„Haribo macht Kinder froh und Muslime ebenso.“ Der abgewandelte Werbespruch des Gummibären-Erfinders funktioniert nur unter einer Bedingung: Das Produkt muss „halal“, also nach islamischem Recht erlaubt und daher frei von Schweinegelatine sein.
„Islamische“ Gummibären werden mit Rindergelatine produziert, was Haribo mit einem Halal-Zertifikat des türkischen Normungsinstituts nachweist.
Halal als Geschäftsmodell
Halal-Zertifizierung ist auch ein Geschäft. Die Trauner Islamic Information Documentation and Certification GmbH (IIDC) etwa ist mit Niederlassungen in Deutschland, Ungarn und Frankreich als Dienstleister hauptsächlich für Exporteure aktiv. Da islamische Länder oft nur islamkonforme Produkte einführen, sind anerkannte Zertifizierer wie IIDC gefragt. Manche Staaten verlangen sogar die Garantie, dass im Betrieb benutzte Reinigungsmittel alkoholfrei sind.
Aber auch am österreichischen Markt gewinnt das Thema infolge zunehmender fundamentalistischer Einflüsse immer mehr an Bedeutung. Die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) mischt dabei kräftig mit. Nach einer Klage des IIDC war ihr zwar 2018 gerichtlich untersagt worden, „das Gewerbe der Halal-Zertifizierung ohne erforderliche Gewerbeberechtigung auszuüben“, das wurde aber inzwischen repariert.
Im Juni führte die IGGÖ einen verpflichtenden Halal-Lehrgang ein. Dessen Absolvierung ist, so die IGGÖ, „Voraussetzung für jede zukünftige Verleihung einer Halal-Ermächtigung oder Zertifizierung durch die IGGÖ“. Begründet wird dies mit angeblich hoher Nachfrage: Vielen der über 700.000 Muslime in Österreich sei die Verfügbarkeit von Halal-Lebensmittel ein großes Anliegen.
„Glücklich ohne Halal“
Säkulare Muslime sehen das anders. „Wir leben seit über sechzig Jahren ohne Halal-Zertifizierungen sehr glücklich und die Mehrheit will die aus dem Ausland dirigierte Lebenstrennung nicht“, sagt Birol Kilic.
Der Präsident der Türkischen Kulturgemeinde (TKG) wertet die orthodoxen Regeln als Verstoß gegen das EU-Diskrimierungsverbot, weil nicht zertifizierte Unternehmen benachteiligt seien. Er verweist auch auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR), der 2003 die Scharia (auf der Halal-Regeln basieren) als „unvereinbar mit den Prinzipien der Demokratie“ erklärt hatte.
Schon 2014 hatte die TKG in der Begutachtung des Islam-Gesetzes vergeblich Paragraf 12 kritisiert. Dieser berechtigt islamische Religionsgesellschaften, „die Herstellung von Nahrungsmitteln gemäß ihren Vorschriften zu organisieren“. Bis heute fragt sich die TKG: „Warum wird die gesamte Nahrungsmittelproduktion religiöser Kontrolle unterstellt?“
Die IGGÖ verweist darauf, dass der Halal-Pflichtkurs „im Austausch mit dem zuständigen Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK)“ etabliert wurde. Gegenüber dem VOLKSBLATT betont eine Sprecherin, die Kurse seien nur für jene verpflichtend, die eine Halal-Ermächtigung der IGGÖ beantragen.
Von Manfred Maurer