Das Verbot der Suizidhilfe bleibt aufrecht. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) kam in einem Verfahren zum Schluss, dass das Verbot nicht gegen die Verfassung verstößt. Gleiches gilt für das Sterbeverfügungsgesetz und die darin geregelten Voraussetzungen, unter denen eine Person Hilfe zur Selbsttötung in Anspruch nehmen kann. Verfassungswidrig ist aber das aufwändige Verfahren, das nach Ablauf der Gültigkeitsdauer von einem Jahr für eine neue Verfügung durchlaufen werden muss.
Der VfGH hatte sich nach mehreren 2023 von einem Verein und vier Personen – darunter zwei Schwerkranke und ein Arzt – eingebrachten Anträgen erneut mit der Sterbehilfe auseinandergesetzt. Die Antragsteller argumentierten unter anderem, durch die vorgeschriebenen „zeitraubenden und kostspieligen“ Formalitäten werde leidenden Menschen ein rascher, begleiteter und selbstbestimmter Tod unter Inanspruchnahme der Hilfe Dritter praktisch unmöglich gemacht.
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Aufwändiges Verfahren zur Sterbeverfügung
Seit 2021 gilt das Sterbeverfügungsgesetz. Dieses wurde erlassen, nachdem der VfGH auf Antrag von u.a. denselben zwei Schwerkranken einen Teil des damals geltenden Straftatbestandes des Verbrechens der Mitwirkung an der Selbsttötung als verfassungswidrig aufgehoben hatte. Wer sein Leben selbst beenden möchte, kann nun unter bestimmten Voraussetzungen eine Sterbeverfügung errichten.
Dafür muss die sterbewillige Person an einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit oder an einer schweren, dauerhaften Krankheit mit anhaltenden Symptomen leiden. Eine Sterbeverfügung ist schriftlich vor z.B. einem Notar zu errichten. Davor muss eine Aufklärung durch zwei Ärzte erfolgen, die unabhängig voneinander bestätigen, dass die sterbewillige Person entscheidungsfähig ist und einen freien und selbstbestimmten Entschluss gefasst hat. Eine wirksame Sterbeverfügung ermöglicht es der sterbewilligen Person, zum Zweck der Selbsttötung von einer öffentlichen Apotheke ein tödliches Präparat zu beziehen.
Mit der Erlassung des Sterbeverfügungsgesetzes wurde der Straftatbestand der „Mitwirkung an der Selbsttötung“ neu gefasst: Wer einer anderen volljährigen Person physisch hilft, sich selbst zu töten, ist weiterhin mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen, es sei denn, die andere Person leidet an einer schweren Krankheit und wurde entsprechend ärztlich aufgeklärt und die Hilfeleistung erfolgt ohne verwerflichen Beweggrund.
Ärztliche Aufklärung und Wartefrist rechtens
Das Sterbeverfügungsgesetz schafft in Verbindung mit dieser Neufassung Rechtssicherheit für Hilfe leistende Dritte, stellte der VfGH in seiner Entscheidung fest. Diese Hilfeleistung ist bereits dann straflos, wenn die sterbewillige volljährige Person an einer unheilbaren tödlichen oder schweren dauerhaften Krankheit leidet, nach dem Sterbeverfügungsgesetz ärztlich aufgeklärt worden ist und die Hilfe nicht aus einem verwerflichen Beweggrund erfolgt. Eine wirksame Sterbeverfügung muss aber nicht vorliegen.
So sei es zulässig, dass die sterbewillige Person nur dann die Hilfe eines Dritten in Anspruch nehmen dürfe, wenn sie schwer krank sei. Diese Einschränkung verstößt laut VfGH nicht gegen das Recht auf freie Selbstbestimmung. Verfassungsrechtlich unbedenklich sei auch die verpflichtende Aufklärung durch zwei Ärzte, wovon einer eine palliativmedizinische Qualifikation aufweisen muss. Diese Regelung soll sicherstellen, dass die Person eine informierte Entscheidung treffen kann. Ebenso zulässig ist es, dass die Sterbeverfügung frühestens zwölf Wochen nach der ersten ärztlichen Aufklärung errichtet werden kann (außer im Endstadium einer Krankheit). Auch diese Regelung diene dem Zweck, sicherzustellen, dass die Entscheidung der sterbewilligen Person auf einem dauerhaften Entschluss beruht.
Erneutes Prozedere nach einem Jahr rechtswidrig
Zwölf Monate nach ihrer Erstellung wird die Sterbeverfügung unwirksam. Nicht gerechtfertigt sei jedoch, dass die sterbewillige Person das gesamte im Gesetz vorgesehene, aufwändige Prozedere für eine neuerliche Sterbeverfügung ein zweites Mal durchführen muss. Der VfGH hat daher die entsprechende Passage aufgehoben, dies tritt mit 1. Juni 2026 in Kraft.
Teilweise verfassungswidrig ist auch das Verbot der Werbung für die Hilfeleistung zur Selbsttötung. Verboten sein sollte nämlich nur das „Anpreisen“ dieser Leistung – derzeit steht es aber auch unter Strafe, eigene oder fremde Hilfeleistung oder Mittel, Gegenstände oder Verfahren die zur Selbsttötung geeignet sind, unter Hinweis auf die Eignung anzubieten oder anzukündigen. Das verstoße gegen das Menschenrecht der Freiheit der Meinungsäußerung, weshalb die Wortfolge „anbietet, ankündigt oder“ ebenfalls vom VfGH aufgehoben wurde.
ÖVP und Grüne sehen sich bestätigt
Vertreter der für das Sterbeverfügungsgesetz verantwortlichen schwarz-grünen Bundesregierung zeigten sich durch die Entscheidung des VfGH bestätigt. „Das Sterbeverfügungsgesetz wurde mit viel Fingerspitzengefühl und Respekt vor den unterschiedlichsten Lebenssituationen und Überzeugungen erarbeitet. Es trägt durch entsprechende Vorschriften dem Schutz des Lebens Rechnung“, sagte ÖVP-Verfassungsministerin Karoline Edtstadler in einer Aussendung.
Ähnlich auch der Grüne Gesundheitsminister Johannes Rauch: „Das Sterbeverfügungsgesetz ermöglicht dauerhaft schwerkranken oder unheilbar kranken Personen, ihr Leben nach einem freien und selbstbestimmten Entschluss zu beenden. Damit ist die Bundesregierung dem Grundrecht auf Selbstbestimmung nachgekommen.“ Die vom VfGH vorgenommenen Abwägungen könne er nachvollziehen und begrüße diese. „Es ist für unheilbare kranke Personen eine Erleichterung, dass Sterbeverfügungen über die Dauer eines Jahres hinaus gültig bleiben und nicht erneuert werden müssen. Auch die Möglichkeit, Informationen zur Verfügung zu stellen, wird präzisiert und damit erleichtert.“