Frau Doktor Jahl will ihren Gegnerinnen Schmerzen bereiten

Die Oberösterreicherin tritt nach Paris ihr praktisches Jahr im Krankenhaus an – hoffentlich mit Medaille

Taek-won-do-Kämpferin Marlene Jahl will bei ihrem Olympia-Debüt den Durchblick bewahren.
Taek-won-do-Kämpferin Marlene Jahl will bei ihrem Olympia-Debüt den Durchblick bewahren. © ÖOC

Marlene Jahl wird vorschriftsgemäß ohne ihren Nasenring in das olympisches Taekwondo-Turnier gehen, würde aber gern mit Schmuck um den Hals wieder aus dem Grand Palais von Paris spazieren. Erst mit 14 Jahren und aus Selbstverteidigungsgründen mit dem Kampfsport begonnen, sieht sie sich nach einem Fußbruch und mit der Last-Minute-Qualifikation in der Außenseiterposition. „Ich bin sicher am wenigsten verkrampft. Das hoffe ich, ist mein Bonus“, sagte die 29-Jährige.

Um 11.11 Uhr ist am Samstag der erste Kampf von Jahl gegen die als Nummer sieben gereihte Chinesin Zhou Zeqi in der Gewichtsklasse über 67 kg angesetzt. „Ich kenne sie nur vom Video. Es kommt darauf an, dass ich mich auf meine Stärken konzentriere, ich die Distanz halte, in der ich mich wohlfühle“, gab die ÖOC-Athletin in ihre Taktik Einblick. Im Viertelfinale würde wohl die Südkoreanerin Lee Da-bin warten. Die 27-Jährige war in Tokio Olympia-Zweite, gewann schon WM-Gold und -Silber. Wer gegen die spätere Poolsiegerin verliert, kämpft in der Hoffnungsrunde um Bronze.

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Jahl erlebte im März die extreme Enttäuschung nach der verpassten Olympia-Qualifikation. Es folgte das Aufrappeln für die EM, die zähe Geschichte mit dem Bruch im Fuß und die Nachricht, dass sich Paris als Nachrückerin doch ausgeht. „Da war die Freude durch die Decke.“ Ein bisserl habe sie immer im Hinterkopf behalten, dass es sich ausgehen könnte. Ihren Fußbruch habe sie zuletzt bei Einheiten mit der französischen Europameisterin Althea Laurin nicht mehr bemerkt. „Dieses Training war gut für meine Kicks.“

Alles begann in Traun

Um als Teenager mit 14 für das Ausgehen mit Freundinnen gewappnet zu sein, besuchte Jahl in einem Sommerprogramm in Traun einen Taekwondo-Kurs. Der Spaß war auf Anhieb da, dennoch begann sie erst mit 18 ernsthaft zu trainieren. „Ich mache eine Kampfmaschine aus dir“, versprach damals ihr Trainer Markus Weidinger, mit dem sie immer noch zusammenarbeitet.

Mit 21 begann sie das Medizinstudium in Wien und trainierte zweimal täglich. „Innerhalb von acht Jahren wurde ich von leicht moppelig zur Olympia-Starterin“, erzählte Jahl, die 2022 WM-Bronze gewann. Österreich ist erstmals seit 2004 in Athen in dieser aus Korea stammenden Sportart bei Olympia vertreten.

Die Oberösterreicherin ist mit ihren 1,88 Metern Körpergröße eine buchstäblich überragende Kämpferin. „Aber nur weil man groß und lang ist, heißt das nicht, dass man den Kampf gewinnt. Die Reichweite ist für meinen Kampfstil ein Vorteil. Jeder kämpft mit seinen Waffen, die er hat.“ Da sie erst so spät begonnen habe, sei die Beweglichkeit bei ihr nicht so gegeben „wie bei welchen, die mit vier schon im Spagat liegen“. Sie müsse mit ihren Hebeln einen Weg rundherum finden.

Angegriffen wird im Stehen und oberhalb des Gürtels, mit den Füßen (tae) auf die elektronische Kampfweste und den Kopf, mit den Fäusten (kwon) nur auf die Weste.

Der richtige Kick

Das Spannende am Taekwondo seien Tempowechsel und Taktik, sagte Jahl. „Ich versuche viel Druck zu machen mit meinem ersten Kick. Auf dem Niveau gibt es eher wenige direkte Punkte, weil jeder gefasst ist und es taktisch angeht.“ Irgendwo sei aber immer frei. Es gelte, die Gegnerin unter Druck zu bringen, damit man seine Chance bekomme. „Antasten, antasten, dann geht es bam-bam zum Kopf und es steht 3:0.“ Die Athleten tragen u. a. Schutz für Kopf, Brust, Zähne und Schienbein.

Jahls Wunsch für ihren Auftritt sei natürlich ein Medaillengewinn, der Wunsch aber, dass sie eine gute Leistung abliefere. „Dass ich die Sachen, die ich solange trainiert habe, abrufen kann. Dass ich mich im Kopf fokussieren und auf das konzentrieren kann, was ich zu tun habe. Dass ich stolz darauf sein kann.“ Am besten sei sie, wenn sie im Kampf locker im Kopf sei und sich nicht zu viele Gedanken mache. „Dann kann ich meine Sachen abrufen, meine Qualitäten ausspielen. Das ist auch der Plan für Samstag.

Wie auch die Spiele verlaufen, was Jahl am Montag macht, steht fest. „Ich beginne nach meinem Medizinstudium das praktische Jahr. Einstiegstermin war der 5. August. Ich darf eine Woche später kommen, aber am 12. August muss ich um 7.30 in Montur da sein.“ Eine Ausnahme gibt es aber: „Mache ich eine Medaille, versuche ich das auf Dienstag hinauszuzögern. Weil dann wäre ich extrem gerne bei der Abschiedsfeier dabei.“ Am meisten Gefallen findet sie an der Unfallorthopädie, da verfüge sie bereits über entsprechende Erfahrung. „Ich hatte sechs Brüche an Nase, Finger, Zehen, Fuß.“

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