Karner lehnt Kontrolle von Nachrichtendienst-Einsatz ab

Karner stellt sich gegen Sicherheitsrat-Forderung © APA/HELMUT FOHRINGER

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) wird der Aufforderung des Nationalen Sicherheitsrats, den Einsatz des Staatsschutzes rund um den verhinderten Anschlag auf ein Taylor-Swift-Konzert in Wien von einer Kommission evaluieren zu lassen, nicht nachkommen. Das teilte er APA und „Kurier“ mit. Er wolle die Direktion Staatsschutz Nachrichtendienste (DSN) nicht einem „parteipolitischen Gemetzel“ aussetzen. Die Kontrollkommission wird auch nicht von sich aus tätig werden.

Entsprechend äußerte sich die Vorsitzende Ingeborg Zerbes gegenüber der APA. Im Moment gebe es „keinen Anlass“, verwies Zerbes auf das laufende Verfahren. In Zukunft sei es freilich nicht ausgeschlossen, dass man tätig werde. Generell sei die Kommission „von keinem Ersuchen abhängig“ und könnte ein solches auch ablehnen, merkte die Strafrechtsexpertin an. Nun sei jedenfalls „nicht der Moment zu prüfen“.

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Die DSN habe mittlerweile wieder internationale Anerkennung gefunden und er lasse sich deren Arbeit nicht schlecht reden, sagte Karner. Zudem bestünden rechtliche Bedenken bei einer Überprüfung des Einsatzes der unterschiedlichen Nachrichtendienste durch die DSN-Kontrollkommission. Schließlich argumentiert Karner, dass man jetzt zu Beginn der Ermittlungen die volle Konzentration auf die Aufklärung setzen müssen. Wie bei jedem Einsatz werden danach analysiert, aber nicht zum jetzigen Zeitpunkt, betonte er gegenüber der APA.

Ohnehin ist die ÖVP wenig begeistert vom Vorgehen der anderen Parteien im Sicherheitsrat. Der Vortag sei ein „Feiertag für Terroristen und die organisierte Kriminalität“ gewesen, kritisierte zuvor ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker in einer Pressekonferenz am Mittwoch. Dafür verantwortlich sei eine „Einheitspartei“ einschließlich FPÖ sowie dem grünen Koalitionspartner.

Dass sich SPÖ, FPÖ, Grüne und NEOS in dieser Frage geeint gezeigt hatten, bezeichnete Stocker als „bemerkenswert“. Die FPÖ lebe offenbar in dieser „Einheitspartei der Gefährder“ genau das, was sie den Mitbewerbern vorwerfe, und FPÖ-Chef Herbert Kickl befinde sich in deren Mitte. „Grün und Rot hat offenbar mit Blau kein Problem“, ortete sich der ÖVP-Generalsekretär bei dem Pressetermin in der ÖVP-Zentrale in der Wiener Lichtenfelsgasse alleine für die „Sicherheit der Menschen“ eintretend. Die Volkspartei wolle sich jedenfalls nicht beirren oder von ihrem Weg abbringen lassen.

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Gerade bezüglich der sogenannten Messenger-Überwachung will die Volkspartei ihren Gesetzesentwurf umgesetzt wissen. Die Nachrichtendienste müssten „Schritt halten“ können, betonte Stocker. Allerdings wolle man das nur im „Einzelfall“, bei bestimmten schweren Delikten wie Terrorismus und unter strengen Auflagen, schränkte der ÖVP-Sicherheitssprecher ein. Um das Risiko eines Anschlages zu minimieren, müssten Nachrichtendienste aber die Möglichkeit zum „Mitlesen“ bekommen.

Auf Nachfrage einer möglichen Umsetzung des Vorhabens noch vor der Wahl meinte Stocker, dies würde ihn freuen. „Es fehlt mir der Glaube“, verwies er auf die einhellig ablehnende Haltung der Mitbewerber im Sicherheitsrat vom Vorabend. „Wenn man etwas erreichen will, findet man eine Lösung. Wenn man etwas verhindern will, findet man einen Grund“, sagte Stocker. Er ortete jedoch auch „Reste von Vernunft und Hausverstand“ bei Vertretern anderer Parteien, insbesondere der SPÖ.

