Erledigen Sie Ihre Aufgaben gleich oder neigen Sie zum Verbummeln?

Verständnis fürs Aufschieben hilft, Produktivität wiederzuerlangen

Woman relaxing at home in evening and watching TV
Woran liegt es, dass die notwendige Steuererklärung dem Filmabend zum Opfer fällt? © Kaspars Grinvalds - stock.adobe.com

Fast alle haben sich schon einmal gefragt, wieso sie gewisse Aufgaben aufschieben, selbst dann, wenn daraus unangenehme Konsequenzen folgen. Wieso treffen wir Entscheidungen, die uns schaden – und noch dazu wider besseres Wissen?

Prokrastination, das willentliche, aber letztlich schädliche Hinauszögern von Aufgaben, hemmt nicht nur die Produktivität, sondern wurde auch mit psychischen Problemen in Verbindung gebracht.

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„Prokrastination ist ein Sammelbegriff für verschiedene Verhaltensweisen“, erläutert Sahiti Chebolu, die am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik im Bereich Computational Neuroscience forscht: „Wenn wir sie verstehen wollen, müssen wir zwischen ihren verschiedenen Formen unterscheiden.“

Eigene Entscheidungen unterlaufen

„Ein häufiges Muster ist, die eigenen Entscheidungen zu unterlaufen: Etwa, wenn wir uns einen Abend für die Steuererklärung reservieren, aber dann doch einen Film anschauen. Anders liegen die Dinge, wenn wir uns von vorneherein nicht auf eine Zeit festlegen: etwa, wenn wir auf ideale Bedingungen für die Tätigkeit warten.“

Chebolu klassifizierte alle Möglichkeiten, vom späten Beginnen bis zum Unterbrechen mittendrin, und identifizierte mögliche Erklärungen für das Verhalten.

Eine Frage des kurzsichtigen Gehirns

Die Forscherin ist überzeugt, dass ein präzises mathematisches Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen der erste Schritt zur Überwindung ist. Sie formuliert Prokrastination als Aufeinanderfolge von Entscheidungen über Zeit.

Man kann Entscheidungsfindung so verstehen, dass unser Gehirn alle positiven und negativen Folgen aufaddiert, die etwa beim Filmgenuss versus Papierkram zu erwarten sind. Dabei sei es nur natürlich, dass das Gehirn das Vorgehen wählt, das in der Summe am angenehmsten erscheint.

Aber wiegt das Vergnügen eines Filmabends wirklich den Schock über eine gesalzene Versäumnisgebühr auf?

Konsequenzen in der fernen Zukunft werden vom Gehirn weniger stark gewichtet. Zu einem gewissen Grad ist das normal und sogar nützlich.

Einfach nur faul?

Chebolu analysierte große Datensätze von Studenten der New York University, die im Laufe eines Semesters eine fixe Anzahl an Versuchspersonen-Stunden ableisten mussten. Manche absolvierten gleich am Anfang alle Experimente, andere verteilten sie gleichmäßig über mehrere Wochen – und es gab auch solche, die sich so lange drückten, bis es fast zu spät war. Chebolu reproduzierte ihr Verhalten mit Computersimulationen.

„Unsicherheit ist ein wichtiger Faktor beim Prokrastinieren“, betont sie: „Ungewissheit zum Beispiel darüber, wie lange wir brauchen, alle Belege über absetzbare Ausgaben zusammenzusuchen. Doch Unsicherheit kann auch bedeuten, dass wir zweifeln, ob wir die nötige Kompetenz für eine Aufgabe haben, oder ob sie mit unseren Zielen in Einklang steht.“

Bewältigungsstrategien erlernen

Wenn man Prokrastination als Abfolge von Entscheidungen über Zeitabläufe versteht, wird ersichtlich, wo öfter etwas schiefläuft – so Chebolus Überzeugung.

Daraus kann man dann passende Bewältigungsstrategien ableiten: „Wenn Sie etwa merken, dass Ihr Gehirn etwas zu sehr auf unmittelbare Bedürfnisbefriedigung gepolt ist, können Sie sich selbst kleine Belohnungen zwischendurch versprechen.“ Wer hingegen die Zeit für Routineaufgaben öfter unterschätzt, kann sich zeitgebundene Ziele setzen.

Und wenn Sie angefangene Tätigkeiten schnell aufgeben, könnte ein Wechsel in eine Umgebung mit weniger Ablenkungen helfen.