Bürgermeister: Traumjob oder Alptraum

Aktuelle Umfrage macht Herausforderungen im Amt deutlich

Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl und Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle © Gemeindebund

Die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage zeigen deutlich: Die aktuell größte Herausforderung der Gemeinden ist die schwierige finanzielle Lage, gefolgt von der überbordenden Bürokratie und Sorgen um fehlendes Bauland bzw. Wohnraum. Die Belastungen im Bürgermeister-Amt sind laut eigener Einschätzung gestiegen und bei der Förderung von Frauen und Jugend herrscht Aufholbedarf.

Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle und Gemeindebund-Präsident Bürgermeister Johannes Pressl präsentierten am Donnerstag die Ergebnisse der Befragung zu aktuellen Herausforderungen und Nachwuchsförderung in Gemeinden. Befragt wurden dabei 451 Bürgermeister und Vizebürgermeister aus ganz Österreich teilgenommen.

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„Die angespannte Finanzlage in den Gemeinden wird 2024 zum Topthema. Lagen bei den größten Belastungen für die Gemeinden 2022 bei den Bürgermeistern noch die Bürokratie und Überregulierung und bei den Bürgermeisterinnen das fehlende Bauland bzw. der fehlende leistbare Wohnraum mit großem Abstand auf Platz 1, so sind dies 2024 bei beiden Geschlechtern Finanzprobleme und fehlende Einnahmen“, so die Politikwissenschaftlerin.

Gemeindebund-Präsident Bürgermeister Johannes Pressl sieht dieses Ergebnis als klaren Auftrag: „Das Finanzthema betrifft über kurz oder lang alle Gemeinden. Das zeigt dringenden Handlungsbedarf, sonst schauen am Ende nicht nur die Kommunen, sondern vor allem die Bürger*innen selbst durch die Finger, wenn in der Folge die öffentliche Infrastruktur – wie zum Beispiel Straßenerhaltung, Kinderbetreuung, Klimaschutzprojekte – leiden müssen. Wir verhandeln daher aktuell mit der Bundesregierung über ein neues Gemeindepaket.“

Persönliche Anfeindungen haben zugenommen

Der zweite Schwerpunkt der Befragung lag bei den Belastungen in der Amtsausführung. Hier führen die Befragten ebenfalls die fehlenden Finanzmittel und – analog zur Vergleichsstudie aus dem Jahr 2022 – zusätzlich die steigende rechtliche Verantwortung sowie den steigenden Anspruch der Bürger an die Lokalpolitiker an. Die Belastung durch persönliche Anfeindungen bzw. verbale Angriffe hat im Vergleich zu 2022 zugenommen.

Die Umfrage zeigt auch Aufholbedarf bei Frauen- und Jugendbeteiligung in der Kommunalpolitik. Aus den Antworten geht hervor, dass laut eigener Einschätzung vor allem in kleineren Gemeinden nicht ausreichend Jugendliche und Frauen in der Gemeindearbeit vertreten sind. Die Wahrnehmungen von Männern und Frauen unterscheiden sich hier jedoch signifikant.

„Die größte Hürde für Frauen in der Politik ist die unterschiedliche Erwartungshaltung in der Bevölkerung. 58 Prozent der Bürgermeisterinnen und Vizebürgermeisterinnen sind der Meinung, dass sie anders beurteilt werden als ihre männlichen Kollegen. Hier hat es im Vergleich einen leichten Fortschritt seit 2022 gegeben. Die Bürgermeister hingegen lehnen diese unterschiedliche Wahrnehmung ab. Daraus lässt sich rückschließen, dass bei vielen Männern nach wie vor das Bewusstsein für Fördermaßnahmen und diskriminierende Rahmenbedingungen in der Politik fehlt“, fasst Stainer-Hämmerle zusammen.

Geschlechterunterschiede bei Zugang zu Politik

Ziel der Umfrage war auch, mögliche Hebel zur Frauen- bzw. Jugend-Nachwuchsförderung zu identifizieren und ihre Effektivität zu bewerten. Hier zeigt sich, dass vor allem die persönliche Ansprache von potenziellem Polit-Nachwuchs als wirksam gesehen wird. Bei der Einschätzung der Effektivität von Maßnahmen zeigen sich teilweise große Unterschiede zwischen den Geschlechtern.

Männer bevorzugen allgemeine Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung wie öffentliche Informationsveranstaltungen, spezielle Ausbildungsangebote oder Organisationsformen wie Jugendräte oder Frauenorganisationen bzw. Formen des Empowerments auf persönlicher Ebene. Frauen wünschen sich stärker niederschwellige Beteiligungsformate, regelmäßig tagende Jugendparlamente, Beachtung von Gender Mainstreaming, Evaluierung der Sichtbarkeit von Frauen und jungen Menschen, Quotenregelungen und Mentoring.

„Es fällt auf, dass Frauen sich hauptsächlich in Frauenorganisationen engagieren und Männer in Jugendorganisationen. Umgekehrt scheinen die Berührungsängste noch groß. Wichtig wäre allerdings, dass Förderung von Frauen nicht nur als Verantwortung von Frauen gesehen wird und vor allem systematischer erfolgt und nicht nur durch sporadische persönliche Ansprache“, so Stainer-Hämmerle.

Aus Sicht der Wissenschaft leitet sie zwei Handlungsempfehlungen ab: „Gibt es nicht genug interessierte Frauen oder Jugendliche, so müssen die Rahmenbedingungen überarbeitet werden. Wenn es hingegen potenziellen Nachwuchs gibt, muss darüber nachgedacht werden, wie einzelne Personen unterstützt und ermutigt werden können, Führungspositionen in der Gemeindepolitik zu übernehmen.“

Verbesserungsbedarf bei Rahmenbedingungen

Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl resümiert: „Die Studie zeigt uns deutlich, dass es auf mehreren Ebenen Verbesserungsbedarf gibt. Zunächst braucht es die notwendigen finanziellen Mittel, damit wir in den Gemeinden aktiv gestalten können. Die rechtliche Verantwortung und bürokratische Hürden im Bürgermeister-Amt sind für viele kommunalpolitisch interessierte Bürger*innen abschreckend.“

Darüber hinaus müssten sich alle aktiv bemühen, mehr Frauen und junge Menschen für die Gemeindepolitik zu motivieren. „Im Grunde wollen wir alle dasselbe: Das Leben für die Gemeinschaft vor Ort gestalten. Die Gemeindepolitik genießt das höchste Vertrauen aller politischen Ebenen, dennoch braucht es mehr öffentliche Wertschätzung und Anerkennung für das Bürgermeister-Amt und jene, die sich ehrenamtlich und aus Leidenschaft in der Kommunalpolitik engagieren. Fazit: Nur, wenn die Rahmenbedingungen passen, ist der ‚Traumberuf Bürgermeister*in‘ für Nachwuchs – egal ob Jugend oder Frauen – attraktiv“, so Pressl.