Die ablehnende Haltung der ÖVP im Nationalen Sicherheitsrat zu einer Evaluierung des Einsatzes der Nachrichtendienste in der Causa Anschlagspläne begründete Stocker auf Nachfrage, diese hätten trotz beschränkter Mittel „vorbildlich gearbeitet“. Generell sei hier „Misstrauen vollkommen unangebracht“, dafür gebe es keine Grundlage. Außerdem habe der Sicherheitsdienst bereits alle Informationen gegeben und sämtliche Fragen beantwortet. Der ÖVP-Generalsekretär verwahrte sich dagegen, die Nachrichtendienste „in Zweifel“ zu ziehen: „Statt Terroristen zu beobachten, beobachten wir jetzt die Nachrichtendienste.“ Die zuständige Kontrollkommission würde ohnehin „weisungsfrei“ arbeiten und benötige „keine Zurufe“.

Empört über die Kritik des Koalitionspartners zeigten sich die Grünen. „Wenn die ÖVP jetzt ‚Einheitspartei‘ schreit und starke Grüne Frauen mit rechten Hetzern vergleicht, legitimiert sie, wogegen sie angeblich kämpft: Die rechtsextreme FPÖ“, kritisierte die Generalsekretärin der Grünen, Olga Voglauer, im Kurznachrichtendienst X. Im Rahmen eine Pressekonferenz in der Früh und warf sie Stocker vor, „politisches Kleingeld zu wechseln“.

In Bezug auf die Messenger-Überwachung wiederholte Voglauer die Bedenken der Grünen, dass die Grund- und Freiheitsrechte gewahrt bleiben müssten. Die Verantwortung dafür, dass seit der Vorlage des Gesetzesentwurfs durch das Innenministerium vor Monaten bei dem Thema nichts weitergegangen ist, sehen die Grünen beim Koalitionspartner. Es habe ja immer wieder Aussprachen gegeben, bei denen die Grünen ihre offenen Fragen geäußert hätten, aber nichts sei passiert, meinte Voglauer. Eine Verkürzung der Begutachtungsdauer, um das Gesetz noch vor der Nationalratswahl zu beschließen, lehnen die Grünen ab. „Egal ob ein Wahltermin ansteht, sechs Wochen Begutachtungszeit ist einfach notwendig“, um die Vorschläge in einer breiten Diskussion mit Experten aus allen Bereichen wie Datenschutz, Verfassungsrecht und technischen Fragen zu evaluieren, „sodass es am Ende eine tragfähige Legistik gibt“, so Voglauer. Mit der Einbringung von Experten könne dies durchaus gelingen.

Die SPÖ wiederum kritisierte, die ÖVP ernenne sich „bei jeder Gelegenheit zur Sicherheitspartei“, habe aber „in Wahrheit schon längst abgedankt“. Ihr gehe es „nur um Parteitaktik“, teilte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim in einer Aussendung mit. Stocker habe eigens eine Pressekonferenz einberufen um zu „beweinen“, dass der Sicherheitsrat nicht wie bei einem ÖVP-Parteitag „unausgegorene Ideen widerspruchlos“ abnicke.

Die FPÖ wiederum sah ein Ablenkungsmanöver der Volkspartei. Die ÖVP-Regierungsriege würde „ihr eigenes Versagen als Rampe missbrauchen, um gesetzliche Möglichkeiten zur Massenüberwachung und Instrumente zur Einschränkung unliebsamer Meinungen und Organisationen zu schaffen“, so FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer. Die Menschen hätten „die Corona-Zeit nicht vergessen“. Die ÖVP habe „weniger echte Terrorbekämpfung ins Visier genommen als vielmehr die eigene Bevölkerung“. Als „völlig inakzeptabel“ bezeichnete Amesbauer zudem, dass Karner die gefassten Beschlüsse des Nationalen Sicherheitsrats „vom Tisch wischt“. Amesbauer sieht darin einen „demokratiepolitischen Offenbarungseid der hochnervösen Volkspartei“.

Die NEOS kritisierten am Mittwoch einmal mehr, dass ihnen der Messenger-Entwurf der Regierung noch nicht einmal vorliege. Generalsekretär Douglas Hoyos äußerte am Rande der Wahlkampfplakat-Präsentation zudem „große Bedenken“, ob die Regelung verfassungskonform sei.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte Dienstagabend mit seinem Forderungspaket als Folge des verhinderten Anschlags auf ein Taylor Swift-Konzert eine Absage im Nationalen Sicherheitsrat kassiert. Keine der anderen Fraktionen stimmte Forderungen wie jener nach einer Messenger-Überwachung, einer Verschärfung des Parteiengesetzes und Haftverlängerung für nicht-deradikalisierte Personen zu. Dafür gab es eine breite Mehrheit für eine Prüfung des Staatsschutz-Einsatzes.

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