Russland: Weiteres Dorf in Ostukraine erobert

Die russischen Invasionstruppen sind in der Ostukraine nach eigenen Angaben weiter auf dem Vormarsch. Die Streitkräfte hätten die Kontrolle über das Dorf Wyschnewe in der Region Donezk übernommen, so das Moskauer Verteidigungsministerium am Sonntag. Zuvor hatte die Ukraine Schäden durch russische Drohnenangriffe auf die Hauptstadt Kiew beklagt. Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von mehr als 900 Bombenangriffen in der vergangenen Woche und rief das Ausland zur Hilfe auf.

In der Ostukraine stoße die russische Armee weiter in Richtung Pokrowsk vor berichtete die russische Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf Militärkreise. Die Eroberung der Stadt, die mehrere ukrainische Stellungen im Donbass miteinander verbindet, ist eines der Hauptziele Russlands in der Region. In Pokrowsk befindet sich zudem ein für die Ukraine wichtiger Bahn- und Logistikknotenpunkt sowie eine Kohlemine, die große Bedeutung für die Stahlproduktion für das ukrainische Militär hat.

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Russische Soldaten sind bis auf wenige Kilometer auf die Stadt vorgerückt. Über den gesamten Oktober eroberte die russische Armee nach Analysen des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) ein Gebiet von 478 Quadratkilometern in der Ukraine. Es sind die größten Geländegewinne Russlands in der Ukraine seit März 2022.

Bereits am Samstag hatte Russland die Einnahme von zwei Ortschaften in der Ostukraine gemeldet. Die russischen Truppen rücken seit geraumer Zeit langsam, aber stetig an der Front im Osten vor.

In der an die Ukraine grenzenden russischen Region Belgorod ist bei einem Drohnenangriff ein Mann auf einem Hof tödlich verletzt worden. Die Drohne habe einen Sprengsatz abgeworfen, bei dessen Explosion sei der Bewohner gestorben, teilte der Gouverneur von Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, in seinem Telegram-Kanal mit. Zuvor hatte er auch von vier Verletzten bei ukrainischem Beschuss des Dorfes Oktjabrski berichtet. Die Menschen seien ins Krankenhaus gebracht worden.

Bei einem russischen Drohnenangriff auf die ukrainische Hauptstadt Kiew wurden nach Angaben der örtlichen Behörden mehrere Gebäude, Straßen und Stromleitungen beschädigt. Nach vorläufigen Informationen habe es keine Verletzten gegeben, und alle Angriffsdrohnen seien abgeschossen worden, teilte der Chef der Militärverwaltung von Kiew, Serhij Popko, am Sonntag im Kurznachrichtendienst Telegram mit.

Allerdings seien durch herabstürzende Drohnentrümmer Eingänge oder Fenster von mindestens fünf Gebäuden in zwei Stadtteilen beschädigt worden. Unter anderem seien ein Hostel und ein Bürogebäude betroffen. Der Angriff sei in Wellen und aus verschiedenen Richtungen gekommen. Wie viele Drohnen Russland eingesetzt hatte, war zunächst unklar. Es war der zweite nächtliche Angriff auf Kiew in Folge.

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko schrieb bereits am Samstagabend auf seinem Telegram-Kanal, dass es eine Explosion in einem Kiewer Vorort gegeben habe. Die Luftabwehr sei in der Region und in der Hauptstadt im Einsatz gewesen. Er forderte die Menschen in der Stadt dazu auf, in den Schutzräumen zu bleiben.

Nach Angaben des ukrainischen Armeechefs Oleksandr Syrsky widersetzt sich die Ukraine derzeit einer der heftigsten russischen Angriffswellen seit 2022. „Die Streitkräfte der Ukraine halten eine der stärksten russischen Offensiven davon ab, eine großangelegte Invasion zu starten“, schrieb Syrsky auf Telegram.

Das russische Militär zerstörte nach Angaben aus Moskau in der Nacht 19 ukrainische Drohnen. 16 Drohnen seien über der südlichen Grenzregion Rostow abgeschossen worden, teilte das Verteidigungsministerium auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mit. Die übrigen Drohnen seien über den ebenfalls an die Ukraine grenzenden Regionen Belgorod und Brjansk abgefangen worden.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kritisierte einmal mehr die Umgehung der westlichen Sanktionen gegen Russland. Allein im Oktober habe Russland mehr als 2.000 Drohnen gegen die Ukraine eingesetzt, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Für eine solch hohe Zahl an Flugobjekten seien mehr als 170.000 einzelne Bauteile notwendig, die Russland nie hätten erreichen dürfen. „Sie kommen von Unternehmen in China, Europa und Amerika, lauter kleine, aber stete Beiträge zum russischen Terror“, sagte er.

„Diese fortlaufende Lieferkette unterstreicht einmal mehr die dringende Notwendigkeit, dass die Welt die Ausfuhrkontrollen für spezielle Komponenten und Ressourcen verschärft“, betonte Selenskyj. Die Sanktionen müssten verschärft und effektiver werden. Deren Umgehung sei ein Verbrechen gegen die Menschen und die Welt, weil es Russland auf diese Weise gelinge, auch die Regierungen im Iran und in Nordkorea zu stärken.

Selenskyj rief zudem nach einer weiteren Woche mit nach seinen Angaben mehr als 900 Bombenangriffen die ausländischen Verbündeten zu mehr Hilfe bei der Flugabwehr auf. „Die Ukraine braucht mehr Verteidigungssysteme“, teilte er im Kurznachrichtendienst X mit und veröffentlichte einmal mehr ein Video von den schweren Zerstörungen in verschiedenen Teilen des Landes.

Kurz vor der US-Präsidentschaftswahl rief unterdessen der Chef der konservativen EVP im Europaparlament, Manfred Weber, die Europäer dazu auf, sich auf eine stärkere Unterstützung der Ukraine vorzubereiten. Er vertraue zwar darauf, dass die USA auch unter einem Präsidenten Donald Trump „weiter zur Ukraine stehen“, sagte Weber in einem am Sonntag veröffentlichten Interview mit Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Aber wir müssen einen Plan B in der Schublade haben.“

Die Ukraine müsse in ihrem Verteidigungskampf gegen die russischen Truppen notfalls noch stärker unterstützt werden, meinte der CSU-Politiker. Dazu gehöre auch die Lieferung weiterer Waffensysteme wie der Taurus-Marschflugkörper. Europa sei „in der Lage, die Ukraine so zu ertüchtigen, dass sie diesen Krieg gewinnt“, betonte Weber.

Konträre Ansichten vertrat am Sonntag der ungarische Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Bei einem Sieg von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl am Dienstag müsse Europa seine Unterstützung für die Ukraine überdenken. Er gehe davon aus, dass Trump als Präsident den US-Kurs in Richtung eines Friedensabkommens zwischen Russland und der Ukraine umschalten werde, sagte Orbán. Darüber müsse man dann auch beim Gipfel der Europäischen Union (EU) Ende nächster Woche in Budapest sprechen. Europa könne dann nicht kriegsbefürwortend bleiben und die Lasten des Krieges alleine tragen, sondern müsse sich dann anpassen.

Orban, dessen Land derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, steht in der EU wegen Missachtung gemeinsamer Prinzipien sowie seiner Russland-Nähe in der Kritik und gilt als Freund des republikanischen Präsidentschaftsbewerbers Trump. Er hatte mit seinen unabgestimmten Besuchen beim russischen Präsidenten Wladimir Putin und beim chinesischen Präsidenten Xi Jinping kurz nach Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft am 1. Juli in Europa für Empörung gesorgt.