Russlands Präsident Wladimir Putin hat beim BRICS-Gipfel am Mittwoch in der russischen Stadt Kasan eine vertiefte finanzielle Zusammenarbeit angeregt. Diese sei ein ebenso wichtiges Thema wie die Erweiterung der Gruppe. Er sprach vom Beitrittswunsch vieler Länder des Globalen Südens. Es gebe mehr als 30 Länder, die sich dem Bündnis anschließen wollten, sagte Putin. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping forderte indes eine Deeskalation in der Ukraine.
Nach Kasan sind nach Kreml-Angaben aber mehr als 20 Staats- und Regierungschefs vor allem aus Afrika, Lateinamerika und Asien angereist. „Zweifellos wäre es falsch, das beispiellose Interesse der Länder des Globalen Südens und Ostens an einer Stärkung der Kontakte zur BRICS zu ignorieren“, sagte Putin, fügte aber hinzu: Eine Erweiterung dürfe aber nicht zulasten der Effizienz des Bündnisses gehen.
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Der Kreml-Chef möchte die BRICS zu einem Gegengewicht zum Westen aufbauen. Dabei geht es laut Putin nicht nur um wirtschaftliche und finanzielle Fragen, sondern auch um Sicherheitspolitik. Die am Bündnis beteiligten Länder teilten die gleichen Werte, sagte Putin. Zugleich behauptete er, dass alle BRICS-Länder einen Beitrag zur Stabilität und Sicherheit in der Welt leisteten. Russland führt dabei seit mehr als zweieinhalb Jahren einen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Das Bündnis von Ländern, zu dem unter anderem auch Russland, Brasilien, Indien und Südafrika gehören, solle Bewahrer der gemeinsamen Sicherheit sein, sagte Xi beim BRICS-Gipfel. In der Ukraine müsse eine rasche Deeskalation der Lage angestrebt werden, forderte er. Das Schlachtfeld dürfe sich nicht erweitern. Im Gazastreifen brauche es eine Waffenruhe und ein Ende des Tötens, sagte Xi. Peking gilt als Moskaus wichtigster Rückhalt im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. China kritisierte das russische Vorgehen bisher nicht und sieht sich Vorwürfen ausgesetzt, Russlands Rüstungsindustrie mit wichtigen Gütern zu beliefern.
Der indische Regierungschef Narendra Modi hatte zuvor betont, dass er alle Anstrengungen unterstütze, „um schnell wieder Frieden und Stabilität herzustellen“. Modi und Xi trafen am Rande des Gipfels auch zu einem Zweiertreffen zusammen. Es war nach Angaben des indischen Außenministeriums ihr erstes Treffen seit fünf Jahren. Beide Seiten hatten kurz vor dem Gipfel ein Abkommen in einem Grenzstreit erzielt.
Der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva, der wegen eines häuslichen Unfalls nicht nach Russland gereist war, rief per Videobotschaft zu einer verstärkten Zusammenarbeit auf „angesichts zweier Kriege, die sich global ausweiten könnten“.
Das BRICS-Gipfeltreffen in Kasan begann am Mittwoch mit einem Treffen in kleinerer Runde, an das sich eine erweiterte Sitzung anschloss. Am Vortag fanden bilaterale Gespräche und ein informelles Abendessen statt. Putins Gespräche mit den Staats- und Regierungschefs der Länder, die am BRICS-Gipfel teilnehmen, seien „erfolgreich“ gewesen, sagte Präsidentenberater Juri Uschakow. Auch die Frage einer gemeinsamen Währung der BRICS-Staaten und die „ukrainische Frage“ wurden demnach erörtert.
Als Ergebnis des Gipfeltreffens in Kasan gab es eine politische Erklärung. Die Mitgliedsländer verurteilten darin Israels Angriffe auf den Gazastreifen und Libanon. Die Ukraine hingegen kam in dem Dokument nur in einem Satz zur Sprache. Es hieß, zu dem Problem gebe es unterschiedliche Positionen. Dafür gab es reichlich Kritik an den Sanktionen, die der Westen gegen Russland wegen des Kriegs verhängt hat.
Kremlsprecher Dmitri Peskow ergänzte, die Ukraine-Krise – wie er es nannte – habe in allen bilateralen Treffen Putins eine Rolle gespielt. „Dabei unterstreicht er den Unwillen der ukrainischen Seite zu irgendwelchen Gesprächen und die sehr, sehr positive Dynamik für die russischen Streitkräfte an der Front“, sagte Peskow russischen Agenturmeldungen zufolge.
Die Europäische Union warf Putin einen „Missbrauch“ des BRICS-Gipfels für seine politischen Ziele vor. Putin wolle mit dem Gipfel unter seinem Vorsitz zeigen, dass Russland international nicht isoliert sei, sagte der Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, Peter Stano, am Mittwoch in Brüssel. In Wahrheit sei Putin aber ein international gesuchter Kriegsverbrecher. Alle Teilnehmer des Gipfels in Kasan müssten Putin aufrufen, den Krieg gegen die Ukraine „sofort zu beenden“, sagte Stano weiter. Dies erwarte die EU insbesondere von UNO-Generalsekretär António Guterres, der am Mittwoch in Kasan eingetroffen war.
Der Portugiese soll am Donnerstag mit Putin zusammentreffen und auch öffentlich beim Gipfel auftreten. Aus der Ukraine kam bereits Kritik. Guterres habe eine falsche Wahl getroffen, nach Kasan zu reisen, nicht aber zum Friedensgipfel in der Schweiz, schrieb das ukrainische Außenministerium im Vorfeld von dessen Reise. Vertraute Guterres konterten die Vorwürfe damit, dass der UNO-Generalsekretär auch in der Vergangenheit BRICS-Treffen besucht habe. Die Organisation sei international so bedeutend, dass sie nicht vernachlässigt werden könne. Guterres werde in Kasan zudem die bekannte Position wiederholen, dass es einen gerechten Frieden für die Ukraine geben müsse. Auch der vor einem Jahr von Russland geschlossene Korridor über das Schwarze Meer für die Ausfuhr ukrainischen Getreides müsse wieder geöffnet werden.
Die Ansprüche der BRICS-Mitglieder auf mehr Mitbestimmung in der Weltpolitik wurden auch an der wiederholten Kritik gegenüber den Vereinten Nationen deutlich. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa forderte erneut eine Reform des UNO-Sicherheitsrats. „Er vertritt nicht die Interessen der Weltgemeinschaft und verfügt daher nicht über die Mittel, um dem weltweiten Wunsch nach Frieden nachzukommen“, sagte Ramaphosa. Der UNO-Sicherheitsrat verfehle damit sein Mandat. Die Mitglieder der BRICS-Gruppe sollten als wichtige Akteure „für die Gestaltung einer neuen multipolaren Weltordnung“ eine Neuordnung des Rates vorantreiben. In die Abschlussdeklaration wurden die Forderungen nach einer Reform der Vereinten Nationen ebenfalls aufgenommen.
Die BRICS-Gruppe wurde 2006 von Brasilien, Russland, Indien und China gegründet. 2011 trat Südafrika der Gruppe bei. Am 1. Jänner 2024 wurden Ägypten, Äthiopien, der Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate Mitglieder.