Rektoren für kürzere Ausbildung fürs Lehramt

Der akute Lehrermangel beschäftigt die Leiter der beiden Linzer Pädagogischen Hochschulen

Passend zur Halbzeit der Sommerferien in Oberösterreich sprach das VOLKSBLATT mit den Vertretern aus dem Bildungsbereich über Lehren, die man aus dem vergangenen Schul- und Studienjahr ziehen muss und mit welchem Gefühl sie auf das bevorstehende Jahr blicken. Im Gespräch stellten sich die beiden Rektoren, Walter Vogel (Pädagogische Hochschule OÖ, im linken Bild) und Franz Keplinger (Private Pädagogische Hochschule der Diözese Linz), den Fragen.

VOLKSBLATT: Mit welchem Gefühl blicken Sie auf das abgelaufene Studienjahr zurück?

VOGEL: Es war für uns alle kein normales Jahr. Damit auch kein normales Jahr an den Universitäten, den Pädagogischen Hochschulen oder Schulen. Wir haben uns bemüht, viel Normalität in das Jahr hineinzubringen und ich glaube, das ist es, was bleiben wird. Es ist trotz aller Umstände viel ermöglicht worden.

KEPLINGER: Ich blicke auf jeden Fall mit einem besseren Gefühl als im Jahr davor darauf zurück. Wir sind eigentlich ganz normal in den Herbst gestartet, bis dann doch die Corona-Zahlen wieder rasant angestiegen sind. Der Schock war aber nicht mehr so groß, weil wir schon Erfahrung hatten. Wir hatten uns gut gerüstet. Als PHs hatten wir auch den Vorteil, autonom über unsere Maßnahmen entscheiden zu können.

Wie war das konkret?

VOGEL: Wir hatten jeden Freitag einen Austausch mit dem Sektionschef. Da gab es lediglich Empfehlungen für den Umgang mit der jeweiligen Situation. Und das macht auch Sinn. Denn die Voraussetzungen jeder Einrichtung sind anders. Manche konnten leicht Corona-Eingangskontrollen machen, weil sie nur einen oder zwei Eingänge haben. Andere Institutionen haben sechs, sieben oder noch mehr Eingänge auf den Campus, da sind Kontrollen nicht zielführend. Deswegen war bzw. ist die Autonomie hier richtig gewesen. Die Voraussetzungen sind halt komplett andere.

Wie wirkte sich die Corona-Krise generell auf das Studium aus? Lief alles reibungslos?

KEPLINGER: Natürlich waren kurzfristige Entscheidungen der Regierung oft schwierig, aber alles in allem sind wir gut durch die Zeit gekommen. Ich meine, wir haben eine gute Mischung aus Präsenzvorlesungen und Distance-Learning gefunden.

Distance-Learning: Ein Trend der bleiben wird?

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KEPLINGER: Ja, ich denke das die Präsenzform in der heutigen Art und Weise nicht mehr zeitgemäß ist. Es wird künftig sicher vermehrt gemischte Angebote geben.

VOGEL: Bei uns kann man schon jetzt Volksschullehrer über ein Fernstudium werden. Meine Meinung ist, dass mehr Angebot, zugeschnitten auf die Lebenssituation der Studierenden, in einer Zeit, wo es ohnehin an Lehrkräften mangelt, dazu führt, dass es mehr Absolventen gibt. Natürlich kann man den Skikurs nicht von zuhause aus abhalten, aber es gibt genug andere Fächer, wo Distance-Learning Sinn ergibt.

Kommen wir zu einem sehr wichtigen Thema, dem Lehrermangel. Wie sieht es mit dem „Nachwuchs“ aus? Gibt es denn genug Studierende?

VOGEL: Das ist natürlich im Moment keine angenehme Situation. Aber Schwankungen gab es schon in der Vergangenheit. Nun befinden wir uns wieder einmal in so einem Tal. Dass sich die Situation da und dort verschärft hat, hat unterschiedliche Gründe. Wir haben zum Beispiel demographisch gesehen rund 20 Prozent weniger 18-Jährige im Vergleich zu vor zehn Jahren. Das, kombiniert mit einer größeren Pensionierungswelle, ist für diese Situation verantwortlich. Aber dieses Problem haben auch viele andere Branchen, wie Gastronomie, Pflege, usw. Der Beruf des Pädagogen ist bekannt. Wir können aber auch noch weitere Studierende aufnehmen. Da sind wir noch nicht an unseren Kapazitätsgrenzen. À la longue müssen wir uns aber anstrengen, mehr Lehrer in die Klassen zu bringen.

KEPLINGER: Wir können immer mehr Studierende gebrauchen (lacht). Die Zahl der Studienanfänger ist zum Glück seit Jahren konstant. Hauptursachen für den Mangel sind ja andere. Zum einen die längere Studiendauer, womit wir eine Zeit lang keine neuen Lehrer einstellen konnten. Und zum anderen die Pensionswelle der Babyboomer-Generation, die uns jetzt voll trifft. Man hätte das wohl früher erkennen können und müssen.

