SPÖ-Mandatare bei Tagung mit türkischem Islamisten

Von Freistädter Gemeinderat Cansiz geleitete Alif-Jugend lud Referenten ein, der bei islamistischer Saadet-Partei gegen Zionismus hetzte

Ein rassistisches Flugblatt sorgte in Freistadt vor der Bürgermeister-Stichwahl am 10. Oktober für Empörung: „Mit Deiner Stimme für (Amtsinhaberin, Anm.) Elisabeth Teufer verhinderst Du einen türkischstämmigen Vizebürgermeister“, so der unbekannte Urheber.

Teufer verurteilte sofort die „fremdenfeindliche Botschaft“, welche nur auf SPÖ-Gemeinderat Ibrahim Cansiz gemünzt sein konnte. Der hatte bei der Wahl im September die meisten Vorzugsstimmen (110) erhalten, 23 mehr als der künftige Bürgermeister Christian Gratzl. Cansiz war ob der rassistischen Attacke „zutiefst erschüttert“.

Umso mehr verwundert ein Event mit einem rassistisch angehauchten Referenten am Vorabend der Bürgermeister-Stichwahl. Da tagte in St. Gilgen am Wolfgangsee die Jugendsektion der „Austria Linz Islamische Föderation“ (Alif).

Neben Alif-Chef Resul Koca, einem Islam-Religionslehrer im Bezirk Perg, referierte dort Turgut Akin. Von diesem gibt bzw. gab es auf Facebook zwei Profile, eines mit Wohnsitzangabe Ankara, das andere mit Linz. Akin kandidierte im März 2019 bei den Kommunalwahlen in Ortaköy (Provoinz Aksaray) für die islamistische Saadet-Partei — erfolglos — als Bürgermeister. Das Facebook-Profil mit den entsprechenden Einträgen ist seit Montag nicht mehr zugänglich.

„Kampf gegen Zionismus“

Die Saadet-Partei schlug in der Vergangenheit immer wieder nationalistische, islamistische und antisemitische Töne an. Auch Akin sonderte Einschlägiges ab. „Unser Kampf gegen Zionismus und Imperialismus geht weiter“, twitterte er am 3. November 2019 vom 7. Saadet-Kongress in Ankara. Drei Wochen später: „Ich konnte es nicht verstehen, mich mit einfachen Problemen zu befassen, wenn es ein großes Problem wie den Zionismus gab.“ Auch dieser Tweet wurde nach Beginn der VOLKSBLATT-Recherchen gelöscht.

Vorzugsstimmenkaiser und Alif-Jugendchef Cansiz (l.) mit Freistadts künftigem Bürgermeister Gratzl. ©Facebook (Screenshot)

Akin ist bzw. war auch aktiv bei der türkischen Jugendorganisation Anadolu Gençlik Dernegi (AGD). Diese hat 2019 mit einem Plakat für Empörung gesorgt, das Muslime mit einer Koransure vor Freundschaft mit Christen und Juden warnte.

Im März bejubelte Akin auf Twitter den — auch von der SPÖ scharf kritisierten — Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention für Frauenrechte. Er fand nur, Präsident Recep Tayyip Erdogan hätte dies früher tun sollen.

Gelöschte Akin-Tweets: „Kampf gegen Zionismus und Imperialismus geht weiter…“ ©Facebook (Screenshot)

 

„Zionismus ein großes Problem…“ ©Facebook (Screenshot)
©Facebook (Screenshot)

Dieser Mann referierte also am 9. Oktober vor der Alif-Jugend. Deren Vorsitzender: Freistadts Vorzugsstimmenkaiser Ibrahim Cansiz. Er war nicht der einzige SPÖ-Politiker bei dem Treffen. Auch der Attnang-Puchheimer Gemeinderat Kadir Arslan lauschte dem Vortrag des Zionismus-Bekämpfers.

SPÖ droht Journalisten

Cansiz und Arslan, vom VOLKSBLATT schon vor acht Tagen mit Akins Tweets konfrontiert, ließen alle Fragen zum St. Gilgener Event unbeantwortet. Es meldete sich lediglich der Freistädter SPÖ-Fraktionschef Julian Payrleitner mit der Androhung einer Beschwerde wegen Belästigung, sollten seine beiden Genossen weiter mit telefonischen Anfragen konfrontiert werden.

Gerstorfer schweigt

Auch Attnang-Puchheims Bürgermeister Peter Groiß wollte nichts sagen und verwies auf die Landes-SPÖ. Die Anfrage an Landesvorsitzende Birgit Gerstorfer blieb ebenso unbeantwortet.

Während die hektische Löschaktion auf Akins Twitter- und Facebook-Accounts ein aufkommendes Problembewusstsein vermuten ließ, rang sich die SPÖ-Freistadt am Dienstag doch zu einem dürren Statement durch: „Herr Cansiz distanziert sich klar von Extremismus in jeglicher Form“, so Fraktionsobmann Payrleitner. Cansiz habe „seit sechs Jahren hervorragende Arbeit für Freistadt geleistet und werde das auch in den nächsten sechs Jahren tun.“

Ob sich Cansiz konkret vom St. Gilgener Referenten distanziert und was der künftige Bürgermeister Gratzl vom Alif-Engagement seines Parteifreundes hält, bleibt jedoch offen. Die Facebook-Seite der Alif-Jugend zierten jedenfalls am Dienstag noch immer zahlreiche Fotos vom Treffen mit dem „antizionistischen“ Gast.

Von Manfred Maurer

„Saadet“ kurz erklärt:

Die türkische Partei Saadet (Glückseeligkeit) ist eine Gründung des 2011 verstorbenen türkischen Ex-Premiers Necmettin Erbakan, auf den auch die in Bayern als „verfassungsfeindliche Organisation“ eingestufte Milli-Görüs-Gemeinschaft (IGMG) zurückgeht. Erbakan war überzeugt, dass „die Juden seit 5700 Jahren die Welt regieren“.

Er propagierte den Kampf gegen die westliche und für die Schaffung einer islamischen Ordnung. Für die Austria Linz Islamische Föderation (Alif), die sich selbst als „Regionalorganisation der IGMG in Oberösterreich und Salzburg“ bezeichnet, ist Erbakan ein „großer islamischer Vordenker und Gelehrter“. In der Vergangenheit bestritt Alif jegliche Nähe zur Saadet-Partei. Ein früherer Anführer des Saadet-Ablegers in Oberösterreich wurde 2018 wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verurteilt.

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