künstlerin hat sie aus Fundstücken aus aufgelassenen US-Gefängnis gebaut.

In die profanisierte Kapelle am OK Platz sind „Sex Dolls“ eingezogen. Tolokonnikova hat gebrauchte Sexpuppen gekauft und sie so adaptiert, dass sie zu „starken Frauen“ geworden sind. Kraft, von der sie wohl auch selbst künftig noch viel brauchen wird.