Die Zahl der Toten bei einem israelischen Angriff auf ein Wohngebäude in der Stadt Beit Lahiya im Norden des Gazastreifens ist nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Medienbüros auf 93 gestiegen. Rund 40 Menschen würden noch vermisst, sagte Sprecher Ismail Thawabta. 150 Menschen seien verletzt worden. Unter den Toten sind Medizinern zufolge mindestens 20 Kinder.
Videoaufnahmen aus Beit Lahiya zeigten mehrere in Decken gehüllte Leichen, die vor einem bombardierten vierstöckigen Gebäude auf dem Boden lagen. Weitere Leichen und Überlebende wurden unter den Trümmern hervorgeholt. Nachbarn eilten zur Hilfe. „Es gibt Dutzende Märtyrer“, sagte ein Helfer mit Blick auf die Toten. „Dutzende Vertriebene lebten in diesem Haus. Das Haus wurde ohne Vorwarnung bombardiert. Wie Sie sehen können, liegen hier und da Märtyrer, an den Wänden hängen Leichenteile.“
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„Die meisten der Opfer sind Frauen und Kinder“, sagte Rabie al-Shandagly, der in einer nahe gelegenen Schule in Beit Lahiya Zuflucht gefunden hatte. „Die Menschen versuchen, die Verletzten zu behandeln, aber es gibt keine Gesundheitsversorgung mehr.“
Der Direktor des Kamal-Adwan-Krankenhauses erklärte, dass 15 der Toten dorthin gebracht worden seien. Zudem würden etwa 35 Verletzte dort behandelt, die meisten von ihnen Kinder. Ärzte könnten die Verletzten nicht versorgen, weil sie gezwungen seien, das nahe gelegene Krankenhaus zu evakuieren, erklärte die Gesundheitsbehörde. „Schwerverletzte werden ohne Behandlung ihrem Schicksal erliegen und sterben.“
Die israelische Armee teilte dazu mit: „Wir betonen, dass das Gebiet von der israelischen Armee geräumt wurde und gegenwärtig eine aktive Kampfzone ist.“ Man prüfe Berichte, dass Zivilisten getötet wurden. „Die israelische Armee ruft Medien dazu auf, von Hamas-Quellen veröffentlichte Informationen mit Vorsicht zu behandeln, weil sie sich bei früheren Vorfällen als zutiefst unzuverlässig erwiesen haben.“ Die Armee gehe gezielt vor und bemühe sich, Zivilisten zu schonen.
Zudem gab sie an, bei mehreren Boden- und Luftangriffen in Jabaliya ebenfalls im Norden des Gazastreifens am Vortag 40 Mitglieder der radikalislamischen Hamas getötet zu haben. Bei Kämpfen im Norden des Gazastreifens seien nach Angaben der Armee vier Soldaten getötet worden. Die Soldaten im Alter von 20 bis 22 Jahren kamen Medienberichten zufolge bei der Explosion eines Sprengsatzes in einem Gebäude in dem Flüchtlingsviertel Jabaliya ums Leben. Nach Militärangaben wurde dabei auch ein Offizier schwer verletzt.
Die USA forderten von Israel Aufklärung über den Angriff in Beit Lahiya. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, sprach von einem „entsetzlichen Ereignis mit einem entsetzlichen Ergebnis“. Er verwies auf Berichte, nach denen viele Kinder unter den Toten sein sollen. Führende Mitarbeiter der US-Regierung hätten sich an Israel gewandt, um zu erfahren, was geschehen sei.
Israel geht seit dem 6. Oktober verstärkt im Norden des Gazastreifens vor. Erklärtes Ziel der israelischen Armee ist es, die Hamas-Mitglieder daran zu hindern, die Miliz wieder aufzubauen. Der Krieg im Gazastreifen war durch einen beispiellosen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ausgelöst worden. Auf israelischer Seite wurden 1206 Menschen teils brutal getötet. Israel geht seitdem militärisch im Gazastreifen vor. Nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden mehr als 42.800 Menschen getötet.