Welser-Mösts demutsvolle Hingabe für Bruckner

Der Maestro und sein Cleveland Orchestra sorgten für ein umjubeltes Festkonzert

Musikalisches Fest der Superlative zu Ehren von Bruckner als Höhepunkt des 24-Stunden-Geburtstagsfestes © Reinhard Winkler

Ganz Oberösterreich feierte Anton Bruckner an seinem 200. Geburtstag am 4. September 24 Stunden lang. Mit unvergleichlicher Intensität sein weltbekannter Landsmann Maestro Franz Welser-Möst ganz nahe in dessen Geburtsort und -haus Ansfelden. Aus fernem Lande reiste er an mit seinem Cleveland Orchestra zu einer Open Air-Aufführung der Symphonie Nr. 4 in Es-Dur des Jubilars neben der Pfarrkirche. Tausende Menschen und viel Prominenz pilgerte nach Ansfelden. Wer dies nicht tat, konnte einer Übertragung zeitgleich in den Linzer Donaupark dem Ereignis akustisch beiwohnen.

Vor nicht langer Zeit bangte man um die Gesundheit des Pultstars und freute sich nun über die Möglichkeit einer Wiederbegegnung. Schroffen Schrittes in frischer, eleganter Haltung betrat er die in technischem Farbzauber erhellte Glaskuppel mit der Partitur vor sich, in der er aber selten zu blättern brauchte.

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Dann erklangen die Töne des ersten Satzes der „Vierten“, des geprüften Schmerzenskindes von Bruckner selbst, an dem er mitten in der Entstehung weiterer Werke umarbeitete, änderte, kürzte, neu komponierte. Daher die nicht wenigen Fassungen, präzis angeführt im Programm, aber kaum von Bedeutung für Welser-Möst und seine Einstellung und Auffassung zum und von Bruckners schöpferischer Identität.

Wie eine Art genetische Verbindung

Seine völlig überzeugte Darstellung funktionierte wie eine Art genetische Verbindung zu dem Genius Loci und korrespondierte mit Bruckners persönlicher Ausdrucksintensität. Die „Romantische“ nannte er sein 1881 endlich uraufgeführtes Werk durch die Wiener Philharmoniker unter Hans Richter.

Welser-Mösts Version ergab eine vollinhaltlich ausgeschöpfte Sichtweise, an deren Gültigkeit nichts auszusetzen war. Man mag schon vergleichen dürfen. Gewisse festgefahrene Urteile zur Erklärung der einzelnen Sätze ließ man jedoch lieber bleiben. Es fehlte gar nichts. Angefangen vom archaischen Hornruf zu Beginn, versteckt präsent im zweiten Satz, im dritten die berittene Scherzo-Jagd im Bruckner-Rhythmus oder das ausgedehnte Finale, deren Themen einst etwa ein Johann Paumgartner als keinen organischen Zusammenhang mit dem Werk fand.

Fest der Superlative

Das Fest der Superlative ging in jeder Hinsicht entsprechend den Erwartungen aus. Dazu zählte natürlich auch die Spitzenleistung des Cleveland Orchesters in allen Stimmen, ganz hingegeben seinem Maestro, voll von Leidenschaft aus anderem Herzblut musizierend in goldpassenden Tempi, wie es von Welser-Möst in 23 Jahren geprägt wurde.

Klangliche Differenzierungen zu unseren Orchestern blieben freilich nicht aus, störten aber keineswegs den positiven Gesamteindruck. Im Übrigen verstehen sich Bruckner Harmonien ohnehin nicht nur als gefälliger Wohlklang aus Wertschätzung allein. Vielmehr berühren sie jedes Mal auch den ungeheuren Spielraum des selbstprüfenden Meisters.

Dass er Oberösterreich gehört, erfüllt uns mit Stolz. Das betonte der anwesende Bundespräsident Alexander Van der Bellen in seiner Eröffnungsrede, die mit auch historischen Bemerkungen zu Bruckners Zeit und Leben die Geburtstagsfreuden verstärkte. Vom vorstellbar starken Jubel stahl der Äther wahrscheinlich etliche Phonzahlen.

Von Georgina Szeless

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