Jetzt ist Peter Handke dran

Nobelpreisträger am Cover des umstrittenen Islamophobie-Reports einer Erdogan-nahen Stiftung

Nachdem der European Islamophobia Report (EIR) schon im Vorjahr hohe Wellen geschlagen hatte, weil darin sogar Muslime der Islamophobie geziehen wurden, dürfte auch das jüngste Werk aus der Präsident Recep Tayyip Erdogan nahestehenden türkischen Denkfabrik Seta Widerspruch ernten. Denn erneut werden nicht nur tatsächlich muslimfeindliche Vorfälle in 32 Ländern, sondern auch liberale Muslime sowie Kritiker des politischen Islam ins Islamophobie-Eck gestellt.

Heuer schaffte es sogar ein Mann auf die Titelseite, der nicht als Islam-Kritiker bekannt ist: Peter Handke. Für die Herausgeber des Reports, den Salzburger Politologen Farid Hafez und Seta-Europadirektor Enes Bayrakli, ist der Literaturnobelpreis für den Österreicher dennoch „das auffälligste Beispiel für die Normalisierung der Islamophobie im Jahr 2019 in Europa“. Das Urteil resultiert aus Handkes „Verherrlichung der Serben während des Völkermords in Bosnien“.

Tatsächlich wurde Handkes Parteinahme für die Serben in den Jugoslawienkriegen vielfach kritisiert. Serbophilie in Islamophobie umzumünzen ist dennoch ein gewagtes Unterfangen. Genauso könnte Handkes Begeisterung für Slobodan Milosevic auch „christophob“ genannt werden. Schließlich hat der serbische Kommunist und Präsident nicht nur Kriege gegen Muslime in Bosnien und im Kosovo vom Zaun gebrochen, sondern davor schon gegen die katholischen Slowenen und Kroaten.

„Holocaustleugner“

Wie wenig der Report dem Anspruch der Wissenschaftlichkeit gerecht wird, zeigt sich an einem weiteren abstrusen Urteil über Handke: „Man kann sich nicht vorstellen, dass in der heutigen Welt ein Holocaustleugner einen Nobelpreis erhalten kann“. Tatsächlich wird im englischen Originaltext der Begriff „Holocaust Denier“ verwendet. Unter Wissenschaftern sollte unbestritten sein, dass Holocaust den Massenmord an Juden bezeichnet.

Derartige Ungenauigkeiten ziehen sich wie ein roter Faden durch den Report, insbesondere den von Hafez verfassten Österreich-Teil. Es beginnt bei der Islamophobie-Definition als „antimuslimischen Rassismus“, was Kritiker für unsinnig halten, da Rassismus eine biologische und eben keine religiöse Kategorisierung ist. „Islamophobie“ und „antimuslimischer Rassismus“ haben sich jedoch als Kampfbegriffe des politischen Islam etabliert, was auch ein „Verdienst“ der von Hafez als unabhängig gepriesenen Seta-Stiftung ist.

Die Autoren des EIR halten sich in ihren Urteilen nicht einmal an die eigene Definition. Wenn es so etwas wie antimuslimischen Rassismus gibt, müsste eine Gruppe logischerweise vom Vorwurf der Islamophobie ausgeschlossen sein: Muslime. Doch auch dieser Report stellt wieder Muslime an den Pranger – säkulare und Erdogan-kritische. So ist auch ein VOLKSBLATT-Interview mit Elham Manea angeführt, in dem die Schweizer Politologin für einen liberalen und gegen den politischen Islam eintritt sowie das Kopftuchverbot in Schulen befürwortet.

Auch OLG Linz im Visier

Das Kopftuch hat es den EIR-Reportern angetan. Auch das Oberlandesgericht Linz wird gelistet, weil es entschied, dass eine türkischstämmige Rechtspraktikantin nicht mit dem Hijab auf der Richterbank sitzen dürfe. Ob ein Kopftuchverbot als Islamophobiebeweis taugt, darf angezweifelt werden, solange Muslima in islamischen Ländern gegen Verschleierungszwänge kämpfen. Auch die Türkei nannte niemand „islamophob“, als dort das Kopftuch in Schulen und Ämtern noch verboten war.

Seriositätsdefizit

An vielen Stellen lässt der Report jegliche Seriosität missen. So werden unter den 1051 antimuslimischen Fällen in Österreich auch welche aufgelistet, die nachweislich nicht muslimfeindlich sind. Etwa die Schüsse vor einer Wiener Moschee, die im April 2019 Muslime in Schrecken versetzt hatten. Drei Wochen nach dem Massaker an Muslimen in Christchurch war die Panik verständlich. Inzwischen weiß man aber: Die Schüsse hatten keinerlei religiösen Bezug, sondern fielen im Streit zwischen zwei Autofahrern aus einer Schreckschusspistole.

Hanebüchen ist die Verknüpfung von Kritik an der — durchgängig als „rechtsextrem“ bezeichneten — ÖVP-FPÖ-Regierung mit einem tatsächlich antimuslimischen Vorfall: So wird der Personalpolitik von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) „Potenzial für eine weitere Verankerung anti-muslimischer Gesetzgebung“ unterstellt — und im nächsten Absatz völlig zusammenhanglos beschrieben, wie ein islamfeindlicher Student in der Uni Wien mit einem Messer aufgegriffen wurde.

Wieder von EU finanziert?

Unklar ist, ob auch für diesen Report EU-Geld floss. EU-Abgeordnete wie Lukas Mandl (ÖVP) und Monika-Hohlmeier (CSU) hatten im Vorjahr gegen die EU-Finanzierung protestiert und die Zusicherung der EU-Kommission erhalten, dass dies abgestellt werde. Der EIR 2019 enthält tatsächlich keinen Hinweis auf EU-Subventionen. Auf der Webseite, auf der er präsentiert wird, steht allerdings: „Dieses Projekt wird von der EU finanziert“.

Co-Herausgeber Farid Hafez ließ Anfragen zu dem Report unbeantwortet.

Lukas Mandl bezeichnet den Report gegenüber dem Volksblatt als „einen perfiden Akt, mit dem versucht wird, unsere westlichen Gesellschaften zu spalten“ . Denn Handke sei zwar nicht unumstritten, aber „die Freiheit der Kunst ist immer zu verteidigen“ .

Die Initiative Liberaler Muslime in Österreich (ILMÖ) kritisiert den Report als „übles und unwissenschaftliches Machwerk, dessen Ziel es offensichtlich ist, Wissenschafter und Medien, die dem politischen Islam von Muslimbrüdern, Milli Görüs und Co. kritisch gegenüberstehen, mit dem Islamisten-Kampfbegriff ‚Islamophobie‘ zu diskreditieren“. ILMÖ-Vorsitzender Amer Albayati forderte die EU-Kommission auf, „sicherzustellen, dass Seta und Hafez in Zukunft keinerlei Finanzierung der öffentlichen Hand mehr für ihre Propagandaarbeit für Erdogan bekommen“.

Von Manfred Maurer

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