Kinder brauchen gerade in den Ferien Zuwendung

Expertinnen betonen: Wichtiger als ein vollgepacktes Actionprogramm ist die gemeinsame Zeit, Freude kann man auch mit kleinen Dingen haben

Umarmungen sind wichtig für eine glückliche Kindheit. © Вероника Зеленина - stock.adobe.com

Neun Wochen Ferien – für Kinder und Jugendliche die wahrscheinlich beste Zeit des Jahres, für viele Eltern bedeutet der Sommer aber mehr organisatorischer Stress und das Gefühl, den Kindern nicht genug bieten zu können. Tipps, was die gemeinsame Freizeit bereichert und die familiäre Bindung stärkt, gaben die Kinder- und Jugendanwaltschaft OÖ sowie die TelefonSeelsorge OÖ am Mittwoch.

Oftmals sind die Sommerpläne dicht getaktet, um Kindern und Jugendlichen möglichst viel bieten zu können, das zeigen Beratungsgespräche bei der Kinder- und Jugendanwaltschaft OÖ und der TelefonSeelsorge OÖ – Notruf 142.

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Denn häufig würden Eltern das eigene Urlaubsprogramm mit dem anderer Familien vergleichen. Das baue Druck auf, vor allem gegenüber dem eigenen Familienleben, wenn das geplante Ferienprogramm aufgrund von finanziellen Engpässen oder Konflikten nicht stattfindet, wie gewünscht.

Wichtiger sind Zuwendung und Verbindung

„Dabei hängt eine glückliche Kindheit und Jugend nicht von Geschenken und den ultimativen Urlaubsevents ab. Viel wichtiger sind Verbindung, Zuwendung und Beziehung, die sich auch in kleinen Dingen, die man gemeinsam erlebt, zeigen können“, erklärt Silvia Breitwieser, Leiterin der Telefonseelsorge OÖ.

„Planen Sie etwas ein, worauf Sie und Ihre Kinder sich freuen können – etwas, das den Alltag unterbricht und die Stimmung steigert. Das kann alles Mögliche sein: Spiele, gutes Essen, Musik, Singen, Tanzen, Vorlesen, Malen, Ausflüge, Sport, Treffen mit Freunden oder ein Freibadbesuch“, so die Expertinnen.

„Aber: Sie sind nicht der Alleinunterhalter Ihrer Kinder. Langeweile ist sinnvoll und kann kreative Prozesse anstoßen. Machen Sie deutlich, dass es auch für Sie nicht verhandelbare Fixpunkte in der Freizeitgestaltung gibt. Es ist nicht nötig, rund um die Uhr alles gemeinsam zu unternehmen. Auch Eltern brauchen zwischendurch Erholung“, wird geraten.

Weniger Bildschirmzeit, mehr Beziehungszeit

Ein offenes Ohr und mehr direkte Kommunikation sollten neben gemeinsamen Aktivitäten im Mittelpunkt der Freizeitphase stehen. „Oftmals sitzen zwar alle beisammen, doch das Bild, bei dem jedes Familienmitglied für sich am Smartphone sitzt, dürfte allgemein bekannt sein“, so Breitwieser.

Der Wunsch nach Kontakt und Aufmerksamkeit geht aber in beide Richtungen, so die Experten. Nicht nur Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder weniger Zeit am Handy verbringen, auch Kinder und Jugendliche äußern den Wunsch nach ungeteilter ernstgemeinter Aufmerksamkeit, das zeigen die Erfahrungen der Beratungsstellen.

Kinder und Jugendliche sollten in den Ferien nicht mehr Zeit vor dem Fernseher, am Smartphone oder bei Computerspielen verbringen als sonst. „Eine gute Balance zwischen der Zeit vor dem Computer und dem Kontakt mit ‚der realen Welt da draußen‘ ist essenziell“, so die Kinder- und Jugendanwältin des Landes Oberösterreich, Christine Winkler-Kirchberger.

„Vereinbaren Sie Offline-Zeiten, die für die gesamte Familie gültig sind, zeigen Sie Interesse an den medialen Aktivitäten Ihrer Kinder und kommen Sie über Ihrer aller Mediennutzung ins Gespräch. Leben Sie vor, wie ein vernünftiger und gesunder Umgang mit Smartphone und Co. aussieht“, rät Winkler-Kirchberger.

Bildschirmfreie Zeiten oder ob es Bereiche im Wohnraum geben soll, die zumindest eine Zeit lang „gerätefrei“ sind, können miteinander vereinbart werden. Bei den Mahlzeiten sollten Smartphone und Co. unbedingt weggelegt werden.

Gemeinsame Erlebnisse fangen in schwierigen Zeiten auf

„Denn gerade Kinder und Jugendliche sind auf Verbindung und das Beziehungsnetz Familie angewiesen, das zum Beispiel durch positive Aktivitäten und gemeinsame Erlebnisse in der Ferienzeit verstärkt wird. Es gibt Sicherheit und fängt in schwierigen Lebenssituationen auf – gerade bei Herausforderungen in Schule und Arbeit, bei Mobbing oder Problemen im Freundeskreis“, erklärt die Kinder- und Jugendanwältin.

„Bieten Sie Umarmungen an. Kuscheln tut uns und unseren Beziehungen gut. Umarmungen sind nicht nur eine Möglichkeit, das Bedürfnis nach Verbundenheit zu erfüllen, sondern stärken das Immunsystem, reduzieren Stress und schaffen Glücksgefühle“, rät Winkler-Kirchberger.

Die Psycho- und Familientherapeutin Virginia Satir meint dazu: „Wir brauchen vier Umarmungen am Tag, um zu überleben, acht Umarmungen, um zu funktionieren und zwölf, um uns weiterentwickeln zu können.“

Miteinander ins Gespräch kommen

Mit den Ferien beginnt auch eine Zeit ohne Struktur. „Der sonst dicht durchgetaktete Familienalltag, löst sich auf, Schulpläne, gemeinsame Essenszeiten und Vereinsaktivitäten sind plötzlich pausiert. Das kann zu einem erhöhten Konfliktpotenzial innerhalb der Familien führen“, betont Barbara Lanzerstorfer-Holzner, Referentin der TelefonSeelsorge – Notruf 142.

Besonders unterschiedliche Erwartungshaltungen von Kindern und Eltern führten zu Verstimmungen. Der gemeinsame Austausch sei dann ein wichtiges Mittel, um für gutes Gelingen und gegenseitige Rücksicht zu sorgen: „Was macht meinem Kind Spaß? Was bereitet mir als Elternteil Freunde? Sind die Wünsche vereinbar? Und was wäre ein guter Kompromiss?“, sind Fragen, die sich Familien stellen können.

Hilfe in Anspruch nehmen

Eltern müssen nicht alles allein schaffen. Wenn Konflikte in Familien zu viel Raum einnehmen oder Herausforderungen zu Überforderungen führen, kann das ElternTelefon 142 der Telefonseelsorge OÖ ein erster Ansprechpartner sein, und neue Perspektiven sowie Lösungen aufzeigen. Wer lieber schreibt, kann sich an die kostenlose Mail- und Chat-beratung wenden: www.onlineberatung-telefonseelsorge.at.

Weiterführende Beratung in schwierigen Situationen, bei Scheidung, Mobbing in der Schule, Überforderung oder Gewaltsituationen erhalten Familien bei der Kinder- und Jugendanwaltschaft OÖ. Dabei lohnt es sich, schon frühzeitig Hilfe in Anspruch zu nehmen und nicht zu warten, bis die Situation bereits außer Kontrolle geraten ist, empfehlen die Expertinnen.