Leiche von Hightech-Milliardär nach Bootsunglück geborgen

Mehrere Leichen wurden bereits geborgen © APA/AFP/ALBERTO PIZZOLI

Drei Tage nach dem Untergang der Luxusjacht „Bayesian“ vor Sizilien haben Taucher die Leiche des Hightech-Milliardärs Mike Lynch geborgen, berichteten die Einsatzkräfte am Donnerstag. Gesucht wird jetzt nur noch nach seiner 18 Jahre alten Tochter. Insgesamt kamen bei dem Unglück am Montag sieben Menschen ums Leben, darunter zwei mit Lynch befreundete Ehepaare.

Mit Blick auf den Gründer von Microsoft wurde der Tech-Unternehmer in seiner Heimat gern als „britischer Bill Gates“ bezeichnet. Lynch hatte die Softwarefirma Autonomy 2011 für elf Milliarden US-Dollar (aktuell fast zehn Milliarden Euro) an Hewlett-Packard verkauft – eines der schlimmsten Übernahme-Debakel im Silicon Valley. Lynch und der frühere Finanzmanager Steve Chamberlain sollen den US-Konzern über den Zustand ihres Unternehmens getäuscht haben. Ein Geschworenengericht sprach die beiden jedoch frei. Chamberlain wurde vor wenigen Tagen beim Joggen tödlich von einem Auto erfasst. Der 59-jährige Milliardär wollte mit der Segeltour seinen Freispruch vor Gericht feiern.

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Bei den Todesopfern handelt es sich neben Lynch um den hochrangigen Manager der Investmentbank Morgan Stanley International, Jonathan Bloomer, dessen Frau Anne Elizabeth, um den Anwalt Chris Morvillo und seine Frau Nada. Bereits am Montag war die Leiche des Bordkochs gefunden worden.

An der Suchaktion beteiligten sich Taucher, die bereits Opfer aus dem 2012 vor der italienischen Insel Giglio gesunkenen Kreuzfahrtschiff Costa Concordia geborgen hatten. Insgesamt 27 waren bei der Suchaktion im Einsatz. Die „Bayesian“ liegt auf der Seite in 50 Metern Tiefe, was die Suchaktion erschwert hatte. Zahlreiche Hindernisse versperrten ihnen den Weg und die engen Räume behinderten sie.

Bei dem Unglück vor der Küste Siziliens konnten Montag früh 15 Menschen gerettet werden, acht von ihnen wurden in Krankenhäuser eingeliefert. Unter ihnen war auch eine britische Familie mit einer kleinen Tochter. Das 56 Meter lange Schiff mit 22 Menschen an Bord war gegen 5.00 Uhr vor Porticello nahe Palermo nach einem heftigen Sturm untergegangen. Vermutet wird, dass die Jacht von einer Monsterwelle erfasst wurde und nicht stabil genug im Wasser lag. Angeblich sank sie innerhalb von 60 Sekunden. Spekuliert wird über eine offen gelassene Luke oder ein falsch eingestelltes Schwert am Rumpf, mit dem der Tiefgang des Schiffes reguliert werden kann.

An Bord der „Bayesian“, die unter britischer Flagge unterwegs war, befanden sich hauptsächlich Briten, ein Neuseeländer, ein Mann aus Sri Lanka, zwei Anglo-Franzosen und ein Ire. Feuerwehrtaucher retteten einen einjährigen Buben, der in das Kinderkrankenhaus von Palermo gebracht wurde, sowie ein kleines Mädchen.

Unterdessen wollen die in dem Fall ermittelnden Staatsanwälte die Blackbox der „Bayesian“ untersuchen. Damit erhoffen sie sich Informationen über die Ursachen des Schiffbruchs, der sich am Montag im Morgengrauen nach einem starken Wirbelsturm ereignete. Die Hypothese einer Kette menschlicher Fehler, die dem Unglück zugrunde liegt, gewinnt immer mehr an Boden.

Die Untersuchung wird vom sizilianischen Staatsanwalt Ambrogio Cartosio koordiniert, der von Anfang an strikte Geheimhaltung über die Ermittlungen gewahrt und erst für den kommenden Samstag eine Pressekonferenz angekündigt hat. Es wird wegen Schiffbruchs, Katastrophe, fahrlässiger Tötung und Körperverletzung ermittelt.

Einige offene Luken, durch die in kurzer Zeit eine große Menge Wasser in die Jacht eingedrungen ist, könnten den schnellen Untergang der „Bayesan“ begünstigt haben. Auch die bei den Unwettern ausgeschalteten Motoren und das Versagen des Systems, das in kritischen Fällen die Luken und Zugänge zum Innenraum abdichten sollte, könnte zur Katastrophe geführt haben.

Giovanni Costantino, Vorstandsvorsitzender der italienischen Reederei „Sea Group“, Eigentümerin von „Perini Navi“, dem Unternehmen, das die „Bayesian“ 2008 gebaut hat, geht ebenfalls von einer möglichen Fehlerserie aus. „Die Passagiere hätten sich nicht in den Kabinen aufhalten dürfen, das Schiff hätte nicht vor Anker liegen sollen. Und warum war die Besatzung nicht über die schlechten Wetterprognosen informiert? Das war alles vorhersehbar“, so Costantino laut Medienangaben. Der Vorfall hätte kein Risiko dargestellt, wenn die korrekten Manöver durchgeführt worden wären und wenn es keine Situationen gegeben hätte, die die Stabilität des Schiffes gefährdet hätten, behauptete Costantino.

Der sizilianische Staatsanwalt Raffaele Cammarano hat bereits den Kapitän der Jacht, James Cutfield, und die anderen Überlebenden befragt. Der neuseeländische Kapitän erklärte, er habe nicht bemerkt, dass der Sturm plötzlich aufgetreten war. Es stellt sich jedoch die Frage, wie es möglich war, dass ein 56 Meter langes Boot, das mit modernster Technik und Radargeräten ausgestattet ist, innerhalb einer Minute sinken konnte, wie Videos zeigen, die die Ermittler von Villen und einem örtlichen Segelclub erhalten haben.

Nach Abschluss der Bergungsarbeiten wird die Staatsanwaltschaft eine Autopsie der Leichen im Institut für Gerichtsmedizin an der Poliklinik von Palermo durchführen lassen. Vorerst haben sich die 15 Überlebenden dafür entschieden, sich von einer großen britischen Anwaltskanzlei vertreten zu lassen, die sich auch um die heiklen Aspekte der Versicherungsentschädigung kümmern soll. Zu den Überlebenden des Schiffsunglücks gehört Angela Bacares, 57-jährige Ehefrau von Mike Lynch.

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