Schubert — mitten ins Herz

Michi Gaigg & L‘ Orfeo Barockorchester beim Attergauer Kultursommer

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schubert.jpg © Haunold

Adäquat der explosiven Wetterlage über dem Attersee als Vorprogramm stürzten sich 39 Musikerinnen und Musiker und deren Primaria in die Einleitung der ,,Großen C Dur“ D 944. Was dann in 63 Minuten dieses für seine ,,Himmlischen Längen“ oft verkannte Spätwerk Schuberts über das Publikum in der übervollen Pfarrkirche St. Georgen beim Attergauer Kultursommer hereinbrach war ein zu Klang gewordener Thriller, der in voller Konsequenz (fast) alle Hörgewohnheiten hinwegfegte.

Das begann schon bei der Tempowahl. Höchstmögliche Kontraste, das geforderte vivace in den schnellen Abschnitten stellte nicht nur die exzellenten Streicher vor schon grenzwertige Anforderungen des „gerade noch Spielbaren“. Demgegenüber das con moto im genialen langsamen Satz, dezent vorwärtsstrebend, das so eine Leichtigkeit und Duftigkeit atmete, die tief berührte.

Eine Besonderheit auch das Dirigat der Michi Gaigg. Eher gleicht das „Motivation durch Bewegung“, Zeichnen von Bögen und Phrasierung, ohne Taktstock natürlich.

Ein kluger Schachzug die berühmte „Unvollendete“, die h-Moll Sinfonie des 25-jährigen Schubert im zweiten Teil erklingen zu lassen. ,,Klang“ ist das Zauberwort für diese Spielart.

Welch Farbenreichtum, all die Schattierungen, in der Dynamik oft völlig zurückgenommen, aus dem sich dann Soli von Klarinette oder Oboe mit aller Raffinesse entfalten.

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Eine Delikatesse mit wieviel Hingabe hier Begleitfiguren der Mittelstimmen formuliert werden. Selbst nach fast 50 Jahren Praxis am Werk als Interpret und Zuhörer erschließen sich Ihrem Rezensenten nie bemerkte Details, dem Genie des Schöpfers zu verdanken.

So manches wirkt durchaus überraschend, in seiner Konsequenz auch ungewohnt, und doch ist es absolut partiturgestützt. Derart realisiert, zeigt sich ein Schubertbild, das durchaus Licht am Ende aller zu Herzen gehenden Betroffenheit bereithält.

Auf schier endlose Momente totaler Stille folgte grenzenloser Jubel, den Michi Gaigg in ihrer so wunderbaren, uneitlen Art beendete: „Diese letzten Töne sind im Himmel, wir können da keine Zugabe mehr spielen!“

Von Heinz Haunold