Wie Lebens-Grundbausteine auf Meteoriten entstehen können

Ein Teil des „Meteorit CV3 Allende“ ist im NHM-Meteoritensaal zu sehen © APA/THEMENBILD/HERBERT NEUBAUER

Auf Meteoriten können die Grundbausteine aller Lebewesen entstehen und im Weltall verbreitet werden, berichten Linzer Wissenschafter. Ein Einschlagkörper auf der Erde, der „Meteorit CV3 Allende“, enthält ein Mineral, das die Herstellung von Eiweißstoffen bei Weltraum-Bedingungen ermöglicht. Es regt dafür die Produktion der Vorstufe „Ammoniak“ an. Auch fertige Eiweißstoffe sind auf dem All-Gesteinsbrocken zu finden, schrieben sie im Fachmagazin „Chemistry A European Journal“.

Wolfgang Schöfberger und Lucas Fernández vom Institut für Organische Chemie der Universität Linz analysierten das Gestein des 1969 über Mexiko niedergegangenen Allende-Meteoriten, der mehrere Tonnen schwer war, beim Eintritt in die Atmosphäre zerbarst und in Bruchstücken auf der Erde landete. Ein mehr als faustgroßer Teil ist im Naturhistorischen Museum (NHM) in Wien ausgestellt, viel kleinere Stückchen kann man in „Meteoritenshops“ erstehen. Die Chemiker identifizierten in dem Meteoritengestein das Mineral „Mackinawit“. Es besteht aus Eisen, Nickel sowie Schwefel und bildet Kristalle.

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Das Mineral aus dem Meteoriten konnte im Labor unter nachgestellten Weltraum-Bedingungen die Herstellung von Ammoniak aus elementarem Stickstoff bewirken (katalysieren), erklärte Schöfberger im Gespräch mit der APA. Die Reaktionsanregung erfolgt „elektrochemisch“, also durch winzige elektrische Ströme im Gestein.

„Ammoniak ist ein flüchtiges Gas und wurde bisher noch nie in Asteroiden oder Meteoriten entdeckt“, so Fernández. Es war der einzige fehlende Puzzle-Teil, andere wichtige Eiweiß-Vorstufen – organische Carbonylverbindungen, Blausäure (HCN) und Cyanide (CN-) – waren schon jahrelang in Weltraumproben nachgewiesen worden. Aus den drei Elementen können durch eine vom deutschen Chemiker Adolph Strecker im Jahr 1850 erstmals beschriebenen chemischen Reaktion Eiweißstoffe (Aminosäuren) gebildet werden.

Auch einfache Aminosäuren wie Glycin und Alanin wurden im Gestein des Allende-Meteoriten und anderer Einschlagkörper gefunden. „Wir wissen nun, wie sie dort hinkommen“, sagte Schöfberger: „Nämlich, indem sie direkt dort hergestellt werden.“ Der ganze Produktionsweg funktioniert auf dem Meteoritengestein selbst, und wurde von den Forschern in der Fachpublikation ausführlich analysiert und beschrieben.

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Im All ist es demnach möglich, dass Eiweißstoffe ohne Mitwirken jeglicher Lebensformen auf Asteroiden, Meteoriten und Kometen entstehen. „Sobald sie gebildet sind, könnten die Proteine (Eiweißstoffe, Anm.) zu anderen Planeten und Monden transportiert worden sein, wodurch die notwendigen Moleküle für das Leben im Sonnensystem verbreitet wurden“, so Fernández: „Dieser Mechanismus könnte nicht nur auf der Erde eine Rolle gespielt haben, sondern ermöglichte vielleicht auch, dass Leben auf Planeten in anderen Sternensystemen entstand.“

Der Meteorit „Allende“ ist ein Stein aus dem Asteroidengürtel, der am frühen Morgen des 8. Februar 1969 über Mexiko in die Erdatmosphäre eintrat. Enorme Reibungshitze und abruptes Abbremsen ließen ihn als weithin sichtbaren Feuerball explodieren. Von den rund fünf Tonnen an Bruchstücken verfehlte eines nur knapp das Postamt des Ortes Pueblito de Allende im Bundesstaat Chihuahua, nach dem der Einschlagkörper benannt wurde. Drei Tonnen davon wurden bereits eingesammelt, weitere zwei Tonnen liegen dort wahrscheinlich noch auf ein Gebiet mit der Fläche von 500 Quadratkilometern verstreut herum. Es gibt 18.000 wissenschaftliche Publikationen über den Gesteinsbrocken aus dem All und man kann in Meteoritenshops Bruchstücke zum Grammpreis von etwa 80 Euro kaufen. Im NHM ist ein Allende-Brocken gemeinsam mit 1.100 anderen Gesteinsbrocken aus dem All im „Meteoritensaal“ ausgestellt.

doi.org

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