Wie sehen Sie die verlängerte Studiendauer?

VOGEL: Man hat zum einen die Akademisierung vorangetrieben, was gut ist. Es ist jetzt der Master für das Volksschullehramt Normalität. Man hat aber mit dieser Form „4+2“ Jahre (Dauer für Bachelor+Master, Anm.) eine doch unübliche Studienstruktur bzw. -architektur gewählt. Meine bevorzugte Variante wäre eine 3+2 Form, auf die wir in absehbare Zeit wechseln sollten.

Muss mehr für den Beruf geworben werden?

KEPLINGER: Absolut. Die Lehrer bekamen vor allem in der Krisenzeit oft viel Ärger ab. Manchmal ist das in ein Lehrerbashing ausgeartet, dass ich gar nicht mehr verstanden habe. Da würde ich mir mehr Respekt und Anerkennung wünschen. Was die Werbung betrifft: Wir haben noch nie so viel wie heuer für Werbung ausgegeben. Ich hoffe das fruchtet.

VOGEL: Der Lehrberuf ist ein toller Beruf, der besser ist, als er oft dargestellt wird.

Viele sehen Quereinsteiger als Lösung für den Lehrermangel …

VOGEL: Wir haben da ja seit Jahrzehnten gute Erfahrungen aus der Berufspädagogik. Jeder Berufsschullehrer kommt ja aus dem Berufsleben. Gleiches gilt für die HTLs. Dem stehe ich also grundsätzlich positiv gegenüber. Für die anderen Schulstufen wird es ein Weg sein, kleinere Löcher zu stopfen, aber es wird nicht der Standardweg sein. Das Umsteiger-Angebot an der PH wird derzeit natürlich nicht in Scharen angenommen, aber es melden sich jedes Jahr mehr zu dem Studium an.

KEPLINGER: In der jetzigen Situation hilft uns alles. Auch hier haben wir Hochschulen ein attraktives Angebot, bei dem vor allem Akademikern bereits viel angerechnet wird. Realistisch gesehen sind Quereinsteiger aber nur ein kleiner Teil der Lösung.

Was braucht es dann?

KEPLINGER: In erster Linie eine Reduktion der Studiendauer. Zwölf Semester sind zu lang. Zehn sind Standard. Jetzt zu verkürzen wäre nur eine mittelfristige Lösung. Denn auch zehn Semester bedeuten fünf Jahre Ausbildung und bringt uns jetzt (noch) keine neuen Lehrer.

Und so müssen wir derzeit Studierende zum Unterrichten in die Schule schicken …

VOGEL: Da bin ich sehr direkt. Ich halte gar nichts davon, wenn Studierende zu früh in die Schulen gehen. Das hat einen kontraproduktiven Effekt. Ich plädiere stark dafür, dass sie in den ersten vier bis sechs Semestern nicht unterrichten. Weil sie erst danach so fit sind, dass sie die pädagogischen Lehren umsetzen können. Viele brechen das Studium sonst auch ab, womit man das Problem dann noch weiter prolongiert. Es hat ja einen Sinn, dass man zuerst einmal hospitiert, sich vorbereitet, mit Lehrern dann austauscht und reflektiert. Das alles fehlt, wenn sie zu bald unterrichten.

KEPLINGER: Hätten wir keine Krise, würde ich das auch sehr kritisch sehen. Denn auch ich wünsche mir fertige, gut ausgebildete Pädagogen für unsere Schüler. Wer erst im zweiten Semester ist, ist kein Profi. Aber ich sehe angesichts der Lage derzeit auch keine andere Möglichkeit. Optimal ist es aber nicht.

Ab Herbst gibt es mit „Digitaler Grundbildung“ und „Ethik“ zwei neue Pflichtfächer. Wie dringend nötig waren bzw. sind diese Fächer?

KEPLINGER: Ich war einer der ersten Ethik-Lehrer in ganz Österreich. Seither trete ich für die Einführung des Faches ein. Nach rund 25 Jahren hat es endlich geklappt (lacht). Und was die „Digitale Grundbildung“ betrifft: Das Fach darf nicht zu technisch werden. Wir brauchen kein zweites „Informatik“. Sicheres Surfen im Netz, seriöse Quellen erkennen, usw. — all das darf nicht untergehen. Wir sind bei beiden Fächern sehr froh, sie auch auf der PH anbieten zu können.

VOGEL: Ich finde das ungemein wichtig. Langfristig wird das Thema Digitalisierung noch viel größer werden. Unsere Kinder sind ja schon mit sechs Jahren am Handy. Die Lehrgänge sind sehr spannend aufgebaut. Wir verzeichnen einen Riesenandrang, den wir gar nicht bewältigen können. Wir haben deshalb geschaut, dass wir in jeder Schule zumindest ein bis zwei Lehrer ausbilden können. Auch das Thema „Ethik“ ist ein ganz wichtiges, da es dabei ja vor allem um das soziale Zusammenleben geht.