Tirols scheidender SPÖ-Landeshauptmannstellvertreter Georg Dornauer lässt deutlich durchblicken, dass er trotz Aufforderung der Parteiführung wohl nicht an einen Totalrückzug bzw. Aufgabe seines Landtagsmandates denkt. „Ich werde in dieser Frage nicht auf Zurufe der obersten Funktionärsblase hören“, sagte Dornauer im APA-Interview und verwies auf einen Rat des verstorbenen Ex-SPÖ-Finanzministers Hannes Androsch. Zudem sprach er sich für eine Öffnung seiner Partei zur FPÖ aus.
Dornauer war Mitte November über einen Jagdausflug mit dem insolventen Investor René Benko in die Steiermark samt entsprechendem Foto gestürzt. In der Regierung folgt ihm mit kommendem Donnerstag Philip Wohlgemuth nach, auch in der Partei gibt es dieselbe Rochade. Der 41-Jährige wird dann einfacher Landtagsabgeordneter, die Landesparteispitze pocht aber auf eine angebliche Vereinbarung, dass dies nur „temporär“ bis zu einer beruflichen Neuorientierung der Fall sein müsse.
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Mandat „mit voller Kraft ausüben“
„Ich weiß nicht, woher diese Interpretation kommt. Ein Mandat ist immer temporär, weil es von den Wählern für eine Periode vergeben worden ist. In meinem Fall mit mehr als 10.000 Vorzugsstimmen. Ich fühle mich diesem Mandat gegenüber verpflichtet und werde die mir vom Wähler zugedachte Aufgabe mit voller Kraft ausüben“, ließ Dornauer hingegen nunmehr wissen. Betreffend sein Mandat habe er „mit niemandem etwas zu vereinbaren – mit Ausnahme meiner Wählerinnen und Wähler.“ Ob Dornauer Vorsitzender der SPÖ Innsbruck-Land bleiben wird, blieb indes weiter unklar.
„Freue mich auf politisch-beruflich spannendes 2025“
Der Noch-Landeshauptmannstellvertreter wiederholte, dass er über Weihnachten „in mich gehen“ und dann „korrelierend“ eine Entscheidung über seine gesamte politische Zukunft treffen werde. Dabei werde er sich weder von der erwähnten „Funktionärsblase“ noch von „ein paar missgünstigen Kommentatoren und Medien“ beeinflussen lassen. Gleichzeitig machte er deutlich, dass er sein politisches Leben noch lange nicht als beendet betrachte: „Ich werde mich neu ausrichten. Ich bin ein Politiker aus Leidenschaft. Und freue mich auf ein politisch-beruflich spannendes Jahr 2025.“
Dornauer mit Androsch-Rat
Zwei Wochen vor Hannes Androschs dieswöchigem Tod – und nach der Jagd-Affäre – sei er beim Industriellen und früheren SPÖ-Finanzminister in dessen Büro am Wiener Opernring „als Freund“ zu Gast gewesen. „Ein Mandat gibt man nicht so einfach auf“, habe ihm Androsch, dessen Rat er wie bereits öfters zuvor suchte und dessen Tod ihn „tief betroffen“ machte, mit auf den Weg gegeben. Auf die Frage, ob er dies als Aufforderung und Leitschnur für sich sehe? „Wenn man das heraushören will.“ Er könne sich durchaus vorstellen sich „politisch neu zu erfinden“, so wie es in der österreichischen Politgeschichte schon öfter passiert sei.
Zur Jagd-Causa selbst wollte Dornauer nicht mehr im Detail Stellung nehmen. Nur soviel: Er habe „kein Recht gebrochen“, keine Einladung von Benko erhalten und angenommen, nicht lobbyiert, keine wirtschaftliche und politischen Verbindungen unterhalten wie andere Ex-Polit-Größen. Den Tiroler Unternehmer habe er kennengelernt, als „dessen Imperium zerbrochen war: “Ich habe einen menschlichen Ansatz verfolgt.„ Er habe einen “großen Fehler gemacht“.
