Als spartenübergreifend könnte man die nächste Premiere am Linzer Landestheater bezeichnen. Wird im Theaterstück „Tom auf dem Lande“ aus der Feder von Michel Marc Bouchard und in der Regie von Sara Ostertag in den Kammerspielen ab Samstag, 24. Februar, doch nicht nur gespielt, die Schauspieler werden auch zu Tänzern. Musik von Alexander Oehl hat einen hohen Stellenwert. Homosexualität und queere Lebenswirklichkeiten stehen dabei im Mittelpunkt.
Das anderswo viel gespielte Stück bedeutet auch für einen Landestheater-Schauspieler etwas ganz Besonderes: Daniel Klausner hat laut Regisseurin nicht nur den Anstoß dafür gegeben, das Thema und damit eigene Erfahrungen in Sachen Sexualität und Gewalt in Linz auf die Bühne zu bringen, er schlüpft auch in die titelgebende Hauptrolle.
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Spirale aus Lügen und Gewalt
Tom fährt aufs Land, um der Beisetzung seines Lebensgefährten Guillaume beizuwohnen. Außer dem Bruder des Verstorbenen weiß in der Familie niemand von dessen Homosexualität und der Beziehung der beiden. Tom gibt sich als Bekannter aus, eine Freundin wurde erfunden, der Bruder zwingt ihn, die Lüge aufrechtzuerhalten. Und Tom gerät dabei immer tiefer in eine Spirale aus Lügen und physischer und psychischer Gewalt.
Ostertag, die sich für das Stück mit dessen Verfilmung „Sag nicht, wer du bist“ (Xavier Dolan, 2013) beschäftigt hat, hat bewusst alle Rollen mit Männern besetzt, „weil die Frauenfiguren sowohl im Stück als auch im Film Abbilder einer männlichen Perspektive von Frauen sind.“ Klaus Müller-Beck spielt Mutter Agathe, Markus Ransmayr gibt eine Kollegin von Tom.
Musik als Gegengewicht
Als Choreografin ist Andrea Miyazato mit dabei, sie hat früher selbst am Landestheater getanzt. Jonathan Salgardo Romero übernimmt als Tanzrolle die Figur des verstorbenen Guillaume, der im Stück sonst nicht vorkommt.
Den Kontrapunkt zum heftigen Bühnengeschehen setze bewusst die sensitive, romantische Musik, so Ostertag. Ariel Oehl, der Wurzeln im Mühlviertel hat, bringt seine musikalischen Vorstellungen zu den Themen „Stadt-Land-Gefälle, Verlust, Tod und Trauer und toxischer Männlichkeit“, wie er sagt, ein. Für seinen „Soundtrack“ zum Stück hat er nicht nur aus seinem bestehenden Repertoire geschöpft, sondern auch Neues geschrieben und Zitate aus bekannten Liedern bearbeitet. Mit dem bekannten Musiker hofft Regisseurin Sara Ostertag, auch jüngeres Publikum für das Stück zu gewinnen, das sie ab 14 empfiehlt.
Eine Klammer aus Pro- und Epilog bildet das Vorwort von Virginie Despentes aus dem Buch „Ein Apartment auf dem Uranus“ der Transperson Paul B. Preciado. Ein Text, der, so Ostertag, mit „starken Bildern und deutlich diverser als die simple Sprache im Stück“ daherkomme. Die Geschichte selbst kündigt die Regisseurin als Krimi ebenso an wie als Liebesgeschichte: Am Ende soll man auch eine Perspektive geboten bekommen und die Besucher nach 90 Minuten hinausgehen und jede Form von Liebe ohne Vorbehalte als schön annehmen können.
Von Melanie Wagenhofer