Türkische Wahlkämpfer laufen sich in Österreich schon warm

Auslandstürken könnten über Erdogans Sein oder Nicht-Sein entscheiden

AKP Linz kombiniert auf Facebook ihr Parteilogo (verbotenerweise) mit oö. Landeswappen.
AKP Linz kombiniert auf Facebook ihr Parteilogo (verbotenerweise) mit oö. Landeswappen. © Screenshots: Facebook

Es wird eng für Recep Tayyip Erdogan. Im 20. Jahr seiner Herrschaft ist deren Fortsetzung nach den Parlaments- und Präsidentenwahl Mitte Mai ungewiss.

Erdogans autoritärer Kurs und seine von Inflationsraten um die 80 Prozent „gekrönte“ Wirtschaftspolitik hängen immer mehr Türken zum Hals heraus. Wenn es den sechs Oppositionsparteien gelingt, demnächst gemeinsam einen attraktiven Herausforderer zu präsentieren, muss der Präsident um seinen Platz im Prunkpalast zu Ankara fürchten. Bei der letzten Wahl 2018 hatte es mit 52,6 Prozent noch knapp gereicht.

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AKP-Hochburg Österreich

Da die Stimmung seither nicht besser geworden ist, muss Erdogan bei diesen Wahlen umso mehr die treuesten der treuen Fans mobilisieren. Die leben jedoch in beträchtlicher Zahl dort, wo die Folgen seiner nationalistisch-islamistischen Politik nicht zu spüren sind. Würde nur die türkische Diaspora wählen, müssten sich Erdogan und seine AK-Partei keine Sorgen machen. Das gilt ganz besonders in Österreich.

2018 kam die AKP hier bei der Parlamentswahl auf 62,5 Prozent, 20 Punkte mehr als in der Türkei. Und bei der Präsidentschaftswahl entfielen 72 Prozent der 51.600 austrotürkischen Stimmen auf Erdogan, nur 16,7 Prozent auf seinen Herausforderer Muharrem Ince von der sozialdemokratischen CHP.

Netz der Austro-AKP

Zwar machen die rund zweieinhalb Millionen wahlberechtigten Auslandstürken in Europa nur vier Prozent der gesamten Wählerschaft aus, je knapper aber das Rennen, desto mehr wird die Diaspora zum Zünglein an der Waage. Daher ist es keine Überraschung, dass der Wahlkampf in der türkischen Parallelgesellschaft auch in Österreich längst angelaufen ist.

Am aktivsten, weil wohl finanziell und personell am besten ausgestattet, agitiert die AKP. Außerhalb der türkischen Community kaum wahrgenommen hat die Erdogan-Partei ein dichtes Netz aufgebaut, wobei die Grenzen zu religiösen Gruppierungen wie Milli Görüs fließend sind. Auch in Oberösterreich verfügt die AKP über Ableger. Auf Facebook gibt es „AK Parti Linz“ gleich zweimal mit insgesamt mehr als 8000 Followern. Eine der beiden Seiten kombiniert Parteisymbol und Erdogan-Konterfei mit dem offiziellen oö. Landeswappen, was verboten ist.

Die AKP tritt hierzulande nicht nur unter ihrem Namen in Erscheinung. Ihre Auslandsorganisation, die Union Internationaler Demokraten (UID), hat ebenfalls ihr Netz über Österreich ausgeworfen. Auch in Linz verbreitet ein UID-Ableger, dessen Vorstand schon von Bürgermeister Klaus Luger empfangen wurde, Erdogan-Propaganda.

Islamisten und SPÖ

Lugers SPÖ probt seit Jahren einen türkischen Spagat: Ideologisch ist die CHP logischer Partner. Deren OÖ-Ableger hielt vor drei Wochen in Linz — unter SPÖ-Logo und Rendi-Plakat — auch eine Vorstandssitzung zur Wahlkampfvorbereitung ab.

Tatsächlich pflegt die Linzer SPÖ aber mit Blick auf heimische Wahlen vor allem die Nähe zur islamistischen Milli Görüs, die in Österreich als Islamische Föderation auftritt. SPÖ-Gemeinderätin Arzu Büyükkal wiederum kommt vom unter Einfluss der türkischen Religionsbehörde Diyanet stehenden Moscheedachverband Atib.

Islamisten-Partei

Auch andere islamistische Gruppen machen in Oberösterreich türkische Politik. Schon im Dezember hatte der Abgeordnete Abdulkadir Karaduman der oö. Dependance seiner Saadet-Partei in Sattledt einen Besuch abgestattet. Ein Vertreter der vom antisemitischen Milli-Görüs-Erfinder Necmettin Erbakan gegründeten Splitterpartei war 2017 in Wels wegen Verbreitens von IS-Propaganda zu einem Jahr bedingter Haft verurteilt worden. Er war auch in der SPÖ aktiv.

Kommt Erdogan?

Eine Frage, die noch für außenpolitische Turbulenzen sorgen könnte, ist, ob Erdogan selbst einen Wahlkampfauftritt in Österreich plant. 2018 hatte die Bundesregierung ein solches Ansinnen abgelehnt. Da er auch in Deutschland als Wahlkämpfer unerwünscht war, ließ er Tausende Auslandstürken zu einem Wahlevent nach Sarajewo karren. Dieses Mal stehen seine Chancen vielleicht besser, denn zwischen Wien und Ankara herrscht seit einiger Zeit Tauwetter.

Von Manfred Maurer