Ukraine will NATO-Mitgliedschaft – Für Rutte nicht Priorität

NATO-Generalsekretär Rutte fordert mehr Hilfe für die Ukraine © APA/AFP/JOHN THYS

Die Ukraine kann wohl nicht so schnell auf eine NATO-Beitrittseinladung hoffen. NATO-Generalsekretär Mark Rutte hielt sich am Dienstag am Rande eines NATO-Außenministertreffens bedeckt. Die militärische Unterstützung der Ukraine sei jetzt das, worauf sich die NATO-Länder konzentrieren sollten. Kiew hatte zuvor klargemacht, keine anderen Sicherheitsgarantien als eine NATO-Mitgliedschaft zu akzeptieren. Russland würde eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine als Bedrohung sehen.

„Die Verbündeten haben sich darauf geeinigt, dass die Zukunft der Ukraine in der NATO liegt“, sagte Rutte. „Dies geschieht Schritt für Schritt. Aber ich denke, wir müssen uns auf das konzentrieren, was jetzt notwendig ist.“ Das dringendste Problem sei jedoch, Kiew mit mehr Waffen zu versorgen, um die russischen Streitkräfte abzuwehren. „Das Wichtigste ist jetzt, sicherzustellen, dass (der ukrainische Präsident Wolodymyr, Anm.) Selenskyj, wenn er sich für Friedensgespräche entscheidet, dies aus einer Position der Stärke heraus tun kann. Das ist für mich jetzt die Priorität Nummer eins.“

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Ukraine bittet NATO um 19 Flugabwehrsysteme

Der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha, der als Gast bei dem Treffen in Brüssel dabei war, bat seine Amtskolleginnen und Kollegen aus den NATO-Ländern um 19 weitere Flugabwehrsysteme gegen russische Luftangriffe. Am Vormittag hatte er noch von 20 Flugabwehrsystemen gesprochen. Unklar blieb, warum er später eine andere Zahl nannte. Das Energiesystem müsse im beginnenden Winter besser vor Treffern geschützt werden, sagte Sybiha. Die geforderten Flugabwehrsysteme haben Reichweiten zwischen 25 und 40 Kilometern.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock mahnte einen dauerhaften Frieden für die Ukraine an. „Es muss ein gerechter Frieden sein, es darf kein Einfrieren eines Konflikts sein, das nur zu einer weiteren Aufrüstung und nur zu weiteren Angriffen auf die Ukraine oder gar anderer europäischer Länder führt“, sagte die Ministerin. Und dafür „braucht es Sicherheitsgarantien, die auch wirklich tragen“.

Rutte: Putin hat kein Interesse an Frieden

Rutte betonte, dass die NATO-Verbündeten ihre militärische Unterstützung für die Ukraine aufstocken müssten. „Wir werden alle mehr tun müssen. Je stärker unsere militärische Unterstützung für die Ukraine jetzt ist, desto stärker wird ihre Position am Verhandlungstisch sein“, sagte Rutte vor Journalisten im NATO-Hauptquartier.

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Der russische Präsident Wladimir „Putin ist nicht an einem Frieden interessiert“, ergänzte der NATO-Chef. „Er setzt den Vormarsch fort und versucht, weitere Gebiete zu erobern. Er glaubt, dass er die Entschlossenheit der Ukraine und unseren Willen brechen kann, aber da irrt er sich“, betonte Rutte.

Kiew erinnert an Budapester Memorandum

Am Tag des NATO-Treffens erinnerte das Außenministerium in Kiew an die schlechten Erfahrungen mit dem fast 30 Jahre alten Budapester Memorandum. „Ausgehend von der bitteren Erfahrung mit dem Budapester Memorandum, werden wir keine Alternativen, keine Nachahmung und keinen Ersatz für eine vollständige NATO-Mitgliedschaft der Ukraine akzeptieren“, hieß es in einer Erklärung des ukrainischen Außenministeriums.

1994 hatte die Ukraine die sowjetischen Nuklearwaffen auf ihrem Gebiet abgegeben; dafür sagten die Atommächte USA, Russland und Großbritannien ihr unverbindlich Sicherheit zu. Moskau habe die Vereinbarung mit dem Angriff auf die Ukraine 2014 und der groß angelegten Invasion ab 2022 gebrochen, erklärte das Außenministerium in Kiew.

Kreml erachtet NATO-Mitgliedschaft als „Bedrohung“

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow dagegen betonte, dass eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine „absolut unserer Vorstellung von einer unteilbaren Sicherheit“ widerspreche. Die mögliche Aufnahme Kiews in das westliche Verteidigungsbündnis sei für Moskau einer der Kriegsgründe gewesen, erklärte der Sprecher des russischen Präsidialamts in Moskau.

Die Ukraine hat das Streben in die NATO in ihrer Verfassung festgeschrieben. Kiew fordert eine schnelle Einladung; und die NATO hat versprochen, sie aufzunehmen. Allerdings sperren sich wegen der Unwägbarkeiten des Krieges wichtige Mitglieder wie die USA und Deutschland, einen konkreten Weg dorthin aufzuzeigen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte eine Beitrittseinladung zur Allianz gefordert, um die von Kiew kontrollierten Teile des Landes gegen Russland abzusichern. Kiew drängt die Verbündeten darüber hinaus zur Lieferung von Abwehrsystemen gegen die neuartige russische Hyperschallwaffe Oreschnik. Gleichzeitig hat die Ukraine nach Angaben von Selenskyj neue selbstentwickelte Raketen getestet. Er habe Berichte vom Militär über den Test erhalten, teilte Selenskyj über den Kurznachrichtendienst Telegram mit und kündigt an, die Fertigung der im Inland hergestellten Raketen voranzutreiben: „Wir beschleunigen die Produktion.“

Russland erobert weitere Siedlungen

Bei einem Arbeitsabendessen der NATO-Außenminister und Außenministerinnen soll es unter anderem um die Lage an der Front sowie den aktuellen Unterstützungsbedarf der Ukraine im Abwehrkrieg gegen Russland gehen. Die ukrainischen Truppen sind derzeit vor allem in der Ostukraine stark unter Druck und müssen nahezu täglich Positionen aufgeben.

Die russischen Streitkräfte brachten nach eigenen Angaben zwei weitere Siedlungen in der Ukraine unter ihre Kontrolle. Es handle sich dabei um die Ortschaften Romaniwka in der ostukrainischen Region Donezk und Nowodariwka in der südukrainischen Region Saporischschja, teilte das Außenministerium in Moskau mit. Donezk bildet zusammen mit Luhansk den industriell geprägten Donbass. Die beiden Regionen sowie Saporischschja und Cherson weiter im Süden der Ukraine wurden bereits im September 2022 von Russland annektiert, ohne sie vollständig zu kontrollieren.