Solidarität für Ukraine nimmt laut Caritas-Präsidentin „spürbar ab“

Wegen anderer Krisen - Reformen bei Sozialhilfe und Pflege gefordert

Caritas-Präsidentin Nora Tödtling-Musenblicher © APA/ROBERT JAEGER

Österreichs Caritas-Präsidentin Nora Tödtling-Musenbichler ortet eine spürbare Abnahme der Solidarität gegenüber der Ukraine. Schließlich werde der Krieg von anderen Problemlagen überlagert, sagte sie am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“. Gleichzeitig appellierte sie an die Bevölkerung, Krisen wie diese nicht zu vergessen. Umfassende Reformen forderte die Caritas-Präsidentin etwa bei der Sozialhilfe und in der Pflege ein.

Die Abnahme der Solidarität sehe man etwa bei den Spenderinnen und Spendern, erzählte Tödtling-Musenbichler, die gleichzeitig aber betonte, dass diese in Österreich immer noch hoch sei. Die humanitäre Hilfe Österreichs müsse jedenfalls weiter bestehen bleiben.

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Der Ukraine stehe schließlich einer der schlimmsten Winter bevor, betonte sie. Ukrainerinnen und Ukrainer, die nach Österreich geflohen sind, sollen zudem nicht in der Grundversorgung bleiben, sondern in die Sozialhilfe überführt werden.

Die Einhaltung aller völkerrechtlichen Bestimmungen, einen Waffenstillstand und ein Ende des Krieges brauche es zudem beim Krieg im Nahen Osten. Die Zivilbevölkerung und Menschen, die vor Ort helfen, müssen geschützt werden, appellierte Tödtling-Musenbichler.

Während Polen eine vorübergehende Aussetzung des Asylrechts plant und auch die bei der Nationalratswahl stimmenstärkste FPÖ einen „Asylstopp“ fordert, pochte die Caritas-Präsidentin auf die Einhaltung des Asylrechts in Österreich.

„Wer Menschenrechte in Frage stellt, stellt auch das Menschsein in Frage“, meinte sie. Menschen würden nicht „aus Jux und Tollerei“, um Asyl ansuchen, sondern weil sie vor Krieg oder Folter flüchten. Schließlich brauche es „Integration ab dem ersten Tag“.

Das funktioniere aber nicht, weil es etwa an Deutschkursen mangele. Gleichzeitig hieß es seitens des Bundeskanzleramtes, dass in diesem Jahr bereits 52.600 Deutschkursplätze durch den Österreichischen Integrationsfonds gab – sechs Prozent mehr als im Vorjahr.

Nicht bei vulnerablen Gruppen sparen

Eine umfassende, bundesländerübergreifende Reform brauche es hierzulande bei der Sozialhilfe. Diese brauche Mindestsätze, derzeit sind hingegen nur Höchstsätze festgelegt. Man müsse sich ansehen, was die Menschen brauchen, um ihre Grundbedürfnisse zu stillen – das sei je nach Familien- und Wohnsituation unterschiedlich. Sparen dürfe der Staat jedenfalls gerade bei den vulnerablen Gruppen nicht, mahnte sie.

In diesem Sinne plädierte sie außerdem für eine Kindergrundsicherung als „umfassende ganzheitliche Reform“. Jedem Kind solle damit der Zugang zu Bildung, Freizeit und kostenlosen Gesundheitsangeboten ermöglicht werden. Kinder und ihre Familien sollen damit finanziell abgesichert sein. 336.000 Menschen würden in „absoluter Armut“ leben und sich viele Grundbedürfnisse des Lebens nicht leisten können. Dazu gehören auch 88.000 Kinder.

Zur Bekämpfung der Altersarmut brauche es etwa die Anhebung der Ausgleichszulage für Mindestpensionisten auf die Armutsgefährdungsschwelle. Bei der Pflege brauche es einen Fokus auf Präventivmaßnahmen, bei der Suche nach Pflegepersonal eine Gesamtstrategie. Etwa in Bezug darauf mit welchen Ländern – auch außerhalb Europas – man kooperieren wolle.

Im Wahlergebnis der Nationalratswahl – u.a. Verlusten für die Regierungsparteien und Gewinnen für die FPÖ – sieht Tödtling-Musenbichler die Auswirkungen eines „Flächenbrandes“, die vielen Krisen der vergangenen Jahre würden „wie ein Brandbeschleuniger“ wirken.

Die Menschen würden sich allerdings Zusammenhalt und ein gemeinsames Ringen um Lösungen durch die Parteien wünschen. Eine kommende Regierung müsse sich auch mit der Klimakrise auseinandersetzen – und diese nicht nur als ökologische, sondern auch als soziale Krise angehen. Schließlich würden wohlhabende Menschen mehr CO2-Ausstoß verursachen als ärmere, die Ärmsten können sich zudem schlecht gegen Hitze und Kälte schützen.