Prozess um Ehrenmord: Freund der Ex-Frau erschossen

Laut Anklage reiste 36-Jähriger aus Deutschland an und richtete 39-Jährigen in dessen Wohnung regelrecht hin © APA/THEMENBILD/BARBARA GINDL

Ein mutmaßlicher Ehrenmord wird am kommenden Freitag am Wiener Landesgericht verhandelt. Nachdem sich seine Ehefrau von ihm getrennt hatte, soll ein aus der Türkei stammender Mann aus Deutschland nach Wien gereist sein, um den neuen Freund der Frau zu töten. Er begab sich zur Wohnung des 39-Jährigen, zog eine Faustfeuerwaffe und schoss dem ebenfalls gebürtigen Türken laut Anklage sechs Mal in den Oberkörper, davon zwei Mal ins Herz. Danach setzte sich der Mann ins Ausland ab.

Der 36 Jahre alte Angeklagte war 2011 mit seiner Frau nach Deutschland gezogen, wo er sich in Baden-Württemberg niederließ. Zuletzt war er in einem Automobilwerk als Leiharbeiter beschäftigt. Der Mann weist keine gerichtlichen Vorstrafen auf. Allerdings dürfte er öfters seiner Frau gegenüber handgreiflich geworden sein, wie der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien zu entnehmen ist, die der APA vorliegt. Dort wird er als „äußerst eifersüchtig“ beschrieben, von gegen die Frau gerichteten Tätlichkeiten und Gewalttätigkeiten ist die Rede. Im September 2021 trennte sich die Frau von ihrem Ehemann und zog zu ihrer Schwester, Ende Oktober 2021 verhängten die deutschen Behörden über den 36-Jährigen ein Annäherungsverbot.

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Er dürfte jedoch weiter Kontakt zu der Frau gesucht haben, worauf ihm diese schließlich verriet, dass sie wieder vergeben sei und eine Beziehung mit ihrer einstigen Jugendliebe aufgenommen habe. Der 36-Jährige wusste von diesem in Wien lebenden Mann. Er soll der Frau sogleich angekündigt haben, er werde ihren neuen Freund erschießen. „Getrieben von seiner Eifersucht, weil sich seine Ehegattin von ihm getrennt hatte und eine neue Beziehung eingegangen war, reiste der Angeklagte unter Mitnahme einer Faustfeuerwaffe nach Wien, um das Opfer aufzusuchen und zu töten“, wird in der Anklageschrift zum weiteren Ablauf ausgeführt.

Am Abend des 23. Februar 2022 klopfte es an der Wohnungstür des 39-Jährigen. Als dieser öffnete, soll der Angeklagte ihn sogleich zu Boden gestoßen haben. Unter Vorhalt der Schusswaffe verlangte er von dem 39-Jährigen und einem Bekannten des Mannes, der zu Besuch war und sich zufällig in der in der Troststraße gelegenen Wohnung befand, die Ausweise. Während der Besucher sich legitimierte, nutzte der 39-Jährige die Gelegenheit, um aufzuspringen und zu einem Fenster zu laufen, das er aufriss. Lautstark rief er um Hilfe. Darauf hin soll ihn der Angeklagte erneut zu Boden befördert, die Waffe repetiert und in Gegenwart des Zeugen erschossen haben. Anschließend richtete er die Waffe gegen den Zeugen und drohte diesem mit den Worten „Wenn du jemandem davon erzählst, werde ich dich finden und dich auch umbringen“, ehe er den Tatort verließ. Der völlig verstörte Zeuge war nervlich derart am Ende, dass er versehentlich den Feuerwehr-Notruf verständigte. Für den 39-Jährigen kam jede Hilfe zu spät.

Wie die Ermittlungen ergaben, flüchtete der mutmaßliche Schütze mit seinem Pkw über Ungarn, Bulgarien und die Türkei nach Georgien, wo er am 6. Juli 2022 festgenommen und in weiterer Folge an die Wiener Justiz ausgeliefert wurde. Der Angeklagte hat im gesamten Ermittlungsverfahren von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht und sich bisher nicht zum Mordvorwurf geäußert. Er wird nicht nur von den Angaben des Tatzeugen und seiner Ehefrau, sondern auch den Ergebnissen einer Rufdatenrückerfassung und DNA-Treffern am Tatort belastet. Biologische Spuren des 36-Jährigen fanden sich an der Türklingel der Wohnungstüre und am Griff eines Fensterflügels.

Nach der Tat soll der 36-Jährige die Familie des Opfers in der Türkei angerufen haben. „Ich habe meinen Ruf gesäubert und euren Sohn getötet“, soll er den Hinterbliebenen erklärt und im selben Atemzug angekündigt haben, nun sei seine Frau „an der Reihe“. Diese sowie der unmittelbare Tatzeuge sind zur Verhandlung als Zeugen geladen. Dem 36-Jährigen drohen zehn bis 20 Jahre oder lebenslange Haft.

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