Deutsche Wirtschaft gerät zunehmend in die Krise

Es wird zu wenig eingekauft und zu wenig investiert © APA/THEMENBILD/TOBIAS STEINMAURER

Deutschland muss weiter auf den Aufschwung warten – und wandelt am Rande der Rezession. Das Ifo-Geschäftsklima als wichtigstes Barometer für die dortige Konjunktur, sank im August bereits den dritten Monat in Folge. Es fiel um 0,4 auf 86,6 Punkte, wie das Münchner Ifo-Institut am Montag zu seiner Umfrage unter rund 9.000 Führungskräften mitteilte. Die Firmen beurteilten ihre Geschäftslage schlechter und auch die Aussichten pessimistischer als zuletzt.

„Die deutsche Wirtschaft gerät zunehmend in die Krise“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Vor allem in der Industrie ließ die Stimmung merklich nach. Das Geschäftsklima der Dienstleister verschlechterte sich ebenfalls, während es beim Handel nach zwei Rückgängen in Folge leicht bergauf ging. Im Bauhauptgewerbe blieb die Stimmung unverändert nüchtern.

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„Die deutsche Wirtschaft hat sich in der Stagnation eingerichtet“, sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe, der Nachrichtenagentur Reuters. „Wir wandern beim Wachstum schon länger an der Nulllinie entlang.“ Im dritten Quartal könne es sogar einen weiteren Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) geben, nachdem es schon im Frühjahr ein leichtes Minus von 0,1 Prozent gegeben hatte.

Die erwartete Erholung verschiebe sich damit immer mehr in Richtung 2025, sagte Chefökonom Ulrich Kater von der DekaBank. „Hoffnungsträger sind vor allem die weiter steigenden Einkommen der Verbraucher in den kommenden Monaten.“ Das sei auch dringend nötig. „Denn auf den Export ist für die deutschen Unternehmen mangels weltweiter Nachfrage und gestiegener internationaler Konkurrenz kein Verlass mehr.“

Ähnlich sieht es Chefvolkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank. „Die deutsche Wirtschaft setzt ihren Ritt auf der Rasierklinge zwischen Rezession und minimalem Wachstum fort.“ Der schwache Welthandel sei eine schwerwiegende Belastung für die exportabhängige deutsche Industrie. „Darüber hinaus werden die privaten Haushalte kaum positive Konjunkturimpulse setzten können.“

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Die Verbraucher halten sich weiter beim Einkaufen zurück und sparen lieber, als ihr Geld in den Geschäften auszugeben, erläuterte Ifo-Fachmann Wohlrabe. „Der Konsum kommt nicht in die Gänge“, sagte der Ökonom. „Die Verbraucher trauen dem Rückgang der Inflation noch nicht so richtig.“

Auch die Unternehmen zeigten sich knausrig. „Wir sehen eine Investitionsschwäche“, sagte Wohlrabe im Reuters-Interview. „Die ist getrieben durch wirtschaftspolitische Unsicherheit.“ Viele Unternehmen klagten zudem noch immer über einen Auftragsmangel, und zwar quer durch alle Branchen. Da auch die Exporterwartungen im August gesunken seien, dürfte die Auslandsnachfrage vorerst nicht zum Rettungsanker werden – trotz der robusten Weltkonjunktur. „Es gibt kaum Lichtblicke“, betonte Wohlrabe.

Zuletzt hatte bereits die Umfrage unter Einkaufsmanagern für die deutsche Privatwirtschaft den Hoffnungen auf einen Aufschwung einen kräftigen Dämpfer versetzt: Das Barometer rutschte im August noch tiefer unter die Wachstumsschwelle von 50 Punkten, wie S&P Global jüngst mitteilte. Nach einem Anstieg von 0,2 Prozent zu Jahresbeginn war das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) von April bis Juni wegen sinkender Investitionen um 0,1 Prozent zum Vorquartal gesunken. Die Deutsche Bundesbank erwartet allerdings derzeit keine Rezession, sondern im laufenden Sommerquartal ein leichtes Plus beim BIP. Fachleute sprechen von einer sogenannten technischen – also vorübergehenden – Rezession, wenn das BIP zwei Quartale in Folge zurückgeht.

Die Commerzbank geht für das Gesamtjahr davon aus, dass die Wirtschaft allenfalls stagniert. Auch für das kommende Jahr dürften die meisten Wachstumsprognosen immer noch zu hoch sein, sagte Commerzbank-Analyst Ralph Solveen. „Wir rechnen für das Jahr 2025 nur mit einem mageren Plus von 0,5 Prozent.“

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