Mehrere Tote bei ukrainischen und russischen Angriffen

Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskuyj © APA/dpa/Jens Büttner

Bei russischen Angriffen in der Ukraine sind am Freitag nach örtlichen Angaben mindestens acht Menschen getötet worden. Die Region Charkiw im Osten des Landes meldete vier Todesopfer, darunter ein 14-jähriges Mädchen. In der benachbarten Region Sumy starben demnach zwei Menschen. Von russischer Seite hieß es wiederum, der ukrainische Beschuss der Stadt und des Bezirks Belgorod habe fünf Menschenleben gefordert.

Außerdem gebe es mindestens 37 Verletzte, unter ihnen 6 Kinder, teilte Gebietsgouverneur Wjatscheslaw Gladkow auf Telegram mit. Er sprach von Schäden an zwei Mehrfamilienhäusern, mehreren Geschäften und mehr als 20 Autos. Der russische Gouverneur warf der Ukraine vor, Streumunition mit Raketenwerfern verschossen zu haben. Diese Angaben waren nicht unabhängig überprüfbar. Eine Stellungnahme der Ukraine lag zunächst nicht vor.

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Streumunition ist in vielen Ländern geächtet, weil sie gerade für Zivilisten gefährlich ist. In Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine setzen aber beide Seite solche Geschosse ein.

Die Angaben über den Beschuss auf Belgorod kamen, nachdem in der ukrainischen Großstadt Charkiw jenseits der Grenze mindestens sechs Menschen durch russische Gleitbomben getötet worden waren. Die Städte liegen nur etwa 120 Kilometer auseinander. Weil die russische Armee das Grenzgebiet Belgorod als Ausgangspunkt ihrer Angriffe auf Charkiw nutzt, wird die Region häufig von ukrainischer Seite beschossen.

In Charkiw trafen gelenkte Fliegerbomben nach offiziellen Angaben unter anderem ein zwölfstöckiges Wohnhaus, das teilweise einstürzte. Dem Militärgouverneur Oleh Synjehubow zufolge gab es zudem 59 Verletzte, darunter neun Kinder im Alter von fünf bis 16 Jahren. Charkiw, das nur etwa 30 Kilometer von der Grenze zu Russland entfernt liegt, ist immer wieder das Ziel russischer Angriffe. Zu Beginn des von Kremlchef Wladimir Putin befohlenen Angriffskriegs versuchten russische Truppen auch, Charkiw einzunehmen, scheiterten aber.

Der Gouverneur teilte in Onlinenetzwerken ein Video, auf dem ausgebrannte Autos vor Wohngebäuden zu sehen waren, aus denen dichter schwarzer Rauch aufstieg. Präsidentenberater Mychailo Podoljak sprach von einem „vorsätzlichen Angriff auf das Zentrum von Charkiw, auf ein mehrstöckiges Gebäude“. Der Angriff sei mit einer Lenkbombe, einer besonders zerstörerischen Waffe, ausgeführt worden. Laut der ukrainischen Staatsanwaltschaft wurde der Angriff von einem Flugzeug des Typs Su-34 ausgeführt, das in der russischen Grenzregion Belgorod gestartet war.

Das Ziel eines nächtlichen Angriffs in der Stadt Sumy war nach Angaben der Staatsanwaltschaft ein Unternehmen. Eine Leiche sei unter Trümmern gefunden worden, ein Mensch sei im Krankenhaus seinen Verletzungen erlegen, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Nach dem Angriff brach ein Feuer aus, es gab auch mindestens 13 Verletzte. In Sumy sollen acht Menschen verletzt worden sein. Darunter befinden sich laut Behördenangaben nach mehrere Kinder. Die lokale Staatsanwaltschaft sprach von „völkerrechtlich verbotenen Kriegsmethoden“. Wegen der russischen Luftangriffe wurden seit dem 9. August rund 21.000 Menschen aus der Region Sumy evakuiert. Die Menschen wurden am Freitag dazu aufgerufen, in ihren Häusern zu bleiben und die Fenster zu schließen.

