UniCredit steigt bei Commerzbank ein und lotet Übernahme aus

UniCredit schielt auf die Commerzbank © APA/AFP/MARCO BERTORELLO/ARMANDO BABANI

Die italienische Großbank UniCredit, Mutterkonzern der Bank Austria, greift überraschend nach ihrem deutschen Konkurrenten Commerzbank. Die Italiener erwarben am Mittwoch neun Prozent am zweitgrößten börsennotierten deutschen Geldinstitut und signalisierten Interesse an einem größeren Engagement. Im Falle einer Übernahme könnte ein Bankriese entstehen, der einen Marktwert von fast 74 Milliarden Euro erreicht und in Europa Platz zwei nach der britischen HSBC einnehmen würde.

Die Commerzbank reagierte zurückhaltend. Einem Insider zufolge will sie eine mögliche Übernahme abwehren. Während die Aktienkurse beider Banken zulegten und Ökonomen den Schritt begrüßten, drohten deutsche Arbeitnehmer mit Widerstand.

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Kurz zuvor hatte Commerzbank-Chef Manfred Knof seinen Abschied im kommenden Jahr angekündigt. Die UniCredit erklärte, man werde zusammen mit der Commerzbank Möglichkeiten zur Wertsteigerung für die Aktionäre beider Banken erörtern. Wenn nötig, werde man regulatorische Genehmigungen für eine mögliche Ausweitung des Anteils auf mehr als 9,9 Prozent einholen. Einem Insider zufolge will UniCredit-Chef Andrea Orcel mit der Commerzbank eine Fusion ausloten. Er habe das Management des deutschen Konkurrenten am Mittwoch zu Gesprächen über ein Zusammengehen eingeladen, sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters.

Die Commerzbank teilte lediglich mit, man habe den Einstieg zur Kenntnis genommen, und ließ ihr weiteres Vorgehen offen: „Vorstand und Aufsichtsrat der Commerzbank werden weiterhin im besten Interesse aller unserer Anteilseigner sowie von Mitarbeitenden und Kunden handeln.“ Insidern zufolge will die Commerzbank eine mögliche Übernahme durch UniCredit abwehren. Das Management habe sich über Strategien ausgetauscht, um die Unabhängigkeit des Geldhauses zu bewahren, sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person. Der Vorstand strebe einen eigenständigen Kurs an. Zudem verlautete aus Unternehmenskreisen, dass die US-Bank Goldman Sachs als Beraterin beauftragt worden sei, um verschiedene Abwehroptionen auszuloten. Der Chef der Gewerkschaft ver.di, Frank Werneke, kündigte Widerstand gegen eine Übernahme an.

Spekulationen, dass dies der Auftakt zu der lang erwarteten Konsolidierung auf dem europäischen Bankensektor sein könnte, trieben die Commerzbank-Aktien um bis zu etwa 18 Prozent in die Höhe und damit an die Spitze des Dax. Das ist der größte Kurssprung seit Jahren. Die Aktien von UniCredit, dem zweitgrößten italienischen Kreditinstitut, stiegen in Mailand zwischenzeitlich um rund drei Prozent. Die Titel des Rivalen Deutsche Bank verloren rund 1,8 Prozent. Der deutsche Branchenprimus, der vor Jahren die Postbank übernommen hatte, erklärte, er äußere sich nicht zu Wettbewerbern.

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Die Italiener bemühen sich Insidern zufolge bereits seit Jahren um eine Übernahme der Commerzbank. Der seit 2021 amtierende Orcel sei deswegen bereits Anfang 2022 an Commerzbank-Chef Knof herangetreten, hatten mit der Angelegenheit vertraute Personen Reuters damals gesagt. Bereits Orcels Vorgänger Jean Pierre Mustier habe an einer Übernahme gearbeitet, sei aber auf politischen Widerstand gestoßen, sagte eine an den Vorbereitungen beteiligte Person.

Am Dienstag hatte die Commerzbank überraschend mitgeteilt, dass Vorstandschef Knof das Institut nach Ablauf seines laufenden Vertrags verlässt. Er werde nur noch bis Ende Dezember 2025 bleiben. Der Aufsichtsrat um Jens Weidmann werde umgehend mit der Suche nach einer Nachfolge beginnen. In Medienberichten war Finanzchefin Bettina Orlopp als mögliche Kandidatin genannt worden.

UniCredit erwarb nach eigenen Angaben die Hälfte ihres Commerzbank-Anteils durch den Kauf eines 4,5-Prozent-Pakets, das der deutsche Staat über Nacht am Markt platzierte. Der andere Teil sei am Markt erworben worden. Der Bund hält nun noch zwölf Prozent an der Bank. Für eine Trennung von weiteren Commerzbank-Aktien bestehe nun jedoch eine 90-tägige Sperrfrist, sagte eine Sprecherin des FDP-geführten Finanzministeriums am Mittwoch.

Ver.di-Chef Werneke forderte die von SPD, Grünen und FDP gebildete, deutsche Regierung auf, eine Übernahme zu verhindern. „Bis auf weiteres muss der Bundesanteil an der Commerzbank beibehalten werden, um eine Übernahme abzuwenden.“ Damit sollten die Förderung der Wirtschaftsstruktur und der Erhalt von Arbeitsplätzen in Deutschland sichergestellt werden.

Der Bund hatte der Commerzbank in der Finanzkrise 2008 und 2009 unter die Arme gegriffen und sie mit Kapitalhilfen von insgesamt 18,2 Milliarden Euro gerettet. Die Finanzagentur des Bundes teilte mit, die UniCredit habe bei einem beschleunigten Platzierungsverfahren alle übrigen Interessenten überboten – und zwar mit großem Abstand, wie das Finanzministerium ergänzte. Der Kaufpreis dieses Pakets lag den Angaben zufolge bei 13,20 Euro je Aktie, was einen Gesamterlös von 702 Millionen Euro ergibt. Dieser fließt in den Finanzmarktstabilisierungsfonds. Die Commerzbank-Aktien waren am Dienstag mit einem Kurs von 12,60 Euro aus dem Handel gegangen.

„Mit diesem ersten Teilverkauf der Beteiligung wird der Abschluss der erfolgreichen Stabilisierung der Bank und somit der Ausstieg des Bundes eingeläutet“, sagte Finanzagentur-Chefin Eva Grunwald. Von dem UniCredit-Einstieg wurde die Bundesregierung jedoch nach Angaben des Finanzministeriums überrascht. „Es gab vorab kein konkretes Angebot“, sagte eine Ministeriumssprecherin. Das Verkaufsverfahren sei offen für alle Investoren gewesen. „Der Bund wird jetzt erst einmal die neue Situation analysieren.“