Die Natur hält nichts vom Kalender

Wenn uns süßlich-erdiger Duft in die Nase steigt, die Vögel ihre schönsten Konzerte vom Baum zwitschern und die ersten Sonnenstrahlen die Seele wärmen sind wir im Frühling angekommen – genau genommen im Vorfrühling, denn Schneeglöckchen und Meisen kündigen diesen zuverlässig an.

Aus meteorologischer Sicht beginnt der Frühling mit dem 1. März und umfasst auch April und Mai. Die vorherrschende „Drei-Monats-Einteilung“ der Jahreszeiten hat vor allem statistische Gründe, da sich Daten einfacher vergleichen lassen, wenn der Beginn einer Jahreszeit auf den ersten Tag des Monats fällt. Der astronomische bzw. kalendarische Frühlingsbeginn ist bei uns heuer der 20. März, 16.32 Uhr MEZ. Astronomisch beginnt der Frühling mit der Tag-und-Nacht-Gleiche, wenn die Sonne im Zenit über dem Äquator steht.

Ganz anders der phänologische Frühling, der sich nach keinem festen Datum richtet: Dieser beginnt, wenn die ersten Blüten von Haselstrauch, Schneeglöckchen und Salweide erscheinen. Der phänologische Kalender orientiert sich am Rhythmus der Natur: Durch genaues Beobachten bestimmter Zeigerpflanzen und von Tieren wird festgestellt, in welchem Jahresabschnitt man sich befindet.

Aufgrund von Breitengrad und Höhenlage kann der Beginn der Vegetationsperiode auch innerhalb weniger Kilometer mehrere Wochen auseinanderliegen. So war es schon vor Jahrzehnten wichtig, die Zyklen der Natur zu beobachten, um mit dem richtigen Zeitpunkt der Aussaat eine optimale Ernte zu garantieren. Und auch heute macht sich ein aufmerksamer Blick auf die Zeigerpflanzen und die Tierwelt für Gärtner und Landwirte bezahlt.

Hasel, Meise und Hummel im Vorfrühling

Der Frühling ist in der Phänologie in drei Phasen unterteilt: Vorfrühling, Erstfrühling und Vollfrühling. Der Vorfrühling kündigt sich in den meisten Regionen etwa Ende Februar/ Anfang März an. Boten des Vorfrühlings sind vor allem die blühende Hasel, Schneeglöckchen, die Blüten der Salweide (Palmkätzchen) und der Gesang von Kohl- und Blaumeise. Im Wald und an Wegfluren bringen Huflattich und Leberblümchen die ersten gelben und blauen Farbtupfen.

Dann folgen die zart weißen Blüten der Buschwindröschen, die gerne ganze Waldflächen mit ihrer Blütenpracht bedecken. Wagen sich die Temperaturen über die null Grad, hört man mit etwas Glück auch schon die ersten Hummeln durch die Lüfte brummen – Bienen hingegen fliegen erst bei etwa 9 Grad aus. In den alpinen Lagen wird der Vorfrühling auch durch den Austrieb des Bergahorns gezeigt.

Volle Farbenpracht im Erst- und Vollfrühling

Mit den grellgelben Blüten der Forsythie (Osterstrauch) zieht der Erstfrühling ein. An den Wäldern beginnt die Schlehe zu blühen und die Birke entfaltet ihre Blätter. Kurz darauf fangen auch die männlichen Blüten der Birke zu stäuben an, was Allergikern zu dieser Zeit stark zusetzt. Zudem macht sich im Wald auch der begehrte Bärlauch mit seinem würzigen Knoblauchduft breit. Im Obstgarten blühen Apfelbaum, Johannisbeeren, Kirsche und Birne auf. Ab fünf Grad plus erwachen auch die Tulpen und Märzenbecher aus dem Winterschlaf und bringen Farbe in den Garten. Der Übergang in den Vollfrühling ist erreicht, wenn die Apfelbäume in voller Blüte stehen und der Löwenzahn seine gelben Köpfchen Richtung Sonne reckt. Auch Flieder und Rosskastanie erfreuen dann mit ihrer Blütenpracht.

Pflanzen reagieren auf Klimawandel

Die Auswirkungen des globalen Temperaturanstieges machen sich auch bei den Pflanzen bemerkbar, wie phänologische Beobachtungen zeigen. So habe sich laut ZAMG in den letzten 50 Jahren die Blattentfaltung und Blüte von Frühblühern von 1,4 bis 3,1 Tage pro Jahrzehnt verfrüht. Auch die Jahresmitteltemperatur im Alpenraum sei während der letzten 100 Jahre um etwa 1,8 Grad angestiegen, weshalb der Frühling mit der ersten Blüten und dem Laubaustrieb heute um etwa 7 bis 10 Tage früher ins Land zieht als noch vor 30 Jahren. Zudem sei beobachtet worden, dass der Beginn der Herbstverfärbung des Laubes sich in manchen Regionen um einige Tage nach hinten verschoben hat. Insgesamt sei es dadurch zu einer Verlängerung der Vegetationsperiode um bis zu zwei Wochen gekommen.

App der ZAMG für Naturbeobachter

Vor vier Jahren hat die ZAMG die kostenlose App „ZAMG Naturkalender“ ins Leben gerufen, wo Interessierte ihre eigenen phänologischen Beobachtungen einfach und schnell festhalten, melden und mit einer Community teilen können.

Die Daten der Nutzer kommen der Wissenschaft zugute und gehen in viele Forschungsprojekte. Auch auf der Website www.phenowatch.at der ZAMG können sich Naturliebhaber Informationen und Wissen rund um die phänologischen Jahreszeiten und deren Einfluss einholen.

Von Gisela Gillhofer