Scholz will nach Solingen-Anschlag Messerverbot ausweiten

Scholz will aus Anschlag Konsequenzen ziehen © APA/dpa/Henning Kaiser

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich betroffen über den Anschlag in Solingen (Nordrhein-Westfalen) gezeigt und ein verschärftes Waffengesetz und raschere Abschiebungen angekündigt. „Das war Terrorismus, Terrorismus gegen uns alle“, sagte der SPD-Politiker am Montag in Solingen. „Wir werden alles dafür tun müssen, dass diejenigen, die hier in Deutschland nicht bleiben können und dürfen, auch zurückgeführt und abgeschoben werden.“

Während die Oppositionsparteien Union und AfD Korrekturen in der Asylpolitik forderten, wies die Ampel-Regierung aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen Forderungen von CDU-Chef Friedrich Merz zurück, die Aufnahme von Afghanen und Syrern ganz zu stoppen. Regierungssprecher Steffen Hebestreit verwies dazu auf das individuelle Asylrecht im Grundgesetz.

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Eine Woche vor den Landtagswahlen in den ostdeutschen Bundesländern Sachsen und Thüringen löste der Anschlag eines 26-jährigen Syrers eine Debatte über die Asylpolitik und über Sicherheitsgesetze in Deutschland aus. Der Mann, der sich nach seiner Festnahme zum Islamischen Staat (IS) bekannte, hatte auf dem Solinger Stadtfest drei Menschen mit einem Messer getötet und acht verletzt.

Scholz, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst und der Solinger Oberbürgermeister Tim Kurzbach legten am Tatort Blumen nieder. Scholz erklärte danach, er sei wütend und zornig. Sein Zorn gelte „den Islamisten, die das friedliche Zusammenleben von uns allen bedrohen, die das friedliche Miteinander von Christen, Juden und Muslimen gefährden“. Er betonte, dass man sich den Zusammenhalt nicht von „bösen Straftätern“ kaputtmachen lasse.

Kanzler und Oppositionsführer Merz wollen sich am Dienstag treffen, hieß es in Berlin. Merz hatte am Wochenende angeboten, gemeinsam zu beraten, welche Gesetze verschärft werden müssten. Die Regierung verwies jedoch darauf, dass es bereits in den vergangenen Monaten grundlegende Änderungen gegeben habe. Deshalb sei sowohl die Zahl der Abschiebungen gestiegen als auch die Zahl der in Deutschland neu ankommenden Asylwerber gesunken. Die Rückführung in andere EU-Staaten sei aber Angelegenheit der Bundesländer. Laut Regierungssprecher arbeitet man derzeit an einer Bestandsaufnahme, woran eine konsequentere Rückführung scheitere.

Die Opposition wirft der Ampel-Regierung vor, nicht konsequent genug gegen irreguläre Migration vorzugehen und zu wenig Migranten abzuschieben. Anders als vom Kanzler versprochen, habe es keine Abschiebungen von Straftätern nach Afghanistan und Syrien gegeben. Das deutsche Außenministerium verwies erneut darauf, dass keine diplomatischen Beziehungen mit beiden Ländern bestünden und etwa überall in Syrien gekämpft werde.

Offenbar war dies aber nicht das Problem im Fall des mutmaßlichen Attentäters: Der 26-jährige Syrer hätte laut Medienberichten bereits im vergangenen Jahr in das EU-Land Bulgarien zurückgeführt werden müssen. Er war dann aber zunächst untergetaucht. Als er sich ein halbes Jahr später wieder bei den Behörden meldete, bekam der Syrer erneut einen Schutzstatus und wurde nach Solingen geschickt.

Bereits am Sonntag hatte der deutsche Bundespräsident Steinmeier mehr Personal für die Sicherheitsbehörden und eine Ausweitung der Kompetenzen des Bundeskriminalamts gefordert. Ein Regierungssprecher sagte, er erwarte eine sehr schnelle Einigung auf ein schärferes Waffenrecht. Bisher spießte es sich wegen eines Streits zwischen dem SPD-geführten Innen- und dem FDP-geführten Justizministerium.

Scharfe Kritik kam von den politischen Rändern. Alice Weidel, Co-Chefin der rechten AfD, forderte ein Moratorium in der Migrationspolitik. Sie wolle einen Einwanderungs-, Aufnahme- und Einbürgerungsstopp für fünf Jahre, schrieb sie auf der Plattform X. Sahra Wagenknecht, Chefin des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW), kritisierte, dass in der Asylpolitik Recht und Gesetz nicht mehr gelten würden. Es würden in Deutschland sehr viele Menschen aufgenommen, die kein Anrecht auf Asyl hätten, sagte die Linkspopulistin der Zeitung „Die Welt“.

Meinungsforscher erwarten nur geringe Auswirkungen des Anschlags auf die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen am Sonntag. „Das ist sicher Wasser auf die Mühlen der AfD, die aber mit diesem Thema ohnehin schon mobilisiert“, sagte Stefan Merz, Wahlforscher des Instituts Infratest dimap zu Reuters. „Ich glaube eher nicht, dass der Anschlag besonders große Auswirkungen auf die Wahl haben wird.“

Merz verwies wie Forsa-Chef Manfred Güllner darauf, dass man auch bei dem tödlichen Anschlag auf einen Polizisten in Mannheim unmittelbar vor der Europawahl keine großen zusätzlichen Ausschläge etwa zugunsten der AfD verzeichnet habe. „Die AfD mobilisiert ihre Anhänger bereits jetzt über das Migrationsthema“, sagte Güllner zu Reuters. „Sie fühlen sich bestärkt, gehen aber ohnehin zur Wahl.“ Für die Anhänger anderer Parteien stünden andere Themen bei der Landtagswahl im Vordergrund.

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