Vergleichende „Wissenschaft“

Wie Politologen versuchen, Politischen Islam als harmlos wie politisches Christentum darzustellen

Mit einem Vergleich, den er nicht als solchen verstanden wissen wollte, hat Farid Hafez kürzlich für Empörung gesorgt. Der Salzburger Politologe nannte die — auch ihm eine Hausdurchsuchung beschert habende — „Operation Luxor“ gegen mutmaßliche Muslimbrüder in einem Atemzug mit den Pogromen der „Kristallnacht“ 1938.

„Politisches Christentum Nährboden für Terror“

Ein anderer Vergleich sorgte für weniger Aufsehen, hinkt aber ebenso gewaltig. Nach dem Wiener Anschlag hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) dieses gesagt: „Der politische Islam ist oft ein Nährboden für terroristische Anschläge. Dagegen müssen wir entschieden vorgehen!“ In einem Facebook-Post ersetzte Hafez den Begriff „Islam“ einfach durch „Christentum“.

Die Botschaft: Wer den Politischen Islam verteufelt, muss auch gegen politisch engagierte Christen vorgehen. Oder umgekehrt: Wem politisches Christentum gefällt, der sollte auch mit dem Politischen Islam klein Problem haben. Dass in Österreich gerade ein Islamist einen Vierfachmord begangenen hatte, während politisierende Christen eher nicht zu Terror neigen, tat dem Hang des wissenschaftlichen Propagandisten zum Vergleich keinen Abbruch.

„Muslimbruderschaft ein Islam-Pendant zur ÖVP“

Warum auch? Sein Chef an der Uni distanzierte sich zwar vom Kristallnacht-Vergleich, die Gleichsetzung von Politischem Islam und Christentum vertritt aber auch Reinhard Heinisch, Leiter des Fachbereichs Politikwissenschaft und Soziologie der Uni Salzburg. „Wieso soll Islam nicht politisch sein, die ÖVP ist ja auch aus dem politischen Katholizismus hervorgegangen“, meinte Heinisch in einer Korrespondenz mit dem VOLKSBLATT und legte noch ein Schäuferl nach, indem er sogar die Muslimbruderschaft in seinen verharmlosenden Vergleich einbezog: Er sei zwar kein Experte bezüglich der Muslimbruderschaft, bekennt der ZiB-Sehern als Amerika-Erklärer bekannte Professor, er wisse aber, dass die Muslimbruderschaft „im Prinzip das muslimische Pendant zu den christlichen Volksparteien in Europa (war)“. Sie habe sich erst „durch ihre Verfolgung durch westlich oder sowjetisch unterstützte Diktaturen radikalisiert“.

Dem widerspricht die Wiener Politologin Nina Scholz energisch: „Die Muslimbruderschaft hat sich nicht durch Verfolgung radikalisiert.“ Die Idee der Gewalt als Mittel des Dschihads sei von Anfang in den theoretischen Konzepten angelegt gewesen. Spätestens Anfang der 1940er Jahre hätten die Muslimbrüder über einen militärischen Arm verfügt, den sogenannten „Geheimen Apparat“, der sowohl in die Kämpfe in Palästina eingriff als auch Anschläge in Ägypten verübte. „Letzteres führte zur Verfolgung der Bruderschaft, nicht umgekehrt“, so die Islamismus-Expertin und Co-Autorin des Buches „Alles für Allah: Wie der politische Islam unsere Gesellschaft verändert“.

Politisches Engagement steht auch Muslimen zu

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Den Versuch, den Politischen Islam mit politischem Christentum gleichzusetzen, weist auch der Islam-Theologe Mouhanad Khorchide entschieden zurück. Für den Leiter des wissenschaftlichen Beirates der Dokumentationsstelle Politischer Islam ist das beobachtete Phänomen „nicht zu verwechseln mit einer politischen Partizipation bzw. einem gesellschaftlichen Engagement der Muslime“. Nicht jede Form von Partizipation oder Engagement sei problematisch.

Politischer Islam ist eine Herrschaftsideologie

So sei ein religiös motivierter Einsatz von Muslimen für Umweltschutz, für Frauenrechte oder Solidarität mit Armen und Bedürftigen sogar im Sinne demokratischer Prinzipien und des gesellschaftlichen Friedens, betont Khorchide und verweist auf das christliche Pendant der Sozialethik. Politischer Islam will aber etwas ganz anderes. Dieser sei, so Khorchide, „eine Herrschaftsideologie, die die Umgestaltung beziehungsweise Beeinflussung von Gesellschaft, Kultur, Staat oder Politik anhand von Werten und Normen anstrebt, die von deren Verfechtern als islamisch angesehen werden, die aber im Widerspruch zu den Grundsätzen des demokratischen Rechtsstaates und den Menschenrechten stehen“.

Zumindest hierzulande wird man politischen Christen kein gestörtes Verhältnis zur Demokratie (mehr) nachsagen können.

Von Manfred Maurer