Sumy grenzt an die russische Region Kursk, in der die Ukraine im August eine Militäroffensive gestartet hatte. Ein Ziel der Offensive war die Schaffung einer Pufferzone auf russischem Gebiet, um die eigene Bevölkerung vor Angriffen zu schützen. Moskau antwortete darauf mit Luftangriffen.

„Ein Schlag, den es nicht gegeben hätte, wenn unsere Verteidigungskräfte die Möglichkeit hätten, russische Militärflugzeuge dort zu zerstören, wo sie stationiert sind“, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nach den Attacken auf Charkiw in einer Nachricht bei Telegram. Er forderte angesichts der Zerstörungen einmal mehr die Freigabe weitreichender westlicher Waffen gegen Ziele in Russland. Die Stärkung der Flugabwehr sei lebensnotwendig, teilte Selenskyj weiter mit.

Nach Darstellung Kiews muss zum Schutz der eigenen Städte auch das russische Angriffspotenzial vernichtet werden. Dazu seien Angriffe auf Militärflugplätze im Hinterland in Russland nötig, wo Bomber und Kampfflugzeuge stationiert seien. Selenskyj fordert inzwischen fast täglich vom Westen die Freigabe gelieferter Waffen für Angriffe auf russisches Staatsgebiet. Bisher gelten dafür Beschränkungen. Die Forderungen sind nicht zuletzt an Deutschland gerichtet. Deutsche Taurus-Marschflugkörper könnten dabei anders als vergleichbare Waffensysteme aus Großbritannien oder Frankreich auch Moskau erreichen. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte indes im Juni erklärt, ein Einsatz deutscher Raketen gegen Ziele in Russland würde die deutsch-russischen Beziehungen zerstören. Die Ukraine nutzt aber auch eigene Drohnen und Raketen für die Attacken. Das Land wehrt sich seit mehr als zweieinhalb Jahren mit westlicher militärischer Hilfe gegen den russischen Angriffskrieg.

In Dnipropetrowsk wurden laut Gouverneur Serhij Lysak drei Frauen bei Artilleriebeschuss verletzt und Häuser und Stromleitungen beschädigt. In Cherson erlitt ein Mann nach russischem Beschuss Kopfverletzungen, wie der Chef der Militärverwaltung von Cherson, Roman Mrotschko, mitteilte. Weiter südlich in Poltawa im Zentrum der Ukraine wurde zudem eine Industrieanlage bei einem russischen Angriff getroffen. Opfer habe es nicht gegeben, teilte Gouverneur Filip Pronin mit. Der ukrainische Luftwaffenkommandant Mykola Oleschtschuk erklärte, seine Streitkräfte hätten in der Nacht zwölf Schahed-Drohnen abgeschossen. Vier weitere Drohnen seien abgestürzt, ohne ihr Ziel zu treffen, fügte er hinzu.

Das russische Verteidigungsministerium gab in seinem Wochenbericht unterdessen die Einnahme von drei weiteren Ortschaften in der Ostukraine bekannt. Die russischen Streitkräfte hätten Nowoschelanne und Kostjantyniwka in der Region Donezk sowie Synkiwka in der Region Charkiw unter ihre Kontrolle gebracht, teilte das Ministerium mit. Das Dorf Nowoschelanne liegt etwa 20 Kilometer südöstlich der strategisch wichtigen Stadt Pokrowsk, auf welche die russischen Streitkräfte seit Wochen stetig vorrücken. Der ukrainische Armeechef Oleksandr Syrskyj erklärte am Freitag, rund um Pokrowsk sei die Situation für die ukrainischen Streitkräfte aktuell „am schwierigsten“. „Der Feind versucht, die Verteidigung unserer Truppen zu durchbrechen. Aber bisher werden die Angriffe abgewehrt“, sagte Syrskyj in einer Videokonferenz.

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