Trotz eines Anschlags auf eine nahegelegene Fabriksanlage des Mineralölkonzerns Aramco hält die Formel 1 an der Austragung des Grand Prix von Saudi-Arabien fest. Darauf einigten sich die Teams in einem Sondermeeting am Freitagabend. „Das ist vermutlich der sicherste Ort, an dem man momentan in Saudi-Arabien sein kann. Darum werden wir fahren“, sagte Mercedes-Teamchef Toto Wolff auf „Sky“.
Wolff betonte, dass zwischen den Teamchefs Einigkeit über die Entscheidung geherrscht habe. „Es war ein gutes Meeting. Die Fahrer sprechen jetzt im Fahrermeeting, und uns Teamchefs wurde versichert, dass wir hier geschützt sind.“
Zum Ende der ersten Einheit hatten eine Explosion und eine große Rauchwolke wenige Kilometer entfernt für Aufregung im Fahrerlager gesorgt. Jemenitische Huthi-Rebellen hatten nach eigenen Angaben bei einer weiteren Raketen-Attacke erneut eine Anlage des Ölkonzerns ins Visier genommen. Die Rauchschwaden waren auch von der Strecke aus zu sehen. Auf sozialen Netzwerken kursierten Videos von weiteren Explosionen in Jeddah.
„Uns wurde von der Regierung die Versicherung gegeben, dass es hier sicher ist zu fahren“, sagte Haas-Teamchef Günther Steiner auf ServusTV nach einem Meeting der Team-Manager und Fahrer mit der FIA und dem lokalen Veranstalter. „Wir haben nach dem Training noch einmal eine Besprechung mit den Autoritäten, mit den Ministern.“ Er fühle sich aktuell sicher, so Steiner. „Wenn ich mich nicht sicher fühlen würde, wäre ich auch nicht hier.“
„Eine Drohne, die angeblich vom Jemen abgeschickt wurde, ist durch das Sicherheitssystem durchgedrungen“, berichtete Red Bulls Konsulent Helmut Marko. Auch er meinte, „dass es das Richtige ist“, den Grand Prix stattfinden zu lassen. Marko erwartete aber ebenfalls noch „von offizieller Seite eine Erklärung“, „wie die Sicherheit gewährleistet werden kann“.
Der Zeitpunkt des Angriffs auf eine Anlage eines Großsponsors der Formel 1 ist wohl kein Zufall. „Wir sind völlig unerwartet in diese Situation gekommen. Ich glaube, dass von diesen Terroristen bewusst der Grand Prix ausgesucht wurde, weil sie dadurch die größte Publicity kriegen“, sagte Marko.
Zumindest das sportliche Geschehen rückte in den Hintergrund. Bahrain-Sieger Charles Leclerc gab auch auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke von Jeddah das Tempo vor. Zweimal verwies der Ferrari-Pilot aus Monaco den Weltmeister Max Verstappen im Red Bull auf Platz zwei.
Allerdings mussten Leclerc und sein drittplatzierter Teamkollege Carlos Sainz im zweiten Freien Training vorzeitig ihre beschädigten Autos abstellen, nachdem sie jeweils leicht die Streckenbegrenzung touchiert hatten. Verstappen war da 14 Hundertstelsekunden langsamer als Leclerc. Lewis Hamilton hatte in seinem Mercedes 0,439 Sekunden Rückstand. Gleich elf Autos lagen innerhalb von einer Sekunde.
Erst am vergangenen Sonntag hatten Huthi-Rebellen Angriffe gegen Saudi-Arabien mit einer Rakete und Drohnen gestartet. Dabei war auch eine Anlage von Aramco in Jeddah getroffen worden, an einem Öltank brach Feuer aus.
Saudi-Militärkoalition fliegt Vergeltungsangriffe im Jemen
Nach dem Angriff von Houthi-Rebellen auf das Nachbarland Saudi-Arabien hat Riad mehrere Luftangriffe im Jemen geflogen. Es seien Angriffe „gegen Bedrohungsquellen in Sanaa und Hodeida“ vorgenommen worden, um Angriffe der Rebellen in Saudi-Arabien zu vergelten, schrieb die offizielle saudi-arabische Nachrichtenagentur SPA in der Nacht auf Samstag auf Twitter unter Berufung auf die von Riad angeführte Militärkoalition.
