Zwei Tage nach dem Anschlag von Magdeburg werden immer mehr Rufe nach Konsequenzen laut. Deutschlands Innenministerin Nancy Faeser forderte im „Spiegel“, ausstehende Gesetzentwürfe zur inneren Sicherheit rasch zu beschließen. Sobald die Ermittlungen ein klares Bild von den Hintergründen ergeben hätten, werde man daraus die notwendigen Schlüsse ziehen. Der aus Saudi-Arabien stammende Tatverdächtige war dem deutschen Bundeskriminalamt (BKA) schon seit längerer Zeit bekannt.
Der stellvertretende Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Lars Castellucci, kündigte am Montag im ZDF an, eine Sondersitzung des Gremiums zu beantragen. Es werde unter anderem um die Frage gehen, warum man Hinweisen auf die vom mutmaßlichen Attentäter Taleb A. ausgehenden Gefahren nicht nachgegangen sei.
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Sicherheitsarchitektur überdenken
Auch Justizminister Volker Wissing forderte, über Konsequenzen nachzudenken. „Der Täter von Magdeburg war mehrfach dadurch aufgefallen, dass er Straftaten androhte. (…) Nach dem, was bisher bekannt ist, waren seine politischen Äußerungen jedoch so wirr, dass kein sicherheitsbehördliches Schema auf ihn passte“, sagte er der Funke Mediengruppe. „Ich halte es für möglich, dass wir daraus Konsequenzen für unsere Sicherheitsarchitektur ziehen müssen.“
Nachrichtendienste stärken
Für die CDU verlangte Armin Laschet die Stärkung von Nachrichtendiensten. Fast allen großen Terroranschlägen seien Hinweise ausländischer Geheimdienste vorausgegangen, sagte er „tablemedia“.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) trat für eine Ausweitung der Befugnisse von Sicherheitsbehörden ein. Der Vorsitzende für den Bereich Bundespolizei, Andreas Roßkopf, kritisierte in der „Rheinischen Post“ die fehlende Umsetzung des neuen Bundespolizeigesetzes. Er verwies auf Online-Durchsuchungen, Überwachung von Telefongesprächen über das Internet und die Gesichtserkennung mit KI-Software.
Testament gefunden
Am Freitagabend war der aus Saudi-Arabien stammende Taleb A. mit einem Pkw in den Weihnachtsmarkt im Zentrum Magdeburgs gefahren. Fünf Menschen wurden dabei getötet, 200 Menschen wurden verletzt, etwa 40 von ihnen schwer oder sehr schwer. Die Universitätsklinik in Magdeburg teilte via Facebook mit, es würden noch 72 Verletzte versorgt, darunter 15 Schwerverletzte.
Der „Spiegel“ berichtete Montagabend ohne Angabe einer Quelle, die Ermittler hätten im Tatwagen sein Testament gefunden. Sein gesamtes Vermögen solle nach seinem Tod an das Deutsche Rote Kreuz übergehen, hieß es. Politische Botschaften hätten sich in dem Dokument nicht gefunden.
Mehrere Ermittlungsverfahren
Die „Welt“ berichtete unter Berufung auf eine Telefonkonferenz zwischen dem BKA und den Landeskriminalämtern (LKA) am Wochenende, der mutmaßliche Attentäter sei wegen einer psychischen Erkrankung behandelt worden. Demnach gehe das BKA von einem „allein handelnden Täter ohne explizit islamistisches Motiv“ aus.
Gegen Taleb A. habe es bereits mehrere Ermittlungsverfahren in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen wegen Bedrohung, Verleumdung und Sexualstraftaten gegeben. „Es entstand der Eindruck eines psychisch auffälligen Vielschreibers“, sei in der Schaltung mitgeteilt worden.
Der Tatverdächtige sei dem BKA seit längerer Zeit bekannt und im Hinblick auf Gefährdungssachverhalte überprüft worden. Solche konnten im vergangenen Jahr jedoch nicht erkannt werden.
Polizei kontaktierte Täter einige Wochen vor Anschlag
Die Polizei kontaktierte Taleb A. einige Wochen vor dessen Todesfahrt. Im September 2023 und Oktober 2024 seien Gefährderansprachen durchgeführt worden, sagte Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang. Das Gespräch im vergangenen Jahr sei im Polizeirevier Salzlandkreis durchgeführt worden. Das Gespräch in diesem Jahr sei auf der Arbeitsstätte erfolgt.
Die Hintergründe zu den Gefährderansprachen blieben auch auf Nachfrage der Abgeordneten zunächst offen. Zieschang sagte, der jeweilige Zusammenhang solle im vertraulichen Teil der Sitzung dargestellt werden.
Wie die dpa nach der Sitzung erfuhr, soll die Ansprache in Zusammenhang mit einer Bedrohung stehen. Der Mann soll einen Rechtsanwalt, der ihn einst in einem Verfahren vertreten hatte, bedroht haben. Nachdem Anzeige gestellt wurde, suchte die Polizei den Mann auf der Arbeit auf.