Die Impfpflicht gegen das Coronavirus wird ausgesetzt. Das hat die Regierung heute im Ministerrat entschieden. Wie Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) ausführte, sei die Pflicht bei der vorherrschenden (Omikron-)Variante nicht verhältnismäßig.
In drei Monaten soll neu entschieden werden, wie Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) ausführte. Eigentlich hätte bei Verstößen gegen die Pflicht ab Mitte März gestraft werden sollen.
Basis für die Entscheidung ist der Bericht einer Experten-Kommission. Die darin enthaltenen Empfehlungen würden „selbstverständlich“ umgesetzt, betonte Edtstadler. Das Aussetzen der Pflicht geschieht, „weil viele Argumente dafür sprechen, dass der Grundrechtseingriff nicht gerechtfertigt ist“. Im Kommissionsbericht komme zwar „ganz klar zum Ausdruck“, dass Impfen hilft und ein „probates Mittel“ sei – man aber flexibel auf die Situation reagieren müsse und „jetzt eine Virusvariante vorherrschend ist, die das (die Impfpflicht, Anm.) nicht deckt“.
Die Verfassungsministerin unterstrich, dass heute wohl nicht das letzte Kapitel in Sachen Impfpflicht geschrieben worden sei: „Genau wie das Virus sehr beweglich ist, müssen wir flexibel und anpassungsfähig sein.“ Das Gesetz zur Impfpflicht bleibt daher quasi im Hintergrund weiter bestehen.
Rauch sagte, die Kommission werde in spätesten drei Monaten ihren nächsten Bericht vorlegen, danach folgt eine neue Entscheidung. Der jetzt eingeschlagene Weg fuße auf den Säulen der Verhältnis- und Verfassungsmäßigkeit sowie auf jener der wissenschaftlichen Evidenz.
Auch der neue Gesundheitsminister betonte, dass die Impfung weiterhin das probate Mittel sei, um die Pandemie in den Griff zu bekommen – das habe auch die Kommission festgehalten. „Impfen schützt uns alle.“ „Lassen Sie sich impfen, wenn sie es noch nicht getan haben. Holen Sie sich die zweite oder dritte Impfung, wenn Sie es noch nicht getan haben“, so sein Appell. Denn auch die Kommission sage, dass es nicht auszuschließen sei, dass man im Herbst wieder mit einer Variante konfrontiert sein könnte, „die ähnliche Auswirkungen hat auf das Gesundheitssystem, wie wir es schon erlebt haben“.
Dass man die Impfpflicht komplett aussetzt und nicht etwa nur die Strafen, sei ein bewusster Schritt, betonten Rauch und Edstadler: „Es trifft genau das, was ich als ehemalige Richterin gesagt habe: Ein Gesetz ohne Sanktionen ist zahnlos und sinnlos. Wir setzen daher die Impfpflicht an sich aus. Das bringt mit sich, dass es auch keine Kontrollen gibt.“ Das gebe das „flexible“ Gesetz auch her: Es brauche dazu lediglich eine Verordnung des Gesundheitsministers und einen Beschluss im Hauptausschuss, aber keine Gesetzesänderung, betonte Edtstadler.
Sollte es die Situation notwendig machen, die Impfpflicht doch wieder in Kraft zu setzen, werde man schnell reagieren können, versicherten die beiden Regierungsmitglieder. Man werde in den Vorbereitungen nicht die drei Monate abwarten, sondern auf die Situation „reagieren und vorbereitet sein“, so Rauch. Sollte es notwendig sein, dann werde man „sehr schnell“ reagieren, sagte auch Edtstadler.
Die Impfpflicht-Expertenkommission, die für die Regierung den nun entscheidenden Bericht erstellt hat, war schon bei der Verankerung des Gesetzes inkludiert. Ihr gehören neben den beiden Medizinern Eva Schernhammer und Herwig Kollaritsch auch Staats- und Medizinrechtler Karl Stöger sowie Rechtswissenschafterin Christiane Wendehorst an.