Babis‘ „Narren-Sager“: Deplatziert und an den Tatsachen vorbei

Tschechischer Oppositionschef irrt sich beim Grund für die Verspätung des Weiterbaus der S10

Seit Anfang November 2023 rollen nördlich von Freistadt die Bagger für den Weiterbau der Mühlviertler Schnellstraße Richtung Staatsgrenze. Derzeit wird in jenem Bereich gearbeitet, in dem der knapp ein Kilometer lange Tunnel Vierzehn entsteht.
Seit Anfang November 2023 rollen nördlich von Freistadt die Bagger für den Weiterbau der Mühlviertler Schnellstraße Richtung Staatsgrenze. Derzeit wird in jenem Bereich gearbeitet, in dem der knapp ein Kilometer lange Tunnel Vierzehn entsteht. © Wernitznig

Großes Aufsehen und Verärgerung hatte kürzlich die Aussage des früheren tschechischen Premiers und jetzigen Oppositionschefs Andrej Babis hervorgerufen, die Österreicher wären „komplette Narren“. Konkret warf er seinem Nachbarland vor, den Bau der Mühlviertler Schnellstraße S10 in Richtung Staatsgrenze zu vernachlässigen. Später korrigierte er seine Aussage und meinte, er habe nicht die österreichischen Bürger, sondern die Partei der Grünen gemeint.

Was Babis damit meint, ist die von der Grünen Verkehrsministerin Eleonore Gewessler angeordnete Überprüfung des Weiterbaus im Juli 2021. Nach massiver Kritik aus Oberösterreich und aus Wien ruderte die Ressortchefin aber schon nach einigen Monaten zurück und gab schließlich wenige Monate später für das Projekt grünes Licht.

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Die Verzögerung für den Weiterbau der S10 bewegt sich damit also im Bereich von einigen Monaten bis zu einem Jahr. Auch ohne das grüne Störfeuer – die Partei steht generell dem Straßenausbau ablehnend gegenüber – wäre der „Lückenschluss“ frühesten im Jahr 2030 erfolgt – ein Jahr früher als nunmehr von der Asfinag geplant.

SPÖ-Minister Faymann drückte auf die Stopptaste

Schuld daran, dass Österreich voraussichtlich erst fünf Jahre nach den Tschechen den Straßenausbau bis zur Staatsgrenze abschließen werden, trägt in Wirklichkeit die SPÖ. Dem damaligen Verkehrsminister und späteren Bundeskanzler Werner Faymann war die Verlängerung der Mühlkreisautobahn von Unterweitersdorf bis nach Wullowitz zu teuer. Die Folge war, dass im März 2007 auf Bundesebene beschlossen wurde, vorerst nur den südlichen, 22 Kilometer langen Abschnitt bis nach Freistadt Nord zu bauen. Zwei Jahre später starteten die Arbeiten, Ende 2015 konnte die S10 samt der von Freistadt herbeigesehnten Umfahrung für den Verkehr freigegeben werden.

Hauptbetroffen von der Entscheidung Faymanns bzw. der SPÖ war die Gemeinde Rainbach, die nun ab 2027 im Westen umfahren wird. „Laut der damals fertigen Trasse war ein Tunnel vorgesehen“, erinnert sich der frühere Bürgermeister Friedrich Stockinger im Gespräch mit dem VOLKSBLATT. Im Zuge einer Vorsprache bei Faymann biss er damals auf Granit und kam mit dem Eindruck zurück, dass die eingesparten Millionen für den Straßenausbau in Oberösterreich Infrastrukturprojekten in Wien zugute kommen sollten.

Faymann sei Dank konnte nach einer komplett neuen Planung samt Aus für den Tunnel in Rainbach, neuem UVP-Verfahren sowie Anrainer-Einsprüchen der Weiterbau erst acht Jahre nach der Fertigstellung des ersten südlichen Teils der S10 in Angriff genommen werden.

Faktum ist: Hätte die SPÖ bzw, Faymann damals nicht die Stopptaste für das fertigte S10-Projekt gedrückt, wäre Österreich mit der Mühlviertler Schnellstraße schon einige Jahre vor Tschechien in Wullowitz gewesen. Aufgrund der Entscheidung von 2007 muss man sich aber noch einige Jahre gedulden, bis der Verkehr grenzüberschreitend von Nord nach Süd und umgekehrt rollen wird. Unser Nachbarland will nämlich mit seiner Autobahn D3 letzten Informationen zufolge schon im Jahr 2026 an der Staatsgrenze sein.

Ob Babis angesichts der historischen Tatsachen bezüglich des Grundes für die Verzögerungen in Österreich seinen „Narren-Sager“ zurücknehmen würde, darf aber bezweifelt werden. Denn für den tschechischen Oppositionschef sind offenbar die Grünen die Schuldigen, wenn es beim Straßenausbau hapert – egal, ob die Einsprüche von Anrainern, Tier- und Umweltschützern kommen oder nicht.

Eine Analyse von Heinz Wernitznig