Guterres warnt vor „verheerenden Folgen“ des UNRWA-Verbots

Arbeit wird massiv eingeschränkt © APA/AFP/EYAD BABA

Das von Israels Parlament gegen das Palästinenserhilfswerk UNRWA verhängte Arbeitsverbot stößt international auf scharfe Kritik. Die Umsetzung der Gesetze „könnte verheerende Folgen für die palästinensischen Flüchtlinge in den besetzten palästinensischen Gebieten haben, was nicht hinnehmbar ist“ erklärte UNO-Generalsekretär António Guterres. Er werde die UNO-Generalversammlung in Kenntnis setzen und fordere Israel auf, den völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen.

„Diese Gesetzesentwürfe werden das Leiden der Palästinenser nur noch verschlimmern, insbesondere in Gaza, wo die Menschen seit mehr als einem Jahr durch die Hölle gehen“, schrieb UNRWA-Leiter Philippe Lazzarini auf X. Die Entscheidung des Parlaments, das Hilfswerk „von seiner lebensrettenden und gesundheitsschützenden Arbeit für Millionen von Palästinensern auszuschließen, wird verheerende Folgen haben“, warnte auch WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) erklärte, UNRWA nicht ersetzen zu können. „UNRWA ist für die Menschen im Gazastreifen absolut unverzichtbar“, sagte IOM-Generaldirektorin Amy Pope.

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Das israelische Parlament hatte den umstrittenen Gesetzentwurf, der der Organisation die Tätigkeit auf israelischem Staatsgebiet ab kommendem Jahr (binnen 90 Tagen ab Veröffentlichung) untersagt, mit großer Mehrheit gebilligt. Das bedeutet, dass das Hilfswerk auch in den Palästinensergebieten seine Einsätze kaum fortsetzen kann, weil Israel die Grenzübergänge kontrolliert. Ein zweiter, ebenfalls gebilligter Gesetzentwurf untersagt jeglichen Kontakt israelischer Behörden mit dem Hilfswerk.

Die USA, die Israels wichtigster Verbündeter sind, sowie andere westliche Länder hatten den jüdischen Staat gedrängt, die beiden Gesetzentwürfe nicht voranzutreiben. Ihre Verabschiedung werde wahrscheinlich den Druck auf die Regierung von US-Präsident Joe Biden erhöhen, die Militärhilfe für Israel auszusetzen, schrieb das US-Nachrichtenportal „Axios“.

Dennoch stimmten 92 Abgeordnete der Regierung und Opposition in der Knesset – die insgesamt 120 Sitze hat – für das Vorhaben. Die Befürworter des Verbotes begründeten das Gesetz mit dem Vorwurf, dass einige UNRWA-Mitarbeiter in den Hamas-Überfall auf den Süden Israels am 7. Oktober 2023 verwickelt gewesen seien. Vor der Abstimmung kam es im Parlament zu wütenden Debatten. Ein arabischer Abgeordneter sprach von einem „faschistischen Gesetz“, Ziel sei die fortwährende Unterdrückung des palästinensischen Volkes. Die Initiatoren reagierten mit lautem Geschrei, eine Abgeordnete musste nach mehreren Mahnungen aus dem Saal entfernt werden.

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Medien zufolge hatten auch Vertreter des israelischen Außenministeriums Bedenken hinsichtlich der praktischen Konsequenzen geäußert. Im schlimmsten Fall drohe ein Ausschluss Israels aus den Vereinten Nationen. Das aber könnten die USA durch ein Veto im Sicherheitsrat verhindern. Der palästinensische Botschafter in Österreich, Abdel Shafi, forderte unterdessen angesichts der Entscheidung den Ausschluss Israels aus den Vereinten Nationen.

Sieben westliche Länder hatten noch kurz vor der Entscheidung der Knesset ihre „tiefe Besorgnis“ über die Gesetzespläne geäußert. In einer Erklärung forderten die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Kanadas, Australiens, Japans und Südkoreas die israelische Regierung „nachdrücklich“ dazu auf, ihren internationalen Verpflichtungen nachzukommen. Die Vorrechte des UNRWA dürften nicht eingeschränkt werden, und humanitäre Hilfe und die Grundversorgung der Zivilbevölkerung müsse weiter ermöglicht werden. Die Ministerinnen und Minister betonten, UNRWA habe Schritte unternommen, um den Vorwurf der Unterstützung terroristischer Organisationen durch einzelne Mitarbeiter auszuräumen.

Die Europäische Union (EU) drückte ihre „ernste Besorgnis“ über das Gesetz aus. Laut einer Aussendung des Auswärtigen Dienstes unter EU-Chefdiplomat Josep Borrell steht das Gesetz „in krassem Widerspruch zum Völkerrecht und zum humanitären Grundprinzip der Menschlichkeit“. Es werde „die ohnehin schon schwere humanitäre Krise noch weiter verschärfen, indem es die Versorgung von Millionen palästinensischer Flüchtlinge in diesen Gebieten mit lebenswichtigen Gütern wie Nahrungsmitteln, Unterkünften, Bildung und Gesundheitsfürsorge zum Erliegen bringen könnte.“

Die Türkei warf Israel vor, mit dem Einsatzverbot gegen das Völkerrecht zu verstoßen. Es sei das Ziel Israels, vertriebene Palästinenser an der Rückkehr in ihre Heimat zu hindern, erklärte das Außenministerium in Ankara. Zudem sollten so die Bemühungen um eine Zweistaatenlösung im israelisch-palästinensischen Konflikt unterbunden werden. „Es ist die rechtliche und moralische Verpflichtung der internationalen Gemeinschaft, entschieden gegen Versuche vorzugehen, das durch eine Resolution der UN-Generalversammlung ins Leben gerufene UNRWA zu verbieten“, hieß es.

Auch die palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland hatte die Entscheidung der Knesset im Vorfeld scharf kritisiert. Das Gesetz verletze das Völkerrecht und sei eine Provokation für die gesamte internationale Gemeinschaft.

Es könne keine Lösung des Konflikts ohne eine gerechte Lösung der Flüchtlingsfrage im Einklang mit dem Völkerrecht geben, bekräftigte die Autonomiebehörde von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas in einer Erklärung, die von der palästinensischen Nachrichtenagentur WAFA verbreitet wurde.

Die Vereinten Nationen hatten das Hilfswerk im Jahr 1949 gegründet, um palästinensischen Flüchtlingen zu helfen. Anspruch auf dessen Dienste haben Palästinenser, die während der Kriege 1948 und 1967 flüchteten oder vertrieben wurden, sowie ihre Nachkommen. Mittlerweile sind das nach Angaben der Organisation rund 5,9 Millionen Menschen – und die Zahl steigt stetig weiter. Das Hilfswerk ist unter anderem auch in Jordanien und im Libanon tätig.

Das UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East) hat mehr als 30.000 Mitarbeiter, die meisten davon sind Palästinenser. Allein im Gazastreifen beschäftigt das Hilfswerk rund 13.000 Mitarbeiter. Die meisten von ihnen sind selbst Flüchtlinge mit eigenen Schicksalen im Nahost-Konflikt. Die Organisation bietet palästinensischen Flüchtlingen grundlegende Dienstleistungen in Bereichen wie Bildung und Gesundheitsversorgung. Seit Beginn des Gaza-Kriegs stellte sie auch Unterkünfte für Hunderttausende Binnenflüchtlinge zur Verfügung und leistet humanitäre Hilfe.