36 Neuproduktionen, darunter acht Uraufführungen, fünf Österreichische Erstaufführungen und eine Deutschsprachige Erstaufführung, ergänzt von fünf Wiederaufnahmen — Intendant Hermann Schneider präsentierte am Freitag das Programm seiner inzwischen achten Spielzeit am Landestheater Linz, die unter dem Leitthema „Herkunft“ steht.
Landeshauptmann Thomas Stelzer lobt die Wahl des Themas in Zeiten des Umbruchs und betont: „Es ist eine ganz zentrale Frage, sich mit der Herkunft auseinanderzusetzen.“ Besonders freuen ihn die großen Beiträge des Landestheaters zum „Großkulturjahr 2024“ in Oberösterreich, sowohl zu Anton Bruckner 2024 als auch zur Kulturhauptstadt Salzkammergut. Insgesamt rechne man fix damit, „dass der Spielplan eine große Zustimmung erfahren wird.“
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Schneider erklärt, das Jahresthema sei nicht einfach „ein Marketingtool“, sondern werfe Fragestellungen auf, die zu einem „lebendigen Dialog mit dem Publikum“ führen. „In Zeiten möglicher Desorientierung machen viele einen Blick zurück. Die Frage, wo wir herkommen, kann uns zeigen, wohin wir wollen, wo wir hingehen.“
Musikalischer Auftakt, der tief in die Seele blickt
Diese Gedanken spiegeln sich im Programm, das in der Sparte Oper mit Carl Maria von Webers „Der Freischütz“, in einer Inszenierung von Hermann Schneider im Musiktheater startet. „Hier stellen sich uns die Fragen ‚Wie gehen wir mit dem Bösen um?‘ und ,Wie geht das Böse mit uns um?’“, so Schneider. Dem Bruckner Orchester steht bei der Produktion ihr Chefdirigent Markus Poschner vor. „Ich bin glücklich, dass Hermann Schneider und ich den Aufschlag gemeinsam machen“, sagt Poschner: „Diese Oper ist prädestiniert dafür, tief in die Seele zu schauen.“
Auf die Bühne kommt in der nächsten Saison auch die verschobene Kirchen-Oper „Benjamin Button“ von Reinhard Febel und feiert in Linz ihre Uraufführung, ebenso wie „Der Findling“ von Franz Hummel und nach dessen Tod fertiggestellt von Susan Oswell, ein Beitrag zum Brucknerjahr 2024. Aufgeführt wird das Werk im Alten Dom, die musikalische Leitung hat Markus Poschner inne.
„Es gibt hier diese oberösterreichischen Perspektiven“, erklärt der Chefdirigent die Erfolge, die das Haus sich auf die Fahnen heften kann: „Wir spielen die großen Hits, und trotzdem haben wir eine völlige Unverwechselbarkeit, und das wird sich nächsten Jahr noch zuspitzen.“
Dass sich diese Unverwechselbarkeit auch in blanke Zahlen gießen lässt, zeigt Geschäftsführer Thomas Königstorfer. „Die Theaterkrise ist abgezogen. Wir sind sein Ende April auf Kurs, die Werte vor Corona zu erreichen. Wir halten bei mehr Besuchern als 2018/19 und bei mehr Kartenerlösen.“
Stark beteiligt an den guten Zahlen ist die Sparte Musical, „die populärste“, wie Schneider betont. Dort hat man sich heuer für drei Österreichische Erstaufführungen, eine Deutschsprachige Erstaufführung und eine Uraufführung entschieden. Ein mutiges Unterfangen? „Ja, das ist total mutig“, sagt Spartenleiter Matthias Davids: „Wir haben uns das seit zehn Jahren ja ein bisschen auf die Fahnen geschrieben, dem Publikum erstmal noch nicht so etwas wie ‚Jesus Christ Superstar‘ oder ‚Rocky Horror‘ anzubieten, sondern Stücke, die das gesamte Genre abbilden.“
„Die musikalische Vorbildung ist hier enorm“
„Tootsie“ sei den meisten als Geschichte bekannt, bei „School of Rock“ kenne man Andrew Lloyd Webber. „Da geht es eindeutig darum, zu zeigen, was das oberösterreichische Musikschulwerk für tolle und talentierte Kinder hervorbringt. Ich würde mich das tatsächlich in Deutschland an keinem Theater trauen, aber die musikalische Vorbildung ist hier so enorm, dass wir uns ein Stück trauen, das die Kinder fast alleine tragen.“Bei der Audition haben 150 Kinder gezeigt, was sie können, für 28 gehen bald die Proben los.
Die Sparte Tanz startet mit „Romeo und Julia“ in die Saison 23/24, mit einem Werk zu den Themen Mythos, Erinnerung und Schicksal ist der polnische Choreograf Maciej Kuzminski zu Gast.
Erstmals in Linz inszeniert in der nächsten Spielzeit David Bösch, international etablierter Regisseur aus Deutschland. Sein Debüt gibt er am Schauspielhaus mit dem Sprechtheater „Fischer Fritz“ von Raphaela Bardutzky. „Das Stück erzählt von einem alten Fischer, der durch einen Schlaganfall zum Pflegefall wird. Sein Sohn lebt in der Stadt und will nicht zurückkommen, der Vater will nicht in die Stadt, da wird eine Pflegerin aus Osteuropa geholt“, erklärt Dramaturg Andreas Erdmann.
Stelzhamer als Rockstar des 19. Jahrhunderts
Neben u.a. Nestroys „Höllenangst“, Shakespeares „Julius Caesar“ und Grillparzers „König Ottokars Glück und Ende“ steht auch die Uraufführung eines Werkes des oberösterreichischen Autors Thomas Arzt, das gerade entsteht, im Programm. „Das unschuldige Werk“ beschäftigt sich mit dem Vater der oberösterreichischen Landeshymne, Franz Stelzhamer. „Thomas Arzt erzählt Stelzhamers Geschichte aus der Perspektive seiner Frauen, er hatte nämlich einen ziemlichen Frauenverschleiß“, so Erdmann. Stößt das Stück Stelzhamer vom Sockel? „Arzt ist ein besonders feiner und ambivalenter Erzähler, der findet seine Dramen meist in psychologischen Differenzierungen. Und Thomas Arzt schreibt auch Lieder und Gedichte in oberösterreichischer Mundart, daher kommt sein Interesse an Stelzhamer.“ Es werde ein richtiges Künstlerdrama, ist Erdmann sicher: „Er zeigt Stelzhamer ein bisschen als Rockstar im 19. Jahrhundert mit einer enormen Ausstrahlung und als einen, nachdem die Frauen verrückt waren.“
Auch das Junge Theater setzt sich mit der Thematik Herkunft auseinander, wie Spartenleiterin Nele Neitzke bestätigt: „Ganz klassisch um Herkunft und Rückkehr geht es in der ,Odyssee‘. Eine längere Heimreise und die Frage, wo komme ich eigentlich her, gibt es quasi nicht.“ Das junge Publikum des Landestheaters bekommt ab September u.a. auch Nöstlingers „Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse“ und „Der Zinnsoldat und die Papiertänzerin“ von Roland Schimmelpfennig nach dem Andersen-Märchen zu sehen. Auch eine Zusammenarbeit mit der Kulturhauptstadt Salzkammergut 24 ist in Planung. „Es wird in den Semesterferien 2024 ein Projekt gemacht, und wir sind auch beteiligt an einer Idee, wo sich ein Jugendensemble gründen wird, das, unterstützt von uns, eigenständig Produktionen entwickeln wird.“
Von Mariella Moshammer