Berichte mehrerer Medien über einen akribisch geplanten Bruch der deutschen Ampel-Koalition durch die FDP-Spitze haben bei den ehemaligen Koalitionspartnern SPD und Grünen Empörung ausgelöst. Mehrere SPD-Spitzenpolitiker machten am Samstag deutlich, dass eine Koalition mit der FDP unter einem Parteivorsitzenden Christian Lindner nicht mehr möglich wäre.
„Verantwortung als Fremdwort, Bösartigkeit als Methode: Ich bin tief erschüttert über dieses Verhalten der FDP“, schrieb Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) auf der Plattform X. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nannte den von der „Zeit“ und der „Süddeutschen Zeitung“ geschilderten Vorgang eine „unfassbare Enttäuschung“. „So jemand darf keine Verantwortung tragen“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, der Nachrichtenagentur Reuters. „Christian Lindner und wichtige Teile der FDP haben sich als politische Kraft völlig disqualifiziert“, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich dem „Spiegel“. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch warf dem ehemaligen Koalitionspartner „politischen Betrug“ vor und forderte eine Entschuldigung. Aber wenn in der FDP noch jemand einen Funken Ehre hat, dann wäre jetzt der Moment, dies in aller Demut zu tun“, sagte Miersch der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
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Ähnlich äußerte sich die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic: „Diese Truppe braucht wirklich niemand. Sie schadet unserem Land“, sagte sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Mein Fazit ist, mit der FDP kann man aktuell nicht regieren“, so die Fraktions-Co-Vorsitzende Katharina Dröge zu den Sendern RTL/ntv.
Auslöser sind Berichte von „Zeit Online“ und „Süddeutscher Zeitung“, dass die FDP-Spitze um Lindner seit Ende September ganz gezielt auf den Bruch der Ampel-Koalition hingearbeitet haben soll. Laut „Zeit Online“ soll die Parteiführung unter Leitung von Lindner dabei fest geplant haben, die Koalitionspartner derart zu provozieren, dass diese die Zusammenarbeit mit den Liberalen aufkündigen. Im Streit um das Budget 2025 entließ Kanzler Olaf Scholz (SPD) am 6. November dann tatsächlich Finanzminister Lindner, weil dieser seine Entscheidung nicht mittragen wollte, die Ukraine-Ausgaben in einem Sondertopf neben dem Haushalt zu bündeln. Die Ampel-Regierung zerbrach danach. Allerdings blieb Verkehrsminister Volker Wissing im Amt, weil er den Kurs der FDP-Führung ablehnte. Wissing trat aus der FDP aus.
Lindner selbst sagte am Samstag in Berlin: „Selbstverständlich hätte die FDP ohne Wirtschaftswende die Koalition verlassen müssen“, sagte er. Deshalb habe er dem Kanzler einen gemeinsamen geordneten Weg für Neuwahlen vorgeschlagen. Scholz selbst habe im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ eingeräumt, dass er bereits im Sommer über Lindners Entlassung nachgedacht habe. Der FDP-Vizevorsitzende Wolfgang Kubicki wies den Vorwurf der generalstabsmäßigen Planung des Bruchs der Ampel-Koalition durch die FDP zurück. Die Darstellung, dass Vorbereitungen hierzu bei einem Treffen am 29. September 2024 in Potsdam getroffen wurden, sei falsch, schon weil er als Parteivize nicht an dem Treffen teilgenommen habe, sagte Kubicki den Sendern RTL/ntv.
Ein FDP-Sprecher sagte am Samstag zudem auf Anfrage, dass man sich zu internen Sitzungen nicht äußern werde. Er verwies aber darauf, dass es seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2023 zum Budget immer wieder und in verschiedenen Runden eine Bewertung der Regierungsbeteiligung gegeben habe. „Selbstverständlich wurden immer wieder Szenarien erwogen und Stimmungsbilder eingeholt.“
Die sehr harte Kritik von SPD und Grünen könnte für die Zeit nach den Neuwahlen am 23. Februar wichtig werden, wenn eine neue Regierung gebildet werden muss. Derzeit liegt die konservative Union in Umfragen klar vor den Sozialdemokraten (SPD) und Grünen, die Liberalen (FDP) kämpfen mit der Fünf-Prozent-Hürde für den Wiedereinzug in den Bundestag. Rechnerisch ist derzeit nur eine Unions-SPD-Regierung oder ein Jamaika-Bündnis aus Union, Grünen und FDP absehbar.
Die zweite Möglichkeit würde allerdings voraussetzen, dass die Grünen die Frage klären, ob sie nochmals mit der FDP zusammenarbeiten wollen oder ob sie dies mit einem Parteichef Lindner ablehnen. „Die FDP ist nicht regierungsfähig, sie ist nicht in der Lage, konkrete Zusagen einzuhalten“, sagte Grünen-Co-Fraktionschefin Dröge. Für die Liberalen sei es ein weiter Weg, „irgendjemandem noch mal zu garantieren, dass man mit ihr auch anders zusammenarbeiten kann“. Lindner selbst hat betont, dass er gerne unter einem Kanzler Friedrich Merz (CDU) wieder Finanzminister werden würde.