Zeugen Jehovas – anerkannte Kirche in Österreich seit 2009

Die Zeugen Jehovas sind in Österreich eine staatlich anerkannte Kirche. Nach über 30 Jahren Einsatz, der die Zeugen Jehovas bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte führte, hatte das zuständige Kultusamt im Mai 2009 der damals fünftgrößten Glaubensgemeinschaft in Österreich grünes Licht für den Status als Religionsgemeinschaft gegeben.

Nach den Angaben auf ihrer Homepage haben die Zeugen Jehovas aktuell 22.052 aktive Mitglieder in der Alpenrepublik, wobei sie mit 4.375 am stärksten in Oberösterreich vertreten sind, gefolgt von Wien mit 4.243. Insgesamt gibt es hierzulande 160 sogenannte Königreichssäle. Die deutsche Gemeinschaft mit weniger als 200.000 Mitgliedern gehört zu den größten in Europa. Weltweit soll es mehr als achteinhalb Millionen Anhänger geben.

Lesen Sie auch

Grundlage der Lehre der Zeugen Jehovas ist der aus der Bibel abgeleitete „Plan Gottes mit der Menschheit“. Dem „allmächtigen Gott und Schöpfer“ Jehova oder Jahwe, sind seine Zeugen zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet. Als „wahre Christen“ müssen sie Zeugnis für ihren Gott ablegen und die Botschaft von seinem Königreich predigen.

Anders als die großen christlichen Religionen glauben die Zeugen Jehovas nicht, dass die Seele des Menschen nach seinem Tod weiterlebt. Er habe keine, sondern sei die Seele selbst. Den Weltuntergang haben die Zeugen Jehovas mehrfach angekündigt.

Gegen eine Abqualifizierung als totalitäre Sekte wenden die Zeugen Jehovas ein, sie seien zum einen keine Abspaltung von einer Kirche und hätten keinen religiösen Führer außer Jesus Christus. Zum anderen lebten die Mitglieder freiwillig nach den Regeln der Gemeinschaft. Weil sie Politik und Religion für unvereinbar halten, nehmen sie nicht an Wahlen teil.

Bekannt sind die Zeugen Jehovas vor allem wegen ihrer stark ausgeprägten Missionstätigkeit, bei der sie von Haus zu Haus ziehen und ihre Zeitschriften „Der Wachtturm“ und „Erwachet!“ an die Frau und den Mann bringen wollen. Finanziert werden die Zeugen Jehovas mit – nach eigenen Angaben freiwilligen – Spenden.

Der Glaube greift in allen Bereichen stark in das Leben der Anhänger ein. So sei es etwa nicht erlaubt, zu Rauchen. Aufmerksamkeit erregen die Zeugen Jehovas auch medial immer wieder wegen der Ablehnung von Bluttransfusionen, was mitunter lebensbedrohlich sein kann. Sie berufen dabei auf biblische Zeugnisse. Schon lange vor der christlichen Ära habe Blut eine symbolische Bedeutung gehabt, sind die Zeugen Jehovas überzeugt. Es stand für „das Leben, das der allmächtige Gott, der Schöpfer, gegeben hat“. Das Verbot, Blut zum Erhalt des Lebens aufzunehmen sei in den Büchern des Moses an mehreren Stellen festgehalten.

Im Besonderen beziehen sich die Zeugen Jehovas dabei auf die Apostelgeschichte im Neuen Testament, wo im Kapitel 15 – in der Übersetzung der Zeugen Jehovas – das Folgende steht: „Denn es hat dem Heiligen Geiste und uns gefallen, euch weiter keine Last aufzulegen, als diese notwendigen Stücke: dass ihr euch enthaltet von den Götzenopfern, vom Blute, und dem Erstickten, und von der Hurerei. Wenn ihr euch davor bewahret, werdet ihr wohl tun“.

Gegründet wurde die Gemeinschaft von dem US-Amerikaner Charles Taze Russell Ende des 19. Jahrhunderts als Verlagsgesellschaft der Bibelforscher. 1911 kam Russell erstmals für einen Vortrag nach Wien. Regelmäßige Vorträge gab es ab 1921, ein Jahr später wurde die Tätigkeit auf andere österreichische Städte ausgedehnt.

Im Jahr 1938 gab es in Österreich 550 aktive Zeugen Jehovas. Wegen der Verweigerung des Hitlergrußes und des Wehrdienstes kam es zu Verfolgungen durch das Hitler-Regime, etwa ein Viertel der Anhänger der Glaubensgemeinschaft wurde getötet. Nach dem Krieg nahmen die Zeugen Jehovas ihre organisierte Tätigkeit wieder auf.

Den ersten Antrag auf Anerkennung als Religionsgesellschaft stellten die Zeugen Jehovas 1978. Mehrere Anträge folgten und scheiterten. Alle innerstaatlichen Rechtsmittel verhalfen der Gemeinschaft nicht zum Erfolg, weshalb sie eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einbrachte. Im Juli 2008 entschieden die Richter, dass die österreichischen Behörden die in der Menschenrechtskonvention festgeschriebene Religionsfreiheit verletzt haben. Im Mai 2009 unterzeichnete die damalige Kultusministerin Claudia Schmied (SPÖ) schließlich eine Verordnung zur Anerkennung als staatliche Religionsgemeinschaft.