Ein bisschen skurril ist es schon, dass das SPÖ-Duo Birgit Gerstorfer und Georg Brockmeyer ausgerechnet über eine Kampagne stolperten deren Slogan lautet: „Ich will dich nicht verlieren.“ Am Montag präsentiert, war am Dienstag schon klar, dass die beiden ihre Posten verlieren werden.
In einer gut zweieinhalbstündigen Sitzung hat das Parteipräsidium der SPÖ Oberösterreich das Prozedere dafür festgelegt … und Gerstorfer konnte für sich noch ein bisschen Zeit herausschlagen: Am Montag tagt der Parteivorstand, dort soll der derzeitige Klubvorsitzende Michael Lindner die Partei geschäftsführend übernehmen. Bis zum Parteivorstand am 28. Februar soll er ein Personalpaket samt Nachfolge für die Landesgeschäftsführung auf den Tisch legen. Außerdem soll dort auch ein Modell der Mitgliederbeteiligung fixiert werden.
Auf einem Parteitag im September soll Lindner dann offiziell gewählt werden. Danach soll auch der Wechsel in der Landesregierung erfolgen. Wobei er durchklingen ließ, dass er diese Aufgabe wohl selbst übernehmen werde, denn „es ist auch als Regierungsmitglied möglich, eine kantige Politik zu machen“. Grundsätzlich habe „ich großen Respekt vor der Aufgabe“, so Lindner, gezögert habe er aber nicht. Es gelte „die Sozialdemokratie weiterzuentwickeln und in das neue Zeitalter überzusetzen“.
Für Gerstorfer kam es „überraschend früh“
Gerstorfer wollte sich zum Vorgang ihrer Demontage nicht äußern, auch für Fragen stand sie nach der Pressekonferenz nicht mehr zur Verfügung. Sie habe immer gesagt, sie werde die Vorsitzführung übergeben, „wenn es gut ist für die SPÖ“ — und nun sei es eben „überraschend früh“ soweit. Sie hatte bereits zuvor signalisiert, dass sie mittelfristig ihren Platz räumen werde und auch Lindner, den sie als Klubobmann durchgesetzt hatte, als Nachfolger präferiert. Lindner habe sich von einer roten Zukunftshoffnung zur roten Zukunft entwickelt, so Gerstorfer. Der Vorschlag von ihr wurde im Präsidium auch einstimmig angenommen.
Dazu, dass sie so schnell in Ungnade gefallen ist, hat neben dem mageren Landtagswahlergebnis im Herbst wohl auch eine von der Partei in Auftrag gegeben Analyse beigetragen, laut der man das Verhältnis zu den Gewerkschaften überdenken solle.
Das Fass zum überlaufen brachte dann die SPÖ-Impfkampagne mit traurigen Kindern, die angeblich nicht mit den Funktionären abgesprochen gewesen sein soll. „Die Kampagne war nicht das richtige Mittel, um die Menschen von der Impfung zu überzeugen. Das haben wir bemerkt“, räumte Lindner ein, darum werde sie nicht fortgesetzt. Die Plakate würden in den nächsten Tagen abgenommen.
In Richtung der Gewerkschaft gab Lindner sich verbindlich: „Gewerkschaft und Partei brauchen einander gegenseitig“, so der designierte Landesparteichef, man wolle „gemeinsam den Boden für die Zukunft legen“. Dass er „mit allen wesentlichen Teilen der Landespartei gut zusammenarbeiten kann“, habe er als Klubvorsitzender bewiesen.
LH Stelzer hofft auf Weg des Miteinanders
Via Facebook meldete sich am Mittwoch Landeshauptmann Thomas Stelzer zur Wort und gratulierte zur Nominierung: „Ich hoffe, dass mit dem eingeleiteten Wechsel die SPÖ wieder stärker auf den Oberösterreichischen Weg des Miteinanders einschlägt und sie den verlängerten Wahlkampf-Stil hinter sich lässt. Gerade in dieser herausfordernden Zeit ist und bleibt die wichtigste Arbeit in der Politik weiterhin die Zusammen-Arbeit. Auch wenn Birgit Gerstorfer weiter als Landesrätin tätig ist, bedanke ich mich heute bei ihr, dass sie als Parteivorsitzende auch bei unterschiedlichen Meinungen dennoch oftmals bereit gewesen ist, Parteiinteressen hintanzustellen und gemeinsame Brücken über Parteigrenzen zu schlagen“, so der OÖVP-Chef auf Facebook.
Auch SPÖ-Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner und Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch gratulierten Lindner und dankten Gerstorfer. Sie habe die Partei „in einer Zeit übernommen, die nicht leicht war“ und sie habe „mit viel Leidenschaft dafür gesorgt, dass sozialdemokratische Kernthemen nicht ins Hintertreffen geraten“, so Rendi-Wagner. Deutsch würdigte, dass sie „bei der Rettung von Arbeitsplätzen beim Verkauf des MAN-Werks in Steyr Flagge gezeigt und sich sehr stark für die Arbeiter und Angestellten von MAN eingesetzt“ habe.
Michael Lindner mit Vier-Punkte-Programm
Lindner nutzte am Mittwoch die Gelegenheit auch, um seine künftigen politischen Schwerpunkte zu umreißen. Erstens wolle er den Wandel in den Familien begleiten: „Wenn alle Sozialpartner das Recht auf Kinderbetreuung fordern und einzig die ÖVP blockiert, dann ist es Zeit, dass sie von der Sozialdemokratie als Wirtschafts- und Familienpartei abgelöst wird.“ Zweitens sei ein Fokus die Frauenpolitik: „Was gestern die Diskussion über ,Halbe-Halbe‘ war, ist heute die Frage der unbezahlten Care-Arbeit. Deswegen fordere ich heute die nötigen Fortschritte in der Pflege und Bildung in Oberösterreich ein.“ Drittens fordert er eine höhere Besteuerung des Kapitals und viertens müsse die Spaltung durch Corona überwunden werden, er erneuerte die Forderungen nach einem Krisenkoordinator. „Das Nebeneinander statt Miteinander von Schwarz-Blau in der Regierung schadet Oberösterreich. Ich würde das als Landeshauptmann nicht akzeptieren“, so Lindner.