Ins Ringen um einen Termin für die Neuwahl des Deutschen Bundestags nach dem Scheitern der Ampel-Koalition kommt Bewegung. Der potenzielle Zeitraum verengt sich nun auf Februar oder März. Eine schnellstmögliche Neuwahl bereits im Jänner ist inzwischen vom Tisch: Dafür hätte Kanzler Olaf Scholz (SPD) im Deutschen Bundestag die Vertrauensfrage bereits an diesem Mittwoch stellen und dies 48 Stunden vorher beantragen müssen. Diese Frist ist schon abgelaufen.
Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz strebt nun eine vorgezogene Bundestagswahl im Februar an. In der Sitzung des CDU/CSU-Fraktionsvorstands nannte der Fraktions- und CDU-Parteichef den 16. oder 23. Februar als gut zu erreichen, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen erfuhr. Die „Rheinische Post“ (Dienstag) schreibt, Merz habe dort erklärt, der zunächst von ihm ins Spiel gebrachte Wahltermin 19. Jänner sei zu ambitioniert.
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Die SPD dürfte ein Interesse daran haben, erst nach der Hamburg-Wahl zu wählen, weil sie sich von ihrer Hochburg Rückenwind für den Bund versprechen könnte. Hamburg wählt seine Bürgerschaft am 2. März.
Scholz wollte die Vertrauensfrage ursprünglich am 15. Jänner stellen, um eine Neuwahl Ende März herbeizuführen. Nach starkem öffentlichen Druck hatte er sich am Sonntag in der ARD-Sendung „Caren Miosga“ bereit gezeigt, die Vertrauensfrage noch vor Weihnachten zu stellen – wenn die Fraktionschefs von SPD und CDU/CSU, Rolf Mützenich und Friedrich Merz, dazu eine Übereinkunft erzielen.
Die Spitze der Unionsfraktion pocht darauf, dass Scholz die Vertrauensfrage noch im laufenden Jahr stellt. „Die SPD ist am Zug, mit konkreten Vorschlägen (zum Zeitplan) auf die Union zuzukommen“, hieß es aus der Fraktion. „Wenn dieses Datum festgelegt wurde, können Gespräche über etwaige noch zwingend zu behandelnde Themen im Bundestag begonnen werden.“
Mit Blick auf Gesetzesvorhaben der amtierenden rot-grünen Minderheitsregierung betonte Merz nach Informationen der „Rheinischen Post“ im Fraktionsvorstand erneut, zuerst müsse Scholz die Vertrauensfrage stellen. Seine Regierung habe keine Verfahrensmehrheit mehr. „Es kommt nur noch auf die Tagesordnung, was wir gemeinsam vorher besprochen haben“, zitiert ihn das Blatt nach Teilnehmerangaben.
Wie die Union dringt auch die aus der Ampel-Koalition ausgeschiedene FDP auf einen möglichst frühen Wahltermin. „Das Wichtigste ist, dass das Land bald in der Lage ist, eine Richtungsentscheidung zu treffen“, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai nach der Präsidiumssitzung seiner Partei. Vor einer Entscheidung über den Wahltermin will sich die FDP nicht auf eine Unterstützung noch nicht abgeschlossener Reformprojekte festlegen.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr warnte vor den wirtschaftlichen Folgen einer Verzögerung. „Geht es nach Olaf Scholz, hätten wir erst im Sommer nächsten Jahres eine neue arbeitsfähige Regierung“, sagte er der dpa. „Das Vakuum, in das Olaf Scholz das Land manövriert hat, kostet uns jeden Tag Jobs und Wohlstand.“
Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wies Warnungen der FDP vor einer „Hängepartie“ zurück. „Da ist die FDP wirklich eine Blitzmerkerpartei“, sagte er in Berlin. Sie habe eine Hängepartie am vergangenen Mittwoch vermeiden können. An dem Tag war die Koalition zerbrochen.
Die deutsche Bundeswahlleiterin Ruth Brand untermauerte nach einer Beratung mit den Landeswahlleitungen ihre Empfehlung, einen Neuwahltermin nicht zu früh anzusetzen. „Um Herausforderungen bei der Wahlorganisation, die sich aus den Fristen bei einer Neuwahl ergeben, bestmöglich zu begegnen, sollte dabei der (im Grundgesetz festgelegte) Zeitraum von 60 Tagen zwischen der Auflösung des Bundestages bis zur Neuwahl ausgeschöpft werden“, riet sie in einer Mitteilung. Die Wahlleitungen wirkten bereits jetzt bei den zuständigen Stellen in Bund, Ländern und Gemeinden darauf hin, alle auch ohne Wahltermin schon gangbaren organisatorischen Schritte zu ergreifen. An diesem Dienstag wird Brand im Wahlprüfungsausschuss des Bundestags erwartet, der in einer Sondersitzung über einen Neuwahltermin beraten will.
Brand war bei der Union in die Kritik geraten, nachdem sie in einem Brief an den Kanzler vor „unabwägbaren Risiken“ durch eine allzu frühe Wahl gewarnt hatte. CDU/CSU-Parlamentsgeschäftsführer Patrick Schnieder (CDU) sagte der dpa, er erwarte von ihr, dass sie „sich nicht vor den parteipolitischen Karren des Bundeskanzlers spannen lässt“.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit wies den Vorwurf Scholz als absurd zurück. Er verstehe das Ziel der Opposition, möglichst schnell zur Neuwahl zu kommen. „Und trotzdem muss es eben eine ordentliche Wahl sein. Und da sollte man nicht zu viele Hinweise ignorieren auf dem Weg dorthin“, sagte er.
Wegen der unklaren Lage verschiebt der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine für kommende Woche geplante Reise nach Saudi-Arabien. Er wolle Zeit haben, um in Berlin Gespräche mit den politisch Verantwortlichen führen zu können, hieß es aus dem Bundespräsidialamt. Zuerst hatte der „Spiegel“ darüber berichtet.
Steinmeier kommt eine zentrale Rolle zu: Wenn Scholz bei der Vertrauensfrage im Deutschen Bundestag wie erwartet keine Mehrheit erhält, kann der Bundespräsident innerhalb von 21 Tagen das Parlament auflösen und die Neuwahl ansetzen. Gewählt werden muss dann innerhalb von 60 Tagen.
FDP-Generalsekretär Djir-Sarai berichtete unterdessen, nach dem Bruch der Ampel hätten die Liberalen etwa 1.300 Neueintritte von Mitgliedern verzeichnet. Bis zum Wochenende habe es rund 80 Austritte gegeben. Die Zahl der FDP-Mitglieder war zuletzt auf rund 70.000 gesunken. Die SPD registrierte nach Angaben von Generalsekretär Matthias Miersch seit dem Ampel-Crash am vergangenen Mittwoch online mehr als 1.000 Parteieintritte.