Anonyme Alkoholiker schwören auf Zwölf-Schritte-Programm

Ende Juli großes Deutschsprachiges Ländertreffen in Wels, auch für Angehörige der Betroffenen

Jeder darf sich bei den Anonymen Alkoholikern so geben, wie er ist. © New Africa - stock.adobe.com

Rund 3.000 Anonyme Alkoholiker (AA) sowie deren Angehörige und Freunde, die bei der Selbsthilfegemeinschaft Al-Anon organisiert sind, werden vom 26. bis 28. Juli zum Deutschsprachigen Ländertreffen in Wels erwartet.

Das Generalthema lautet „Im Leben verwurzelt“. In Kleingruppen setzt man sich unter anderem mit Themen wie „Beziehungen“, „Entscheidungen treffen“, „Ich bin das Problem“, „Alkohol und Suizid“, „Wohin mit meiner Not?“, und Ähnlichem auseinander. Im Vorfeld schilderten am Mittwoch Richie (58) und Karin (67) in Linz, was das Besondere an den Anonymen Alkoholikern ist.

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Weltweite Vereinigung mit autonomen Gruppen

Die einzelnen Gruppen in der weltweiten Vereinigung sind autonom. Es gibt keine Hierarchie, sondern lediglich pro Gruppe einen Moderator, der darauf achtet, dass jeder, der möchte, zu Wort kommt. Bei den wöchentlichen Treffen werden keine Ratschläge erteilt, sondern man lebt nach einem Zwölf-Schritte-Programm.

Jeder ist willkommen, auch wenn er gerade nicht nüchtern ist. „Wir leben danach, 24 Stunden lang trocken zu sein, und das am besten jeden Tag“, erzählt Richie, der dies seit 22 Jahren durchhält und aktuell das Ländertreffen organisiert.

„Ich gehe davon aus, dass ich die nächsten Tage und Monate trocken bin, aber was in fünf Jahren sein wird, kann ich jetzt noch nicht sagen“, betont Richie. Und Karin weiß, wovon er spricht.

Als Jugendliche ihren Kummer in Rum ertränkt

Sie hatte mit 14 Jahren ihren Kummer im Rum ertränkt, den die Mutter zum Backen zu Hause hatte. Mit 29 Jahren, da hatte Karin bereits eine eigene Familie, hat sie ihre Chefin direkt auf ihren Alkoholkonsum angesprochen und ihr damit das Leben gerettet, ist die 67-Jährige überzeugt. In der Folge ging sie zu den Anonymen Alkoholikern.

„Gleich beim ersten Treffen dachte ich mir, die anderen erzählen meine Geschichte, weil sie Ähnliches erlebt haben, wie ich“, erzählt Karin. „Damals war ich ein zitterndes, heulendes Elend. Wichtig war, dass mir dort niemand gesagt hat, was ich zu tun habe. Es gibt keine Ratschläge und wenn jemand in der Pause des Treffens kurz auf ein Vierterl verschwindet, soll es auch recht sein“, erläutert Karin.

„Dann dachte ich, der Alkohol kann mir nichts anhaben“

„Allein durch die Freundschaft der Anonymen Alkoholiker habe ich es geschafft, 15 Jahre trocken zu bleiben. Dann dachte ich, der Alkohol kann mir nichts mehr anhaben, doch nach dem ersten Glas dauerte es nur fünf Tage und ich war wieder ganz tief drinnen und das drei Jahre lang“, schildert Karin. Mittlerweile hat sie wieder 20 trockene Jahre hinter sich und weiß, dass sie nie aufhören darf, zu den AA-Treffen zu gehen.

Wobei das auf der ganzen Welt sein kann. Denn die Anonymen Alkoholiker haben überall auf der Welt die gleichen Prinzipien und man werde so aufgenommen, wie man ist. Das Zwölf-Schritte-Programm hat einen spirituellen Hintergrund – dabei muss man keineswegs religiös sein.

Anonymität als Erfolgsrezept

Der Halleiner Mediziner, Olaf Rossiwall, ist seit vielen Jahren in der Behandlung von Alkoholkranken tätig und sieht in der Anonymität das Erfolgsgeheimnis der AA.
Die Anonymität sei aus drei Gründen wichtig, so Richie: „Erstens, wenn ein neuer Teilnehmer kommt, der soll sich nicht vorstellen müssen, zweitens, man weiß letztlich nie, ob man nicht doch wieder einen Rückfall erleidet und drittens soll die Aussage des Menschen und nicht seine gesellschaftliche Stellung oder sein Beruf zählen.“

Entscheidend sei, dass die Betroffenen freiwillig zu den Treffen kommen. Katharina, Vertreterin der Angehörigengruppe Al-Anon hat ihren Mann vor die Wahl gestellt, zu den AA zu gehen, oder aus der Wohnung zu fliegen.

Angehörige müssen sich von der Co-Abhängigkeit lösen

„Anfangs ging er mürrisch dorthin. Nach ein paar Wochen hat er gesagt, ich tue das nicht für dich, sondern für mich. Und dann gelang es ihm, trocken zu werden“, schildert sie. Es müssten aber auch die Angehörigen lernen, dass sie eine Co-Abhängigkeit hätten und ihr Problem lösen.

„Denn du kannst dich von deinem Partner scheiden lassen, aber nicht von deinen Problemen“, kennt Katharina Fälle, wo sich Frauen von Alkoholikern wieder in einen Alkoholiker verliebt haben.

Besonders schwierig sei die Situation für Kinder, vor denen man das Alkoholproblem in der Familie nicht lange geheim halten kann. „Kinder entwickeln oft Schuldgefühle und eine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung“, sagt Daniela Buder, Psychologin und Obfrau von Al-Anon in Österreich.

Etwa vier Prozent der Bevölkerung dürften ein veritables Alkoholproblem haben, viele von ihnen gestehen es sich noch nicht ein. In Österreich gibt es 200 Gruppen der Anonymen Alkoholiker, nicht nur für Deutschsprechende, sondern auch in anderen Sprachen. Allein in Wien gibt es 50 Gruppen. Geschätzt gehen hierzulande zwischen 2.000 und 4.000 Personen zu derartigen Treffen. Der Anteil der Frauen dürfte bei etwa 40 Prozent liegen. Mehr dazu finden Interessierte unter www.anonyme-alkoholiker.at

Von Michaela Ecklbauer