Houthi-Rebellen hatten am Freitag mehrere Ziele in Saudi-Arabien attackiert. Der Angriff auf eine Anlage des saudi-arabischen Ölkonzerns Aramco in Jeddah löste einen Großbrand nahe der Formel-1-Rennstrecke in der Stadt aus, auf der am Sonntag der Große Preis von Saudi-Arabien stattfinden soll. Über der Öl-Anlage in Jeddah stieg eine riesige Rauchwolke auf. Der Angriff ereignete sich während des freien Trainings für das Formel-1-Rennen. Der Geschäftsführer der Rennserie, Stefano Domenicali, informierte die Teamchefs und Fahrer bei einem Krisentreffen darüber, dass „das Rennwochenende wie geplant fortgesetzt wird“, wie ein Sprecher sagte.
Nach Angaben eines Sprechers der von Riad angeführten Militärkoalition im Jemen, Turki al-Maliki, führten die Houthi-Rebellen insgesamt 16 Angriffe auf Ziele in Saudi-Arabien aus und attackierten unter anderem ein Kraftwerk und mehrere Öl-Anlagen. Das Feuer in Jeddah sei unter Kontrolle gebracht worden, sagte al-Maliki.
Die Houthi-Rebellen erklärten, sie hätten bei der Angriffsserie mit Raketen und Drohnen auch mehrere „wichtige Einrichtungen“ in der Hauptstadt Riad attackiert.
Mit ihren Angriffen auf Öl-Anlagen versuchten die Houthis, „den Nerv der Weltwirtschaft zu treffen“, sagte al-Maliki. Saudi-Arabien ist der größte Öl-Exporteur der Welt. Ein Vertreter des saudischen Energieministeriums warnte am Freitag vor der Bedrohung, die diese Angriffe „für die Sicherheit der weltweiten Ölversorgung“ darstellten.
Die USA bezeichneten die jüngsten Angriffe am Freitag als „inakzeptabel“. „Wir werden weiterhin mit unseren saudischen Partnern zusammenarbeiten, um ihre Verteidigungssysteme zu stärken, während wir auf eine dauerhafte Lösung zur Beendigung des Konflikts im Jemen hinarbeiten“, sagte eine Sprecherin des US-Außenministeriums.
Auch das Auswärtige Amt in Deutschland verurteilte die Angriffe der Houthis „auf das Schärfste“. Die erneuten Attacken „verletzen das humanitäre Völkerrecht und untergraben die regionale Stabilität, indem sie eine weitere Eskalation provozieren. Angriffe auf zivile Ziele sind durch nichts zu rechtfertigen“, erklärte eine Sprecherin des Außenministeriums in Berlin.
Die jemenitische Miliz nimmt regelmäßig Ziele im Nachbarland ins Visier. Am vergangenen Wochenende attackierten die Rebellen ein Ölterminal in Jizan sowie eine Gasanlage und eine Ölraffinerie in der am Roten Meer gelegenen Industriestadt Yanbu. Die Raffinerie musste ihre Produktion vorübergehend reduzieren.
Im Jemen herrscht seit 2015 Krieg zwischen den von Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und anderen arabischen Staaten unterstützten Truppen von Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi und den vom Iran unterstützten Houthi-Rebellen. In dem Konflikt wurden nach UN-Angaben bereits rund 380.000 Menschen getötet, Millionen weitere mussten flüchten.
Verstappen roch Explosion aus dem Cockpit
Auch Formel-1-Weltmeister Max Verstappen roch kurz vor Ende des 1.-Freien-Trainings zum Großen Preis von Saudi-Arabien in Jeddah „etwas Verbranntes“ und fragte per Funk sein Team, ob sein Auto brennt.
Nein, gab ihm der Kommandostand zurück und auch sonst qualmte kein Formel-1-Bolide.
Auf TV-Bildern ist bei der Anfahrt der Autos auf Kurve 1 allerdings eine schwarze Rauchwolke zu erkennen – im Netz kursieren Meldungen über einen Drohnen-Anschlag auf eine Öl-Anlage des Formel 1 und Aston-Martin-Sponsors Aramco.