Industrie befürchtet lange Stagnation, fordert Gegenlenken

Für die IV Oberösterreich ist „Konfrontation mit der Realität unvermeidlich“

Christoph Neumayer fordert Ende der „Luxusthemen“ © APA/MAX SLOVENCIK

Österreichs Industrieunternehmen rechnen mit einem dritten Rezessionsjahr, viele erwarten einen Stellenabbau. IV-Chefökonom Christian Helmenstein geht von einer längerfristigen Stagnation aus, wenn es keinen „disruptiven wirtschaftspolitischen Kurswechsel“ gibt. IV-Generalsekretär Christoph Neumayer sieht „Feuer am Dach“ – bei einem Pressegespräch am Mittwoch forderte er ein Ende der Beschäftigung mit „Luxusthemen“ wie Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich.

In der aktuellen Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung hat sich die Stimmung der Unternehmen weiter verschlechtert. Bei der Frage nach der aktuellen Geschäftslage hat sich der Saldo von -9 auf -15 Punkte verschlechtert. Auch die Einschätzung der Geschäftslage in sechs Monaten hat sich um 13 Punkte auf einen Saldo von -11 Punkten verschlechtert. Nur noch 8 Prozent der Unternehmen erwarten eine Verbesserung der Geschäftslage im nächsten Halbjahr, während 19 Prozent ein schrumpfendes Geschäftsvolumen erwarten. 73 Prozent stellen sich auf eine Stagnation ein.

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„Nur noch 5 Prozent aller Mitgliedsunternehmen der IV haben die Absicht, ihren Beschäftigtenstand in den nächsten drei Monaten zu erhöhen“, sagte Helmenstein. 39 Prozent rechnen mit einem Stellenabbau. „Die Unternehmen können sich schlichtweg nicht mehr leisten, Beschäftigung zu horten.“ Dafür seien die Lohnstückkosten in den letzten Jahren zu stark gestiegen, und es gebe auch keine Aufschwungserwartung. „Den meisten Unternehmen gelingt es nicht, die steigenden Kosten auf die Preise zu überwälzen.“

„Das Beunruhigendste ist, dass es überhaupt kein Licht am Ende des Tunnels gibt“, so der IV-Ökonom. Österreichs Wirtschaft sei in eine neue Phase einer strukturellen Krise eingetreten. Den ersten Strukturbruch habe es 2008 nach der Lehman-Pleite gegeben – danach sei Österreichs Wirtschaft nie wieder so stark gewachsen wie davor. Der zweite Strukturbruch sei im 1. Quartal 2020 erfolgt. Die Stagnationsphase sei bereits Realität geworden und werde ohne einen „disruptiven wirtschaftspolitischen Kurswechsel“ durch die neue Regierung länger andauern, so Helmenstein.

„Es ist Feuer am Dach, ein weiteres Schönreden reicht nicht mehr aus“, sagte Neumayer und warnte vor einem „japanischen Szenario“. Wichtig sei vor allem eine signifikante Senkung der Lohnnebenkosten, und man müsse auch auf die Energiepreise achten. „Die energieintensive Industrie steht besonders unter Druck.“ Die Politik müsse Investitionsanreize setzen, „sei das durch eine Investprämien, sei das durch Abschreibungen, die weit über das hinausgehen, was wir bislang gesehen haben.“

„Dieses Land braucht einen neuen Gesellschafts-, Leistungs- und Wohlstandsvertrag“, sagte Neumayer. „Wir müssen mehr arbeiten, nicht weniger.“ Man habe jahrzehntelang über die Verhältnisse gelebt, nun drohe ein „bitteres Erwachen“.

Die Gesellschaft müsse sich grundsätzlich ändern. „Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten und Jahren über Dinge diskutiert, die Luxusprobleme waren.“ Diese Luxusthemen wie Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich und immer weniger arbeiten „müssen ein endgültiges Ende finden“, forderte der Industrielle.

Für IV OÖ ist „Konfrontation mit der Realität unvermeidlich“

„Der Industriestandort Österreich befindet sich in der Krise wie zuletzt in den 1990er Jahren. Die heimischen Standortprobleme haben vorrangig strukturelle Ursachen, Österreich hat im internationalen Vergleich zu hohe Personal-, Energie- und Bürokratiekosten“, betont auch der Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ), Joachim Haindl-Grutsch.

Für ihn ist „die Konfrontation mit der Realität unvermeidlich“, sprich „überdurchschnittlich stark steigende Tariflöhne bei gleichzeitig stagnierender Produktivitätsentwicklung führen zu hohen Lohnstückkosten, die im globalen Wettbewerb nicht mehr konkurrenzfähig sind“. Zudem verstärken aus Sicht von Haindl-Grutsch „sinkende Jahresarbeitszeiten und eine im europäischen Vergleich sehr hohe Teilzeitquote den Negativtrend“.

Damit nicht genug, umreißt der IV-Geschäftsführer weitere Problemzonen. „Trotz üppiger heimischer Wasserkraft ergeben sich keine Stromkostenvorteile für die Betriebe, auch günstige Gaspreise sind für die Industrie seit dem Ukrainekrieg Geschichte“, so Haindl-Grutsch. Und: Durch Gold-Plating – besonders augenscheinlich beim Ziel der Klimaneutralität 2040 statt 2050 – verschärfe Österreich die Regulierungskostenlawine aus Brüssel zusätzlich. „Alles zusammen ergibt ein düsteres Bild über den Zustand des heimischen Standortes,“ so der ernüchternde Befund aus der Sicht der oberösterreichischen Industrie.

„Keine Zeit für monatelangen Stillstand“

Damit es nicht zu 20 Jahren Stagnation wie in Japan oder Italien komme, brauche Österreich ein „Standort-Rettungspaket“, hält Haindl-Grutsch fest. Wobei er mit Blickwinkel aktuelle politische Situation deponiert: „Wir haben alles, nur keine Zeit für monatelangen politischen Stillstand“.

Einer künftigen Bundesregierung schreibt der Geschäftsführer der IV Oberösterreich schon jetzt ins Stammbuch: Sie stehe vor der enormen Herausforderung, das Budget zu sanieren, die Steuern zu senken, bei den Kosten zu bremsen und gleichzeitig Mehrarbeit zu fördern sowie bei Forschung und Infrastruktur Gas zu geben. Nüchterner Nachsatz von Haindl-Grutsch: „Ohne Schmerzen kriegen wir den Standort nicht wieder auf Schiene“.