Dass Dornauer den Regierungssitz und den Parteivorsitz zurückgelegt hat, „entspricht dem politischen Anstand. Ob der Entzug dieser Funktionen verhältnismäßig war, darf ich mich als Dornauer aber schon fragen“. Es gebe nicht nur Kritik, sondern auch „so viel Zuspruch wie noch nie“ aus Parteibasis und Bevölkerung – vielfach verbunden mit der Aufforderung, weiterhin politisch tätig zu bleiben. Er gehe mit „großem Wehmut“, denn er und sein Team hätten Tirol mit der ÖVP ruhig und sachlich nach vorne gebracht – und so nebenbei auch die Landes-SPÖ. Darauf sei er „stolz“. Die vergangenen Wochen seien „sehr hart“ gewesen, er habe auch buchstäblich „physisch Schmerzen“ gehabt. Es gebe auch zerbrochene persönliche und politische Freundschaften: „Man lernt Menschen von ihrer anderen Seite kennen:“
Rote „Einengung“ bei FPÖ, Dreierkoalition „weiter nicht ideal“
In der wieder virulent gewordenen Frage, wie die SPÖ in Zukunft mit der FPÖ umgeht, schlug Dornauer klare Pflöcke ein: Er sprach sich für eine Öffnung aus: Die Sozialdemokratie täte „auf Bundes- wie auf den Länderebenen gut daran, diese strategische Einengung ernsthaft zu beraten und zu überlegen“: „Man kann sich nicht auf immer und ewig der ÖVP ausliefern, was Regierungsbeteiligungen betrifft.“ Die nach wie vor geltende „Vranitzky-Doktrin“ sei aufgrund der letzten Wahlergebnisse überholt. Dass Nachfolger Wohlgemuth solchen Bündnissen eine Abfuhr erteilte, kommentierte Dornauer folgendermaßen. „Das sind einfache Sichtweisen“. Zudem müsse die SPÖ wieder eine „Catch all“-Partei werden, eine Volkspartei der breiten Mitte, die alle Bevölkerungsgruppen anspreche und am politischen Radar habe. Neuerlich scharf kritisierte der Tiroler Noch-SPÖ-Chef, dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Freiheitlichen nicht den Regierungsbildungsauftrag geben wollte: „Ich verstehe den Unmut darüber in der österreichischen Gesellschaft. Es war keine gute Entscheidung, von dieser Usance abzuweichen.“
Dass die derzeit in Verhandlung stehende Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS zustande kommen wird, glaubt Dornauer jedenfalls: „Allein die drei Parteichefs werden alles daran setzen, weil ihnen persönlich gar nichts anderes übrig bleibt.“ Aber angesichts der zähen Verhandlungen fühlte sich der SPÖ-Politiker, der sich immer gegen eine solche Dreier-Konstellation aussprach, bestätigt: „Eine solche Dreierkoalition war und ist keine ideale Regierungsform. Siehe Deutschland. Es muss zu viel Energie in Abstimmungsgespräche gesteckt werden.“ Er sei immer für einen „breiten Kurs der Mitte ohne ideologisch festgefahrene Positionierungen“ gestanden und für eine Zweierkoalition mit der ÖVP. Nun solle man aber endlich einmal rasch zu einem Ende kommen. Es müsse Schluss sein damit, dass „300 Verhandler mit ganzen Packl’n von Zetteln kreuz und quer durchs Land fahren und dann in Wien Ideen austauschen. Und der einzige, der sich die Reisekosten selber zahlt, ist der Hörl Franz (Ex-ÖVP-Abg. und Seilbahnen-Chef, Anm.)“ Der SPÖ legte Dornauer ans Herz, speziell für Finanz-, Bildungs- und Innenministerium zu kämpfen und diese einzufordern. Neue oder höhere Steuern könnten nicht der wahre Lösungsansatz sein.
Abwerzger bietet Zusammenarbeit im Landtag an
Als „sehr positiv“ bewertete indes Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger am Sonntag gegenüber der APA die Aussagen Dornauers hinsichtlich der Freiheitlichen. Gleichzeitig würden die „Chaos-Tage“ in der Tiroler SPÖ „munter weitergehen.“ „Wer ist hier der Chef? Wohlgemuth hat offenbar nichts zu sagen und landet schon vor dem Start einen Bauchfleck“, spielte Abwerzger auf die Position des künftigen Landesvorsitzenden zur FPÖ an. Sollte Dornauer Vorsitzender der SPÖ Innsbruck-Land bleiben, laufe alles auf eine „Spaltung“ der Partei hinaus. Er biete Dornauer „parlamentarische Zusammenarbeit“ im Landtag an, so der Landesparteiobmann: „Und wenn er sich in seinem linksgerichteten Landtagsklub nicht wohl fühlt, kann er sich immer gerne an uns wenden.“